Protestbrief an BundesratUNO kritisiert Schweiz für Umgang mit Bruno-Manser-Fonds
Ein Sonderberichterstatter verlangt Auskünfte zu den juristischen Angriffen gegen die Regenwaldschützer. Die Antwort des Bundes steht noch aus.

«Die Stimme des Regenwaldes» – so betitelt ein erfolgreiches Filmdrama von 2019 den Kampf von Umweltaktivist Bruno Manser. Er lebte jahrelang beim Volk der Penan im malaysischen Bundesstaat Sarawak und kämpfte dort gegen die rasante Zerstörung des Regenwalds durch die Holzindustrie. Seit der Basler im Jahr 2000 spurlos verschwand, führt der Bruno-Manser-Fonds in Basel sein Erbe weiter.
Jetzt erreicht der Fall Manser den Bundesrat und sogar die Vereinten Nationen. Hintergrund ist ein Streit des Basler Fonds mit der Familie von Sarawaks Gouverneur Abdul Taib Mahmud. Dessen Vermögen wird auf über 15 Milliarden Dollar geschätzt und stammt teils aus der Vergabe von Lizenzen für Holz, das aus dem Urwald und damit dem Lebensraum der Penan stammt. 2017 klagte der Manser-Fonds in Kanada und verlangte Einsicht in Geschäftsunterlagen. Die Basler verloren. Daraufhin kam es zu einem Gegenschlag der Familie Taib und ihrer Firma Sakto.
600-seitige Zivilklage gegen Bruno-Manser-Fonds
Das Anwaltsbüro Vischer in Basel reichte eine fast 50-seitige Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt ein, unter anderem wegen Verleumdung, übler Nachrede, falscher Anschuldigung und Nötigung. Kurz darauf folgte eine Zivilklage gegen den Fonds im Umfang von 612 Seiten. Die Genfer PR-Firma Cabinet Privé de Conseil versandte ein Schreiben an die Unterstützer des Manser-Fonds mit dem Hinweis, dass im Kampf gegen die Taibs womöglich Spenden nachlässig verwendet worden seien.
Die Strategie ziele darauf ab, sie mit PR und überrissenen Klagen in die Knie zu zwingen, sagt der Fonds. Zumindest in einem Punkt hat sich dieser Vorwurf inzwischen erhärtet. Letztes Jahr gab die Basler Staatsanwaltschaft bekannt, dass sämtliche Vorwürfe in der 50-seitigen Strafanzeige gegen den Fonds haltlos sind. Sie widerlegt den langen Vorwurfskatalog Punkt für Punkt.
«Ich bin zutiefst besorgt, dass die Schweiz ihrer Verpflichtung nach Artikel 3 der Konvention womöglich nicht nachkommt.»
Die Klagen der Familie Taib und ihrer Firma Sakto hat nun zu einem geharnischten Brief des UNO-Sonderberichterstatters für Umweltschützer, Michel Forst, an den Bundesrat geführt. Er schickte ihn am 8. August an Ignazio Cassis, als Vorsteher des Aussendepartementes EDA, sowie ans Umweltdepartement Uvek.
«Ich bringe meine grosse Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass Sakto und seine in der Schweiz ansässigen Agenten offensichtlich Gerichtsverfahren, Strafanzeigen und eine PR-Kampagne nutzen, um den Bruno-Manser-Fonds zum Schweigen zu bringen», schreibt Forst. Er verweist dabei auf die sogenannte Aarhus-Konvention, der die Schweiz 2014 beitrat.
Die Konvention soll unter anderem sicherstellen, dass die Bevölkerung Zugang zu Umweltinformationen hat. In Artikel 3 steht, dass die Vertragsstaaten, also auch die Schweiz, sicherstellen müssen, dass Personen, die wichtige Umweltinformationen öffentlich machen, «hierfür nicht in irgendeiner Weise bestraft, verfolgt oder belästigt werden».

Forst befürchtet nun, dass das Vorgehen gegen die Regenwaldschützer in der Schweiz diese Bestimmung der Konvention verletzt. «Ich bin zutiefst besorgt, dass die Schweiz ihrer Verpflichtung nach Artikel 3 der Konvention womöglich nicht nachkommt», schreibt Forst. Die Schweiz müsse sicherstellen, dass der Manser-Fonds nicht «verfolgt oder belästigt wird, nur für die Ausübung seiner Rechte unter der Aarhus-Konvention».
Dabei nennt der UNO-Sonderberichterstatter explizit auch Schweizer Anwälte und PR-Firmen. «Ich bringe auch meine ernste Besorgnis über die Rolle zum Ausdruck, die die Schweizer Anwaltskanzlei Vischer AG und die in Genf ansässige PR-Agentur Cabinet Privé de Conseils dabei gespielt haben», schreibt Forst. Die Schweiz habe sich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Umweltschützer wie der Manser-Fonds «nicht von privaten Einrichtungen wie Vischer und dem Cabinet Privé de Conseils schikaniert werden».
Der Sonderberichterstatter betont weiter, es sei gemäss der Konvention und der UNO seine Verantwortung, diese Fragen nun zu klären. Dafür schickte er dem Bundesrat zum Schluss des Briefs einen Katalog von Fragen und bat um Antwort bis zum 7. Oktober.
Der Bund hat auf den Brief bis heute nicht geantwortet. Ein Sprecher des Umweltdepartements Uvek versichert aber, dass eine Antwort folgen werde. Darin wird es wohl nicht nur um die Aarhus-Konvention gehen, sondern auch um sogenannte «Slapp-Suits».
Im Kern geht es um missbräuchliche Klagen
Forst fragt in seinem Brief nämlich detailliert nach, was die Schweiz konkret gegen Einschüchterungsklagen mache. Im Jargon heissen sie Slapp-Klagen, das steht für «Strategic lawsuit against public participation», auf Deutsch: «Strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung».
Der Zweck von Slapp-Suits ist es, mit einem juristischen Sperrfeuer unliebsame Journalisten und NGOs an ihrer Aufklärungsarbeit zu hindern. Bekannt sind solche Vorgehen von Oligarchen gegen Journalisten – auch in der Schweiz.
Eine Befragung des Hilfswerks Heks bei elf Schweizer NGOs kam letztes Jahr zum Schluss, dass Slapps zunehmen: 2018 sah sich nur eine Schweizer NGO von einer solchen Klage betroffen. Seither berichten sechs Organisationen von über einem Dutzend neuer Klagen. Vor wenigen Wochen reichte etwa eine Rohstofffirma eine Klage über 1,8 Millionen Dollar Schadenersatz gegen die NGO Public Eye ein. Sie ist dadurch in ihrer Existenz gefährdet.
Die Europäische Union ist dabei, Richtlinien gegen solche Slapps zu erstellen. In der Schweiz gab es dafür vorerst nur einen Vorstoss der Grünen. Doch der Nationalrat stoppte diesen letzten März mit der Begründung, dass es derzeit «keine Hinweise» darauf gebe, dass es in der Schweiz solche Slapp-Suits gebe.

Der UNO-Sonderberichterstatter sieht das offensichtlich anders und ermahnt den Bundesrat, dass die Schweiz sich verpflichtet habe, Umweltschützer vor Übergriffen von allen staatlichen Stellen zu schützen, auch den Gerichten.
Thomas Weibel, Anwalt der Basler Kanzlei Vischer, die im UNO-Brief unter Beschuss kommt, betont, dass sie keine Slapp-Klage führe. Der Manser-Fonds selber habe zahlreiche Verfahren gegen sie geführt und verloren. «Man kann nicht ernsthaft von Slapp reden, wenn sich die Betroffenen dann mit den Mitteln des Rechtsstaats zur Wehr setzen», sagt Weibel. Er verweist darauf, dass der Fall derzeit beim Zivilgericht Basel-Stadt liegt, dessen Urteil sie nicht vorgreifen wollen.
«Der Bundesrat muss anerkennen, dass Slapps auch in der Schweiz eine Gefahr für die Meinungsfreiheit und die Demokratie sind», sagt hingegen Lukas Straumann, Geschäftsleiter des Manser-Fonds. «Wir erwarten, dass der Bundesrat die Anti-Slapp-Richtlinie der EU aufnimmt und dem Parlament einen Gesetzesvorschlag unterbreitet, der missbräuchlichen Klagen einen Riegel vorschiebt.»
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