Sponsoring von Politikern?Politikerreisen über Firmenkasse abgewickelt
Im Fall der Russlandreisen von Westschweizer Politikern wurden Belege gefunden, wonach die Rechnungen teils mit Fremdgeld beglichen wurden. In einem Medienprozess werden sie jetzt kontrovers diskutiert.
Die Enthüllung warf hohe Wellen. Namhafte Westschweizer Politiker reisten während Jahren gemeinsam nach Russland. Als Organisator wirkte Eric Hoesli, heute VR-Präsident der Zeitung «Le Temps». Mit dabei war auch der in Lausanne lebende, pauschalbesteuerte Unternehmer Frederik Paulsen. Der Waadtländer Generalstaatsanwalts Eric Cottier eröffnete eine Voruntersuchung, weil der Reisegruppe mitunter Pascal Broulis, Waadtländer Finanzdirektor, angehörte.
Für Cottier war eine Frage zentral: Lag hier der Fall von einer Vorteilsannahme im Amt vor? Der Generalstaatsanwalt verzichtete 2018 darauf, ein Strafverfahren zu eröffnen. Gemäss Cottier waren Broulis und andere Befragte für die Reisekosten selbst aufgekommen. Zudem hiess es, die Trips seien rein privater Natur gewesen und hätten unter «spartanischen Bedingungen» stattgefunden.
Doch bei den Reisekosten gibt es heute Zweifel. In einem Rechtsstreit vor dem Bezirksgericht Zürich sind am Donnerstag Dokumente präsentiert worden, die darauf hinweisen könnten, dass die Teilnehmer die Reisen nicht vollständig finanziert haben.
Das Gerichtsverfahren hat Milliardär Frederik Paulsen angestrengt. Er verklagte das Verlagshaus Tamedia, das auch diese Zeitung herausgibt, im September 2019 wegen der Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte. Er rügte insgesamt 44 Artikel, darunter solche des Schreibenden.
Whistleblower liefert Hinweis
Um ihre Arbeit vor Gericht zu verteidigen, intensivierten die Journalisten ihre Recherchen. Sie bekamen einen Hinweis, dass zumindest eine Politikerreise über ein Firmenkonto des Medienhauses Edipresse abgewickelt worden sei, das ab 2009 seine Schweizer Medienaktivitäten an Tamedia übertrug.
Tatsächlich existierten Buchhaltungsbelege für eine Reise nach Kamtschatka im Jahr 2010. Sie zeigten, dass Eric Hoesli als damaliger publizistischer Leiter von einem Edipresse-Geschäftskonto rund 61’000 Franken abbuchte. Später flossen zwar Einzahlungen auf das Konto zurück, jedoch in einem um 15’000 Franken niedrigeren Betrag. Das Konto gehörte zu einer Immobiliengesellschaft von Edipresse, die von Tamedia beim Kauf des Westschweizer Verlagshauses nicht übernommen worden war.
Offen ist, wie dieser Fehlbetrag zustande kam. Es gibt zudem weitere, substanzielle Geldabflüsse, deren Zweck ungeklärt ist und die mit der Reise in Zusammenhang stehen könnten. Kläger Frederik Paulsen und sein Unternehmen überwiesen zudem einen insgesamt wesentlich höheren Betrag auf das Konto als die 4700 Franken, die Reiseorganisator Hoesli verlangt hatte.
«Der Kläger wusste natürlich als einfacher Reiseteilnehmer nichts von diesem Sponsoring.»
Über die Nutzung des Firmenkontos, vor allem den Fehlbetrag, sprachen die Anwälte vor Gericht ausführlich. Paulsens Anwalt hatte während der ersten Verhandlung im Juni festgehalten, dass die Kontenauszüge «kein Beweis für die Wahrheit der Recherche und des Publizierten und völlig irrelevant für die Rechtfertigung der medialen Verunglimpfungen» seien. Die Unterlagen scheinen «willkürlich zusammengestellt» worden zu sein. Der Anwalt sagte aber auch: «Der Kläger wusste natürlich als einfacher Reiseteilnehmer nichts von diesem ‹Sponsoring› der Reise durch Edipresse.» Mehr bezahlt als alle anderen habe der Kläger nur deshalb, weil er einen «persönlichen Freund als Begleitung» mitgenommen habe.
In Helikoptern auf Reisen
Eine Anwältin von Tamedia betonte am Donnerstag in ihrem Plädoyer: «Es sind weder der Name noch die Funktion des angeblichen Freundes bekannt.» Mangels anderer Beweise sei erstellt, dass der Kläger «die Reisekosten von mehreren Reiseteilnehmern ganz oder teilweise übernommen hat, darunter auch Politiker». Und auch die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben ergebe, «dass die Reiseteilnehmer nicht die gesamten Kosten der Reise selbst bezahlt haben».
Auch für die diversen Reisen nach 2010 stellt sich die Frage, ob es allenfalls Zuschüsse von dritter Seite gab. Die von den Teilnehmern bezahlten Kosten waren bei nachfolgenden Reisen tiefer, der Aufwand jedoch keineswegs geringer. Recherchen lassen unter anderem den Schluss zu, dass mehrfach Helikopter zum Einsatz kamen. Die Vorfinanzierung der Reisen wurde spätestens ab 2015 über Frederik Paulsen abgewickelt, stellte Generalstaatsanwalt Cottier in seiner Voruntersuchung fest.
Reiseorganisator Eric Hoesli teilt auf Anfrage mit, ohne präzise Angaben zu den neuen, in Zürich präsentieren Belegen könne er keine Fragen beantworten. Edipresse-Verleger Pierre Lamunière schreibt, es sei möglich, dass sein Unternehmen «aus Sympathie fürs Projekt 3000 bis 4000 Franken vorgeschossen» habe, aber er erinnere sich nach über zehn Jahren nicht mehr genau daran.
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