31-mal teurer als im AuslandSchweizer Labors sollen bei Tests 1,5 Milliarden Franken einsparen
Der Preisüberwacher stellt eine eklatante Preissteigerung bei Schweizer Labortarifen fest. Er fordert nun eine umgehende Reform.
Dass der PCR-Covid-Test in der Schweiz sehr viel mehr kostet als in Österreich, wie kürzlich berichtet, ist kein Einzelfall. Es ist nicht mal die Spitze des Eisbergs. Wer sich etwa vergangenen Herbst in Deutschland eine Infektion im Blut nachweisen lassen wollte, zahlte umgerechnet 55 Rappen für die medizinische Analyse. In einer Schweizer Arztpraxis kostete das «kleine Blutbild», wie die Laboruntersuchung im Fachjargon heisst, 17 Franken und 10 Rappen. Das sind 31-mal mehr als im Nachbarland.
Die Laborkosten steigen stärker als der Rest
Diesem eklatanten Preisunterschied ist Stefan Meierhans auf die Spur gekommen. Der Preisüberwacher hat die Laborkosten unter die Lupe genommen, nachdem diese in der Schweiz im letzten Jahrzehnt deutlich stärker gestiegen sind als die übrigen Gesundheitskosten. Mussten die Krankenversicherer 2010 noch 910 Millionen Franken für medizinische Analysen zahlen, waren es 2020 beinahe 1,6 Milliarden. Dazu kommen die Kostenbeteiligungen der Versicherten sowie die direkten Ausgaben der Selbstzahler, die sich seit 2010 auf rund 800 Millionen verdreifacht haben. Unter dem Strich gibt das Gesamtkosten von 2,3 Milliarden Franken.
Wie ist es in anderen Ländern mit einem ähnlichen Gesundheitssystem? Um das herauszufinden, hat der Preisüberwacher die Tarife der zehn medizinischen Analysen, die in der Schweiz die höchsten Kosten verursachen, mit jenen in Deutschland, Frankreich und Holland verglichen. Mit dem Ergebnis, dass sämtliche untersuchten Tarife in der Schweiz höher sind als im Ausland.
Gemäss dem am Donnerstag veröffentlichten Bericht kommt nicht nur die Blutuntersuchung besonders teuer. Eine Kreatinin-Analyse zum Beispiel, mit welcher die Nierenfunktion getestet wird, kostet in der Schweizer Arztpraxis 18 mal mehr als in Deutschland. Im Schnitt sind die Tarife in den Speziallabors, die von Privaten oder von Spitälern betrieben werden, 2,3 mal höher als diejenigen in den Vergleichsländern. In den Arztpraxen kosten die zehn teuersten Untersuchungen im Mittel gar 4,5 mal mehr als im Ausland.
Würden sämtliche Schweizer Tarife an den Durchschnitt der Vergleichsländer angepasst, hätten die Krankenversicherungen 2020 eine Milliarde Franken gespart, rechnet der Preisüberwacher vor. Für die privaten Haushalte beziehungsweise Selbstzahler betrügen die Einsparungen 0,5 Milliarden Franken. Insgesamt beziffert Meierhans das Einsparpotential mit 1,5 Milliarden Franken.
Die Nachbarländer hätten bereits tiefgreifende Reformen auf dem Markt für medizinische Analysen hinter sich, argumentiert Meierhans. In Deutschland und Frankreich seien die Strukturen dank Grosslabors effizienter und die Tarife tiefer. Die Schweiz hingegen habe lange Jahre mit einer Überarbeitung ihrer Tarifstruktur zugewartet. Das reiche nicht mehr aus, jetzt brauche es eine umfassende Reform.
Auslandpreise sollen künftig den Tarif mitbestimmen
Konkret empfiehlt er Gesundheitsminister Alain Berset, die Tarife für Laboranalysen ebenfalls auf der Grundlage eines Auslandpreisvergleichs festzulegen, so wie dies bereits bei den Medikamenten und medizinischen Hilfsmitteln geschieht. Erneut zu überprüfen seien zudem die Labortarife in Arztpraxen, die Gesundheitsminister Pascal Couchepin 2009 gesenkt hatte.
Dabei dürfe man keine Zeit verlieren: «Die Ergebnisse unseres Vergleichs sind so klar, dass man besser heute handeln sollte als morgen», sagt Meierhans.
Seit November 2020 ist das Bundesamt für Gesundheit (BAG) daran, die Tarife auf der Analysenliste zu überprüfen. Zurzeit würden die Grundlagen des Kostenmodells in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern erarbeitet, hiess es vor einem halben Jahr. Einen Endtermin der Tarifüberprüfung kann das BAG bis heute nicht nennen.
Dass der Preisüberwacher in ein laufendes Verfahren eingreife, sei nicht zielführend, heisst es beim Verband der Verband der medizinischen Laboratorien der Schweiz FAMH. Auslandspreisvergleiche in der Labormedizin seien komplex und müssten korrekt erfolgen. Die Schweiz weise eine einzigartige dezentrale Versorgungsstruktur mit Praxislaboren und Speziallaboren auf, die nah am Patienten sei. Zudem sei der Vergleich mit Deutschland nicht zulässig, da die Labore dort darauf angewiesen seien, die gesetzlichen Tarife mit den Tarifen der Privatversicherten quer zu subventionieren.
Dem Krankenkassen-Verband Santésuisse hingegen, der bereits im vergangenen Sommer bei der zuständigen Kommission eine Senkung der Laborpreise beantragt hatte, geht die Geduld aus. Dem Gesuch sei jetzt stattzugeben, sagt Sprecher Matthias Müller. Denn die überrissenen Preise in der Schweiz gingen direkt zulasten der Prämienzahlerinnen und Prämienzahler. «Man könnte sie ohne Qualitätsverlust entlasten.»
Dem pflichtet Christian Lohr bei. Der Mitte-Nationalrat hat eine Motion eingereicht, die eine Preissenkung der Labortarife verlangt und in der Wintersession verabschiedet wurde. Nun sieht er sich voll bestätigt. «Bevor man Leistungen abbaut, sollte man schauen, ob die Höhe der Gewinne gerechtfertigt ist», sagt Manuela Weichelt. Die Zuger Nationalrätin der Grünen will den Preisvergleich in der Gesundheitskommission ihres Rats zum Thema machen, die am Donnerstag und Freitag tagt. Und sich die Preisdifferenz vom BAG erklären lassen: “Um das zu rechtfertigen, muss man schon gute Gründe vorbringen.”
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