Debatte um KriegsmaterialexportePfister bricht Tabu um Schweizer Waffen für die Ukraine
Der Präsident der Mitte-Partei will Munition an die Ukraine liefern. Dabei hat seine Partei eben erst mitgeholfen, das Kriegsmaterialgesetz zu verschärfen.
Der Vorwurf ist happig. Mitte-Präsident Gerhard Pfister wirft dem Bundesrat «unterlassene Hilfe» für die Ukraine vor. Der Auslöser: Die Schweiz hat es der deutschen Regierung untersagt, Munition aus Schweizer Produktion an die Ukraine weiterzugeben.
Wie die «SonntagsZeitung» publik machte, hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) jüngst zwei entsprechende Gesuche aus Deutschland abgelehnt.
Der Hintergrund: Wenn andere Staaten Schweizer Kriegsmaterial kaufen, dürfen sie dieses nicht weiterexportieren – es sei denn, die Schweiz bewillige dies explizit. Genau das hat der Bund im vorliegenden Fall abgelehnt – unter Verweis auf das strenge Kriegsmaterialgesetz.
Für Pfister ist dieser Entscheid unverständlich. Auf Twitter vertrat er die Meinung, der Bundesrat hätte die Weitergabe der Munition erlauben können, ja müssen.
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Im Laufe des Sonntags bekam Pfister Support aus seiner Partei. «Letztlich ist auch die Sicherheit der Schweiz in Gefahr», sagte Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter gegenüber «20 Minuten». Darum müsse die Schweiz über Kriegsmaterialexport «neu diskutieren».
Hüst und Hott bei der Mitte?
Bei der politischen Konkurrenz stösst dieser Positionsbezug der führenden Aussenpolitiker der Mitte «auf grosses Erstaunen», wie FDP-Nationalrätin Maja Riniker sagt. Sie verweist darauf, dass Pfisters Partei erst vor wenigen Monaten mitgeholfen hat, das Kriegsmaterialexportgesetz zu verschärfen.
Tatsächlich hat das Parlament am 1. Oktober 2021 einen Gegenvorschlag zur sogenannten «Korrekturinitiative» verabschiedet. Zwar waren Waffenexporte an kriegführende Staaten schon vorher verboten, allerdings nur auf Verordnungsebene. Das Parlament hat dieses Verbot nun auf Gesetzesstufe gehoben. Brisanterweise tritt diese Verschärfung just in diesen Tagen in Kraft, nämlich am 1. Mai.
Neu steht im Gesetz wörtlich, dass die Schweiz kein Kriegsmaterial in Länder exportieren darf, die «in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt» sind – was auf die Ukraine zweifellos zutrifft. Diese Verschärfung des Gesetzes wäre nicht zustande gekommen, wenn die Mitte-Partei ihr nicht – zusammen mit SP, Grünen und GLP – zugestimmt hätte. Auch Pfister selber stimmte mit Ja. SVP und FDP lehnten die Gesetzesverschärfung hingegen ab.
Pfister will Notrechtsentscheid
«Vor diesem Hintergrund entbehrt Pfisters Wortmeldung nicht der Ironie», sagt FDP-Nationalrätin Riniker. Sie nehme den «Sinneswandel» aber erfreut zur Kenntnis, sagt Riniker, welche Co-Präsidentin des Verbands der Schweizer Rüstungsindustrie ist. «Endlich sieht man, dass Schweizer Waffen sinnvoll eingesetzt werden können.»
«Endlich sieht man, dass Schweizer Waffen sinnvoll eingesetzt werden können.»
Pfister argumentiert in seinem Tweet hingegen, dass der Bundesrat das Verbot des Exports an Krieg führende Staaten faktisch per Notrechtsentscheid aushebeln könnte.
Diese Sichtweise lehnen andere Parlamentarier dezidiert ab. Obwohl Riniker für ein liberales Exportregime eintritt, ist sie der Meinung, dass der Bund im Fall Ukraine gar keine Wahl hat. «Gestützt auf das heutige Recht, konnte das Seco die deutschen Gesuche nicht bewilligen.» Riniker hoffe nun aber, dass Die Mitte mithelfen werde bei einer erneuten Revision des Kriegsmaterialgesetzes.
Auch GLP-Nationalrat Beat Flach – der wie Pfister für das verschärfte Exportrecht stimmte – ist der Ansicht, dass die Bedingungen für einen Notrechtsentscheid «im vorliegenden Fall nie und nimmer erfüllt sind». Flach hofft nun aber, dass die von Pfister losgetretene Debatte zu einer grundlegenden Neuausrichtung führen könnte. Flach fordert schon lange, dass die Schweiz nur noch Waffen an Demokratien mit ähnlichen Werten liefere – egal, ob sich diese im Krieg befinden oder nicht. So wären jetzt auch Waffenexporte an die Ukraine möglich. Waffenexporte an Diktaturen wie etwa Saudiarabien wären demgegenüber auch in Friedenszeiten nicht mehr möglich.
Um was für Munition geht es überhaupt?
Auch in Deutschland nahmen mehrere Nachrichtenportale den Artikel der «SonntagsZeitung» auf. Auf Twitter kritisierten zahlreiche Nutzer den Entscheid der Schweizer Behörden.
Dabei ist eine zentrale Information bis jetzt unbekannt – nämlich um was für Munition es bei den deutschen Gesuchen überhaupt geht. Einzelne Medien behaupteten, es gehe um Munition für den Schützenpanzer Marder. Diesen würden gewisse Kreise gerne an die Ukraine liefern. Die Bundesregierung hat das bisher aber abgelehnt.
Das Seco macht geltend, aus den deutschen Anfragen sei nicht ersichtlich, ob es um Munition für den Marder gehe.
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