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Coup für Kiew
Putins Mann in der Ukraine endet in Handschellen

Ende der Flucht: Wiktor Medwedtschuk auf einem Bild des ukrainischen Geheimdienstes. 
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Dem Geheimdienst der Ukraine ist ein Coup gelungen: Er hat den untergetauchten Wiktor Medwedtschuk festgenommen, wie er am Dienstagabend mitteilte. Der 67-jährige Grossunternehmer und prorussische Politiker ist ein enger Freund von Wladimir Putin und galt als wichtigster Mann des Kreml in der ukrainischen Politik. Medwedtschuk stand seit Mai 2021 unter Hausarrest, kurz nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gelang ihm die Flucht. Gemäss eigenen Angaben erwischte der Geheimdienst den gesuchten Putin-Verbündeten, als er, in eine Tarnuniform der ukrainischen Armee gekleidet, aus dem Land fliehen wollte. 

Medwedtschuk steht dem Kremlchef auch aus familiären Gründen sehr nahe. Denn Putin ist der Götti der 18-jährigen Medwedtschuk-Tochter Daryna. Gemäss einer Recherche der Tamedia-Redaktion wollte Putins Göttikind ein Studium an der Universität Genf beginnen. Doch kurz vor der Abreise der jungen Frau habe die Schweiz völlig unerwartet «das Visum annulliert», erklärte Medwedtschuk danach in einem TV-Interview. Dabei sprach der Oligarch von einer politischen Vergeltungsaktion. Medwedtschuk selber steht seit 2014 auf der Sanktionsliste der USA wegen seiner Unterstützung für die Krim-Annexion durch Russland.

Die Mutter von Daryna ist Oksana Martschenko, eine in der Ukraine bekannte TV-Moderatorin. Die heute 48-jährige Martschenko sagte einst in einem Interview, sie habe Putin als Götti wegen seines tiefen christlichen Glaubens gewählt. Die Gotte von Daryna kommt ebenfalls aus der russischen Elite. Es ist die Ehefrau des ehemaligen russischen Präsidenten und Premierministers Dmitri Medwedew.

Moskau wirft Kiew Foltermethoden vor

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski verhöhnte Medwedtschuk in einer Videoansprache: «Was für ein Krieger, was für ein Patriot.» Als «besonders zynisch» bezeichnete Selenski, dass sich der Putin-Freund einer Armeeuniform bedient habe. Dann schlug Selenski einen Austausch Medwedtschuks gegen Ukrainer in russischer Kriegsgefangenschaft vor. «Kein Verräter wird der Bestrafung entgehen, und er wird nach dem Gesetz der Ukraine zur Rechenschaft gezogen werden», erklärte Geheimdienstchef-Chef Iwan Bakanow.

Die Festnahme von Medwedtschuk hat in Russland heftige Reaktionen ausgelöst. Der frühere Staatschef Medwedew erhob am Mittwoch schwere Vorwürfe gegen Kiew. «Vereinzelte Missgeburten, die sich selbst als ukrainische Regierung bezeichnen, erklären, dass sie ein Geständnis aus Wiktor Medwedtschuk herausprügeln, ihn schnell und gerecht verurteilen und dann gegen Gefangene austauschen wollen», schrieb Medwedew auf seinem Telegram-Kanal. Auch die Sprecherin des russischen Aussenministeriums, Maria Sacharowa, warf Kiew Foltermethoden vor – ohne dafür jedoch Beweise zu liefern.

Beste Freunde: Wiktor Medwedtschuk und Wladimir Putin bei einem Treffen in Moskau.

Medwedtschuk galt viele Jahre als Schlüsselfigur im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland. Seine Nähe zu Putin erlaubte ihm zeitweise, als Vermittler im Donbas-Krieg seit 2014 aufzutreten. So war er am Austausch von Gefangenen in der Ostukraine beteiligt. Die politischen Projekte von Medwedtschuk und die von ihm beherrschten Fernsehsender vertraten allerdings Kreml-freundliche Positionen. Zudem stand er im Verdacht, die Finanzierung der separatistischen Rebellen mitorganisiert zu haben.

Medwedtschuk avancierte zu einem Gegenspieler des ukrainischen Präsidenten. Selenski liess die TV-Sender von Medwedtschuk schliessen und nach der russischen Aggression dessen Partei verbieten. Zuletzt war der Putin-Freund einer der Chefs der «Oppositionsplattform – Für das Leben», die im Parlament zehn Prozent der Abgeordneten stellte.

Medwedtschuk kämpfte immer gegen einen westlichen Kurs der Ukraine und für eine enge Bindung an Russland.

Medwedtschuk, in den 1990er-Jahren mit Öl- und Gasgeschäften reich geworden, gehörte lange Zeit zu den einflussreichsten Politikern der Ukraine. Der gelernte Rechtsanwalt war Abgeordneter in Kiew und nach der Parlamentswahl 2002 Leiter der Präsidialverwaltung des damaligen Staatschefs Leonid Kutschma. Nach der Orangen Revolution von 2004 verschwand er von der politischen Bühne. 2010 kehrte er aber zurück. Stets kämpfte Medwedtschuk gegen einen westlichen Kurs der Ukraine und für eine enge Bindung an Russland.

Gegen Medwedtschuk läuft seit dem letzten Jahr ein Strafverfahren wegen Hochverrats sowie verschiedener Wirtschaftsdelikte. Das Infoportal Ukraine Crisis Media Center berichtete vor zwei Jahren, dass Medwedtschuk Benzin auf die besetzte Krim lieferte und via Russland und der Schweiz Ölhandel mit den USA betrieb. Etliche Unternehmen von Medwedtschuk in den Branchen Immobilien, Landwirtschaft, Öl und Gas liefen schon lange auf den Namen seiner Ehefrau, die sich inzwischen in Weissrussland aufhalten soll.