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Psychisch Kranke sollen schneller eine Therapie erhalten

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Jede zweite in der Schweiz lebende Person, so belegen Erhebungen, erkrankt mindestens einmal im Leben an einer psychischen Störung, die einer Behandlung bedarf. Wissenschaftlich erwiesen ist, dass eine ­Psychotherapie das Leiden reduzieren kann. Am häufigsten sind Depressionen, Angststörungen und Suchterkrankungen. Anerkannt ist auch, dass eine Psychotherapie wirtschaftliche Folgekosten – etwa lange Arbeitsabwesenheiten und hohe Sozialleistungen – verhindern kann. Dafür muss sie allerdings rechtzeitig einsetzen.

Trotzdem hat der Bundesrat lange gezögert, den Zugang zur Psychotherapie zu erleichtern. Die aktuelle Regelung, das sogenannte Delegationsmodell, wurde vor bald 40 Jahren als Übergangslösung eingeführt – und sorgt seither für Streit. Der Grund: Psychologen, die als Psychotherapeuten tätig sind, müssen heute bei einem Psychiater angestellt sein, damit die Grundversicherung ihre Therapiekosten übernimmt.

Die Abrechnung erfolgt über den Psychiater, der die Therapie verordnet und beaufsichtigt. ­Eröffnen Psychologen selber eine Praxis, können sie nur ­Patienten annehmen, die ihre Therapie selber bezahlen oder eine Zusatzversicherung haben. ­Viele Psychologen empfinden dieses ­System als mühsam und demütigend.

Entscheid jahrelang vertagt

Mehrere Gesundheitsminister stellten ihnen deshalb einen Systemwechsel in Aussicht, bei dem sie als eigenständige Leistungserbringer mit den Krankenkassen abrechnen dürften. Den Entscheid vertagte der Bundesrat aus Kostengründen aber jahrzehntelang. Zuletzt war der Druck aus dem Parlament und vor allem seitens der Psychologen jedoch so gross, dass er nicht umhin kam, einer Neuregelung den Weg zu bereiten: Gestern hat er eine Verordnungsänderung in die Vernehmlassung geschickt, die ein System wie bei den Physiotherapeuten vorsieht. Künftig sollen Psychologinnen ihre Psychotherapien in eigenen Praxen anbieten und selbstständig mit der Grundversicherung abrechnen können, sofern sie auf Anordnung eines Arztes erfolgen. Dieser muss nicht mehr zwingend ein Psychiater sein. Auch Haus-, Kinder- oder Frauenärzte dürfen fortan Therapien verschreiben.

Dieses Modell erleichtere Patienten den Zugang zur Psychotherapie, sagte Gesundheitsminister Alain Berset (SP) gestern vor den Medien. Vorab bei Kindern und Jugendlichen sowie Erwachsenen in Krisensituationen könnten so Versorgungsengpässe reduziert werden. Der Bundesrat schätzt die Mehrkosten in der Grundversicherung auf 100 Millionen Franken pro Jahr. Das entspricht dem Betrag, den Patienten heute selber für die Psychotherapie bezahlen oder via Zusatzversicherung abrechnen.

Sollten die Kosten «übermässig» steigen, müsse der Bundesrat korrigierend eingreifen, sagt Sprecher Matthias Müller.

Um die Kostenentwicklung zu überwachen, will Berset ein Monitoring etablieren und die Anordnung einschränken: Maximal 15 Sitzungen sollen möglich sein, ehe Patienten wieder einen Arzt konsultieren müssen. Und sowohl ärztliche als auch psychologische Psychotherapeuten müssen spätestens nach 30 statt wie bisher 40 Sitzungen Rücksprache mit der Krankenkasse nehmen.

Der Krankenkassenverband Santésuisse macht seine Unterstützung für das neue Modell von der Kostenentwicklung abhängig. Er fordert einen Automatismus: Sollten die Kosten «übermässig» steigen, müsse der Bundesrat korrigierend eingreifen, sagt Sprecher Matthias Müller. Zudem seien die Kassen dagegen, dass jeder Arzt eine Psychotherapie verordnen dürfte. Sie wollten diese Kompetenz weiterhin nur «fachlich qualifizierten Ärzten» überlassen, «um die Qualität sicherzustellen».

«Ein Meilenstein»

?Für die Psychologieverbände ist der Bundesratsentscheid ein «Meilenstein für die psychotherapeutische Versorgung». Mit dem Wechsel zum Anordnungsmodell könne eine Hürde beseitigt werden, die vielen den Zugang zu ambulanter Psychotherapie verwehre. Heute müssten Patienten teils lange Wartefristen in Kauf nehmen.

Die Stiftung Pro Mente Sana, die sich für psychisch belastete Menschen einsetzt, spricht von einem «ermutigenden Zeichen». Je früher eine psychische Krankheit erkannt werde, desto höher seien die Chancen der Genesung, sagt Geschäftsleiter Roger Staub.

Nicht einverstanden sind die Psychiater. Sie fürchten, dass die Behandlungsqualität leidet, wenn die Psychologen selbstständiger würden: «Für Krisen und Notfälle sind die Psychologen weniger gut ausgebildet», sagt Pierre Vallon, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie. Er hält auch Bersets Mehrkostenschätzung für falsch: Psychologen wollten besser verdienen und eigene Praxisräume beziehen, weshalb eine «Mengenausweitung» absehbar sei.