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Scheinwahl in Belarus
Machthaber Lukaschenko geht in siebte Amtszeit

Wahlkommissionsmitglieder zählen Stimmzettel bei den Präsidentschaftswahlen in einer Abstimmungsstation in Minsk, Belarus.
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Bei der als Farce kritisierten Präsidentenwahl in Belarus lässt sich Machthaber Alexander Lukaschenko nach mehr als 30 Jahren an der Macht erwartungsgemäss zum siebten Mal als Sieger ausrufen. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Belta kam der von Russland unterstützte Staatschef nach vorläufigen Ergebnissen auf 86,82 Prozent der Stimmen. Das habe der Vorsitzende der Wahlkommission mitgeteilt. Der angebliche Stimmenanteil ist der höchste, der Lukaschenko jemals zugesprochen wurde.

In Minsk gab es aus den Reihen der vier Mitbewerber, die Lukaschenko unterstützten und daher als reine Statisten galten, erste Gratulationen zum «überzeugenden Wahlsieg».

Belarussischer Präsident Alexander Lukaschenko gibt seine Stimme bei den Präsidentschaftswahlen in einem Wahllokal in Minsk ab, 26. Januar 2025.

2020 war Lukaschenko mit 80,1 Prozent der Stimmen zum Sieger erklärt worden. Laut den Prognosen soll er demnach noch einmal deutlich zugelegt haben – bei über 80 Prozent Wahlbeteiligung. Aufgerufen zur Abstimmung waren rund 6,9 Millionen Wahlberechtigte. 

«Man muss wissen, dass die in Belarus veröffentlichten Zahlen nichts mit der Realität gemein haben», sagte der wegen Gefahr für sein Leben ins Exil ins Ausland geflüchtete Politologe Waleri Karbalewitsch der Deutschen Presse-Agentur. «Der Machtapparat legt die Zahlen schon im Vorfeld fest.» Bei einer Wahl mit alternativen Kandidaten hätte der seit 1994 regierende Lukaschenko laut Karbalewitsch keine Chance auf den Sieg gehabt.

Für die Option «Gegen alle» auf dem Stimmzettel votierten laut den Wahlnachbefragungen eines staatlichen Instituts 5,1 Prozent der Wähler. 

«Mir egal»

«Erkennen sie diese Wahlen an, oder nicht, das ist Geschmackssache. Mir ist das völlig egal», sagte Lukaschenko vor Journalisten in Minsk auf eine Frage zur Nichterkennung der Abstimmung von der EU. Zugleich sagte er, dass er aus Verantwortungsbewusstsein so lange an der Macht bleiben werde, wie sein Umfeld ihn trage.

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Weil die Wahlen in der früheren Sowjetrepublik immer wieder unter massiven Fälschungsvorwürfen stehen, gab es in der Vergangenheit stets Proteste. Die bisher grössten Massenproteste liess Lukaschenko nach der Wahl 2020 gewaltsam niederschlagen – mit Russlands Hilfe. 300’000 Menschen haben nach Schätzung der Vereinten Nationen Belarus seither verlassen. Viele prominente Oppositionelle, darunter Maria Kolesnikowa und Viktor Babariko, sitzen in Haft.

Menschenrechtler kritisieren, dass mehr als 1200 Menschen in politischer Gefangenschaft sitzen. Belarus ist auch das letzte Land in Europa, in dem noch Todesstrafen vollstreckt werden – per Genickschuss. Wer sich kritisch äussert in dem Land, riskiert Haft. Die Medien sind gleichgeschaltet, viele unabhängige Nachrichtenportale sind blockiert.

Kallas und Kos: Wahl in Belarus weder frei noch fair

Die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas sprach in Brüssel am Sonntagabend von Scheinwahlen, die weder frei noch fair gewesen seien. «Das belarussische Volk verdient ein echtes Mitspracherecht darüber, wer sein Land regiert», sagte sie laut einer Mitteilung. Sie forderte Lukaschenko auf, «alle politischen Gefangenen, von denen über tausend willkürlich inhaftiert sind, darunter auch ein Mitarbeiter der Delegation der Europäischen Union, unverzüglich und bedingungslos freizulassen».

EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas bei einer Pressekonferenz in Ankara, Türkei, vor einer EU- und türkischen Flagge, 24. Januar 2025.

Das Lager um die im Exil in der EU lebende Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, die 2020 nach Meinung vieler die Abstimmung gewonnen hatte, rief die internationale Gemeinschaft auf, weder die Wahl noch Lukaschenko als Präsidenten anzuerkennen. Das Land ist nicht nur wegen politischer Repressionen, sondern auch wegen der Unterstützung für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit Sanktionen belegt.

Lukaschenko hatte vor der Wahl wiederholt politische Gefangene begnadigt – mehr als 200 insgesamt. Damit verbindet er nach Meinung von Experten vor allem die Hoffnung, dass der Westen doch wieder den Dialog aufnimmt. Bei der Pressekonferenz in Minsk betonte er indes erneut seine Bereitschaft, den Kontakt wieder aufzunehmen.

Ein Land in Angst

Der Politologe Karbalewitsch sieht ein Land in Angst: Lukaschenkos Apparat fürchte neue Proteste und habe deshalb schon vor der Abstimmung Vertreter in Institutionen Unterstützerunterschriften sammeln lassen. Der bereits zu Sowjetzeiten wegen seiner Brutalität gefürchtete Geheimdienst KGB hält Belarus fest im Griff. Und auch die Wähler seien verängstigt, weil ihnen schon Strafverfolgung drohe, wenn sie etwa auf dem Mobiltelefon kritische Informationen lesen, sagte Karbalewitsch der Deutschen Presse-Agentur. 

Lukaschenko wolle sich mit der nun im Winter angesetzten Abstimmung frisch legitimieren. Eigentlich wäre der reguläre Termin im Sommer gewesen.

Lukaschenko nutze derzeit eine gewisse Konsolidierung der Gesellschaft, weil die Kritiker weg seien. Zudem setze er sich vor allem mit Blick auf den Krieg in der benachbarten Ukraine als Wahrer des Friedens und der Stabilität in Szene. «Er hat auch Rückhalt von vielen, die 2020 gegen ihn waren, die aber schon damals auch prorussisch eingestellt waren und jetzt wieder auf Linie sind», erklärte Karbalewitsch. Kremlchef Wladimir Putin hatte Lukaschenko damals trotz Hoffnungen vieler Demonstranten in Belarus nicht fallengelassen.

Bis dass der Tod entscheidet

Der Experte Karbalewitsch erwartet, dass der zuletzt auch von Gesundheitsproblemen geplagte Lukaschenko bis an sein Lebensende an der Macht bleiben will. Die Chancen stünden nicht schlecht, «weil derjenige, der mit Russland befreundet ist, Gas und Öl zu niedrigen Preisen und den atomaren Schutzschirm erhält». Inzwischen gehe es Belarus auch wirtschaftlich besser, weil die Betriebe des Landes für Russlands Kriegswirtschaft produzieren.

Der Preis für Lukaschenkos Machterhalt sei eine immer grössere wirtschaftliche, finanzielle und politische Abhängigkeit von Putin. «Souveränität aber hat Belarus immer weniger», sagte Karbalewitsch. Gleichwohl sieht er wegen des starken Widerstands in Minsk keine akute Gefahr, dass Russland sich den Nachbarn einverleibt.

DPA/nag