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Massendemos in Israel
Protestwelle gegen Netanyahu gewinnt an Stärke

Ein Protest, der nicht parteipolitisch motiviert ist: Bunte und laute Kundgebung vor der Residenz von Benjamin Netanyahu in Jerusalem.
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In Israel wächst der Unmut über Premierminister Benjamin Netanyahu. Am Samstagabend demonstrierten nach Polizeiangaben mehr als 10’000 Menschen vor seiner Residenz in Jerusalem, die Veranstalter sprachen sogar von bis zu 30’000 Teilnehmern. Zudem versammelten sich etwa 1000 Menschen in der Nähe von Netanyahus privatem Wohnsitz in der Küstenstadt Caesarea sowie mehrere Hundert in Tel Aviv.

Die schwarzen Flaggen als Zeichen der Bewegung waren überdies, wie bereits in den vergangenen Wochen, an etwa 260 grösseren Strassenkreuzungen und Brücken zu sehen. Gefordert wird der Rücktritt des Regierungschefs – zum einen, weil er wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht steht, zum anderen, weil ihm Missmanagement in der Corona-Krise vorgeworfen wird.

Bündnis verschiedener Graswurzelbewegungen

Proteste gegen seine Regierung ist Netanyahu gewohnt. Er ist ununterbrochen seit 2009 im Amt, und er hat das Land in dieser Zeit weiter nach rechts gerückt. Die aktuelle Bewegung gilt jedoch als stärkste seit dem Sommer 2011, als sich Sozialproteste an den hohen Lebenshaltungskosten entzündet hatten. Anders als früher speist sich die jetzige Unzufriedenheit mit seiner Amtsführung gleich aus mehreren Quellen, worin zugleich eine Stärke und eine Schwäche liegen könnte.

Der Protest ist nicht parteipolitisch motiviert, sondern wird von einem losen Bündnis verschiedener Graswurzelbewegungen getragen. Es gibt keine feste Führungsstruktur und bei den seit Wochen mit zunehmendem Zulauf abgehaltenen Demonstrationen vor der Netanyahu-Residenz auch kein Programm und keine Reden. Es ist ein buntes Treiben mit Schildern und Maskeraden neben der nicht immer streng befolgten Corona-bedingten Maskenpflicht.

Woche für Woche die gleichen Bilder: Gerangel zwischen Demonstrierenden und Ordnungskräften.

An diesem Wochenende hatte die Polizei ihre Einsatzkräfte noch einmal verstärkt, nachdem es in der vorigen Woche zu einigen Attacken und deutlichen Drohungen rechtsgerichteter Hooligans gegen die Anti-Netanyahu-Demonstranten gekommen war. Es wurden jedoch nur kleinere Zwischenfälle aus verschiedenen Teilen des Landes gemeldet.

Auch die zuvor wegen ihres teils rüden Vorgehens in die Kritik geratene Polizei übte bei der jüngsten Jerusalemer Demonstration grössere Zurückhaltung und verzichtete anders als zuvor bei der Auflösung der Proteste weit nach Mitternacht auf den Einsatz von Wasserwerfern.

Solche Deeskalationszeichen spiegelten sich allerdings nicht in den Reaktionen Netanyahus und seines Lagers wider. Der Premierminister selbst beschimpft die Demonstranten seit je als «Anarchisten», die eine gewählte rechte Regierung stürzen wollten. Am Sonntag nahm er auch die Medien des Landes ins Visier und warf ihnen vor, einseitig «wie im totalitären Nordkorea» über die Proteste zu berichten.

Gericht stoppt Netanyahu-Sohn Jair

An vorderster Front agierte auch wieder Netanjahus 29 Jahre alter Sohn Jair, der für Ausfälle in den sozialen Medien bekannt ist. Wohl als Revanche für die Proteste vor der väterlichen Residenz rief er auf Twitter dazu auf, sich «Tag und Nacht» vor den Wohnsitzen verschiedener Organisatoren der Proteste zu versammeln. Als Beigabe veröffentlichte er ein Dokumente mit Kontaktinfos und Adressen.

Eine der solcherart exponierten Personen berichtete bereits von Drohungen rechter Kreise. Per einstweiliger Verfügung wurde Jair Netanyahu schliesslich am Sonntag von einem Gericht in Jerusalem verboten, Kommentare zu Protagonisten der aktuellen Protestbewegung zu veröffentlichen.