Corona in BrasilienPositiv getesteter Gouverneur legt sich mit Bolsonaro an
Rio de Janeiros Regierungschef Witzel avanciert zum schärfsten Widersacher des brasilianischen Präsidenten. Schliesslich hat er grosse Ambitionen.
Wilson Witzel ist jetzt Teil der Statistik. Per Videonachricht gab der Gouverneur des Bundesstaats Rio de Janeiro am Dienstag bekannt, dass er positiv auf das Coronavirus getestet worden sei. Er ist damit einer von rund 25’800 bestätigten Corona-Fällen, die es in dem südamerikanischen Land gibt. Gleichzeitig ist Witzel ein Sonderfall, schliesslich war der rechtskonservative Politiker einst einer der engsten Verbündeten von Präsident Jair Bolsonaro gewesen. Inzwischen ist der 52-jährige Gouverneur in der Corona-Krise einer der schärfsten Widersacher, die Bolsonaro im eigenen Land hat.
Brasilien war das erste Land in Lateinamerika, in dem das Virus aufgetreten war. Heute hat es die meisten Infizierten der gesamten Region. Unter den bisher rund 1500 Toten sind auch Bewohner aus den Favelas in Rio de Janeiro. Experten befürchten eine Katastrophe, sollte sich das Virus weiter in den Armenvierteln ausbreiten. Pessimistische Szenarien sagen einen Kollaps des Gesundheitssystems in den kommenden zwei Wochen voraus.
Gouverneure handeln auf eigene Faust
Während Länder Europas über die Lockerung von Ausgangssperren diskutieren, hat Brasiliens Präsident diese landesweit überhaupt noch nicht eingeführt. Im Gegenteil: Bolsonaro spielt das Virus als «Grippchen» herunter. Dies führte zu einem erbitterten Streit mit dem eigenen Gesundheitsminister. Zudem überwarf sich Bolsonaro mit nahezu allen Gouverneuren der Bundesstaaten. Sie haben auf eigene Faust Schutzmassnahmen angeordnet, São Paulo und Rio de Janeiro stehen unter Quarantäne.
Während die Umfragewerte von Bolsonaro immer weiter in den Keller sacken, steigen diejenigen von Rios Gouverneur Witzel. Und während Bolsonaro öffentlich immer wieder betont, stets negativ auf das Virus getestet worden zu sein, ohne aber Nachweise dafür zu liefern, geht Witzel mit seiner Erkrankung an die Öffentlichkeit. Dabei dürfte es ihm nicht nur um Aufklärung der Bevölkerung gehen, sondern auch um die Steigerung seiner eigenen Popularität. Schliesslich will Witzel Bolsonaro als Präsident ablösen.
Rechte Hardliner gegen Rest der Bevölkerung
Wie Bolsonaro begann auch Witzel seine Karriere beim Militär. Später wurde er Bundesrichter, 2018 schloss er sich einer ultrakonservativen Partei an und gewann im Windschatten von Bolsonaro die Wahlen. Seitdem hat sich Witzel stets als Hardliner inszeniert. Den Drogenbanden, die weite Teile der Favelas in Rio kontrollieren, hat er den Kampf angesagt – nicht mit Sozialprogrammen, sondern mit Maschinengewehren und Kampfhelikoptern. Dass dabei immer wieder Unschuldige ums Leben kommen, darunter auch Schulkinder, hält ihn nicht von seiner Strategie ab.
Gleichzeitig hat Witzel in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass er seine Überzeugungen schnell ändern kann, wenn es ihm opportun erscheint. Während Bolsonaro mit homophoben Kommentaren für Kritik sorgt, erwähnt Witzel gerne mal seinen transsexuellen Sohn. Und nun, wo das Coronavirus in Brasilien nicht nur zum Gesundheitsproblem, sondern auch zur Glaubensfrage zwischen rechten Hardlinern und dem Rest der Bevölkerung geworden ist, nutzt Witzel die Gunst der Stunde und tritt in Opposition zum Präsidenten. Ihm gehe es gut, sagte der Gouverneur in seiner Videobotschaft. Er könne arbeiten, halte sich aber an die Ratschläge der Ärzte sowie an die Quarantäneauflagen seines Bundesstaats.
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