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Lockdown-Lockerungen in Russland
Putin drückt sein Referendum durch

Möglicherweise bis 2036 statt bis 2024 im Kreml : Wladimir Putin, Russlands Machthaber.
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Wladimir Putin hat sein Zeitfenster gefunden: Er holt das Votum über die Verfassungsreform bereits am 1. Juli nach. Die Corona-Pandemie hatte ihn gezwungen, den Termin im April zu verschieben. Seither stieg der Zeitdruck auf den russischen Präsidenten: Einerseits verlor er durch sein unentschlossenes Auftreten in der Krise an Vertrauen in der Bevölkerung, zugleich steigt laut Umfragen die Protestbereitschaft im Land. Putin, so spekulieren Experten, müsse abstimmen lassen, solange die Erleichterung über abflachende Infektionszahlen anhalte – und bevor der Schrecken über den wirtschaftlichen Schaden einsetze.

Nun verkündete Putin den Abstimmungstermin für die Verfassungsreform am heutigen Mittwoch – dem Tag, an dem die Moskauer zum ersten Mal nach neun Wochen Hausarrest wieder rausgehen durften. Die Freude blieb zwar verhalten, denn die Bewohner der Hauptstadt müssen sich bei ihren Spaziergängen an einen strengen Zeitplan halten und stets Mundschutz tragen. Hinzu kommt, dass die Ansteckungsgefahr kaum gesunken ist: Täglich zählt Russland um die 9000 Neuinfektionen.

Siegesparade wird am 24. Juni nachgeholt

Für Putins politische Pläne war die Öffnung jedoch notwendig. Vergangene Woche erklärte der Präsident, der Höhepunkt der Krise sei laut Experten vorüber. Im selben Atemzug kündigte er an, die Siegesparaden in Moskau am 24. Juni nachzuholen. 14’000 Soldaten sollen dann über den Roten Platz marschieren.

Keine Erinnerung ist der russischen Bevölkerung so wichtig wie jene an den sowjetischen Sieg über Nazideutschland vor 75 Jahren. «Man rechnet mit einem Mobilisierungseffekt der Siegesparade», zitiert die Zeitung «Wedomosti» eine dem Kreml nahe Quelle. Ein Effekt, den Putin für seine Abstimmung nutzen möchte. Bereits ab dem Tag nach der Parade können die Menschen abstimmen.

Dabei gelten Regeln, die Fragen aufwerfen: Es dürfen nur acht bis zwölf Menschen pro Stunde in ein Wahllokal, das regelmässig geräumt und desinfiziert werden soll. Mancherorts wird unter freiem Himmel abgestimmt. Handschuhe und Gesichtsmaske sind Pflicht. Wer den Stimmzettel abholt, muss nicht wie sonst seine Passdaten schriftlich angeben. Es reicht angeblich, den Ausweis vor dem Wahlhelfer hochzuhalten und den Mundschutz herunterzuziehen. Wer sich nicht hinauswagt, zu dem kommt die Wahlkommission nach Hause.

Die Verfassungsreform erlaubt Putin, für zwei weitere Amtszeiten zu kandidieren.

Experten befürchten, dass es durch all dies einfacher wird, zu manipulieren und Stimmen mehrfach abzugeben. «Unter solchen Umständen kann natürlich keine Abstimmung durchgeführt werden», warnt etwa Grigori Melkonjanz, Mitvorsitzender der Organisation Golos für Wählerrechte. Eine weitere Sorge der Opposition: Die Pandemie könnte verfälschen, wer zur Abstimmung geht und wer nicht.

Kremlsprecher Dmitri Peskow dagegen sagt, die Pandemie werde keinen Einfluss auf das Votum haben: «Wir glauben nicht, dass die Überreste der epidemiologischen Situation die Stimmbeteiligung beeinflussen werden.» Wie hoch die Stimmbeteiligung ausfallen werde, darüber wolle er nicht spekulieren.

Eine geringe Beteiligung könnte als Zeichen für die Unzufriedenheit mit Putin gedeutet werden. Für ihn ist es das wichtigste Votum seit der letzten Präsidentschaftswahl. Die Reform erlaubt Putin, für zwei weitere Amtszeiten zu kandidieren und womöglich bis 2036 statt bis 2024 im Kreml zu bleiben. Sie stärkt das Präsidentenamt und schreibt Werte wie den Glauben an Gott oder die Rolle der Familie in die Verfassung.

Pünktlich tauchte nun ein homophobes Video auf, das für die Reform wirbt. Produziert haben es zwei Medienunternehmen, die mit dem Putin-Vertrauten Jewgeni Prigoschin in Verbindung stehen. Das Video zeigt ein schwules Paar, das im Jahr 2035 einen Waisenjungen adoptiert. «Ist dies das Russland, das Sie wählen?», steht als Frage am Ende. Die veränderte Verfassung verbietet die gleichgeschlechtliche Ehe.