Ein Herz für TiereAls ihre Lieblingskuh geschlachtet werden sollte, begann Barbara Zwingli Geld zu sammeln
Vor einem Jahr hat sie den Mastbetrieb ihres Partners in einen Gnadenhof verwandelt. Heute bietet Barbara Zwingli über 50 Tieren ein Zuhause. Die 57-Jährige hat noch einiges vor.
- Barbara Zwingli betreibt einen Gnadenhof für Tiere auf dem Peterhof.
- Das Konzept basiert auf Patenschaften, die Einnahmen generieren.
- Zwingli plant, die Anbindehaltung durch Auslaufhaltung zu ersetzen.
- Eine Ausbildung zur Landwirtin ist für 2025 vorgesehen.
Alles begann mit Bolognese. Nein, nicht mit der bekannten Spaghettisauce, sondern mit einer Kuh, die zu Hackfleisch verarbeitet werden sollte. Barbara Zwingli lebte damals bereits vier Jahre auf dem Bauernhof ihres Partners in Egg, und es brach ihr das Herz, als diesmal ihr Liebling zum Schlachthof geführt werden sollte. Der Entschluss, etwas zu verändern, war geboren.
Über Facebook suchte Zwingli nach einem Geldgeber für Bolognese und die anderen Kühe. Die Rettung kam schneller als erwartet: Ihre ehemalige Berufsschullehrerin, von der sie über 40 Jahre nichts gehört hatte, meldete sich und übernahm die Kosten. Bolognese war gerettet – aber Barbara Zwinglis Arbeit fing erst an.
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Zwingli ist eine Macherin. Wenn die gelernte Coiffeuse in schweren Gummistiefeln über den Peterhof schreitet, scheint es, als hätte sie nie etwas anderes getan. Nur ihre feuerroten Haare lassen erahnen, dass sie noch ein zweites Leben hat, ihren Friseursalon in Zürich.
«Tiere sind mein Leben, ich arbeite nur noch für meine Tiere», lacht die 57-Jährige. Mit Arbeiten meint sie Geld verdienen. Alles andere, um vier Uhr morgens bei klirrender Kälte aufstehen, die Hunde ausführen, die Ställe der Kühe, Esel und Ziegen misten und waschen, füttern, Streicheleinheiten verteilen, all das ist für sie Psychohygiene. «Mich um Tiere zu kümmern, gehört zu mir. Sonst fühle ich mich nicht ganz.»
Und sie tut es mit Erfolg. Seit Zwingli auf dem Peterhof die kleine Chefin geworden ist, ist er zum Gnadenhof geworden – oder Lebenshof, wie Zwingli ihn nennt. Hier dürfen Tiere, die alt, neurotisch, schwierig sind, ihren Lebensabend fristen. Und so sorgt sie mittlerweile für 6 Hunde, 9 Kühe, 19 Katzen, 2 Esel, 10 Ziegen, Hühner und den Hahn Gandalf. Fast alle haben eine von Leid und Vernachlässigung geprägte Geschichte. Auf dem Peterhof bekommt jedes Tier eine zweite Chance.
Zwinglis Liebe zu Vierbeinern begann früh. Aufgewachsen in der Zürcher Altstadt am Neumarkt als Tochter eines Künstlers und einer Designerin, war sie Tieren immer schon zugetan. Als Kind las sie unterwegs Schnecken und Blindschleichen auf und brachte sie in die Dreizimmerwohnung ihrer Eltern. Dort strandeten auch immer wieder Hunde, Katzen, Hamster oder Meerschweinchen, deren Besitzer mit ihnen überfordert waren. Und sie deshalb zu Zwinglis brachten. Manche vergassen nach den Ferien auch einfach, sie abzuholen. «Wenn man ein Tier hat, behält man es bis zum Tod», das hat Zwingli von ihrem Vater gelernt. Aber vielen fehle dieses Verantwortungsgefühl.
Bevor Zwingli aber zur Tierretterin wurde, war sie eine Weltenbummlerin. Eine erste Ehe mit einem Türken führte sie in dessen Heimat, bis die Ehe nach zehn Jahren auseinanderging. Dann gondelte sie auf einem Kreuzfahrtschiff um die Welt, bis ein bildschöner Russe ihr den Kopf verdrehte. Sie heiratete in St. Petersburg, trennte sich aber bereits nach wenigen Tagen von ihm, weil er noch ein paar andere Freundinnen hatte. Sie kehrte in die Schweiz zurück. Als Nächstes eroberte ein Mann aus Indien ihr Herz, sie heiratete ihn in Punjab, doch auch diese Ehe endete nach einigen Jahren. Wieder in der Schweiz eröffnete Zwingli in Zürich ihren eigenen Haarsalon. Bis ein Strassenhund aus Rumänien sie zurück zu ihren Wurzeln brachte.
Selbst den Bauern war ihre Tierliebe zu viel
«Im Jahr 2014 verlor ich eine gute Freundin, dafür bekam ich Lin», sagt Zwingli. Eine Bekannte suchte einen Platz für eine Hündin, und Zwingli liess sich nicht lange bitten. Sie flog nach Rumänien, um das Tier zu holen. Lin sollte nicht die Einzige bleiben, die bei Zwingli ein neues Zuhause fand. «Ich sah das ganze Elend dort und wusste, ich muss noch mehr helfen. Eine meiner Katzen nahm ich im Handgepäck mit.»
Es kamen ein zweiter und ein dritter Hund dazu, und Zwingli wusste, sie würde nicht aufhören. Doch ihre Wohnung war bereits überfüllt. «Du brauchst einen Bauern», sagten ihre Freundinnen und meldeten sie bei der TV-Kuppelshow «Bauer, ledig, sucht…» an. Doch selbst den auf Freiersfüssen wandelnden Bauern dort waren Zwinglis Tiere zu viel. Oder sie goutierten nicht, dass sie Vegetarierin ist.
Zuflucht auf dem Peterhof
Doch wenn Zwingli sich etwas vorgenommen hat, lässt sie sich so leicht nicht entmutigen. Sie meldete sich auf ein Inserat in der Zeitschrift «Schweizerbauer» in der Rubrik «ledig, sucht…» und lernte so ihren jetzigen Bauern kennen. «Ich sagte ihm gleich als Erstes, dass ich noch mehr Tiere will», erzählt Zwingli. «Er hatte nichts dagegen, und ich fragte mich: Passiert das jetzt wirklich?» Aber als sie ihn zum ersten Mal auf seinem Hof im Zürcher Oberland besuchte und die Aussicht von dort oben sah, ging ihr das Herz auf. Hier konnte sie sich eine Zukunft mit ihrer tierischen Grossfamilie vorstellen.
Als im Februar 2020 die Pandemie kam und Zwingli ihr Geschäft schliessen musste, zog sie samt ihren vier Hunden und vier Katzen zu ihrem Partner und seinen 18 Kühen auf den Peterhof. Doch das Leben als Bauer ist hart. Die Milchkuhhaltung erwies sich als zu wenig einträglich, also stellte ihr Partner auf Mastbetrieb um. Dabei kauft man Kühe, mästet sie und schickt sie dann in den Schlachthof. Obschon Zwingli den Beruf ihres Partners vorbehaltlos akzeptierte, war es für die Tierfreundin doch jedes Mal grauenhaft, wenn die Tiere abgeholt wurden. «Ich verstehe, dass ein Bauer Geld verdienen muss. Aber ich fand, man sollte die Tiere wenigstens bis zum letzten Atemzug begleiten.» Weil das aus hygienischen Gründen nicht möglich war, überlegte sich Zwingli etwas anderes.
Vom Mastbetrieb zum Gnadenhof
Im November 2023 sollte es auch ihre Lieblingskuh Bolognese treffen. Ihr Partner sagte zu ihr: Wenn du 14’000 Franken auftreibst, können die Kühe bleiben. Zwingli liess sich das nicht zweimal sagen. Nachdem ihre ehemalige Berufsschullehrerin ihr das Geld für die Kuhherde geschenkt hatte und zwei Patenschaften übernahm, war Bolognese gerettet. «So fing das ganze Projekt an», sagt sie.
Das Konzept erwies sich als tragfähig: Interessierte übernehmen eine Patenschaft für eine Kuh oder ein anderes Tier und können sie dann auf dem Hof besuchen kommen. Als Nächstes möchte Zwingli die Anbindehaltung abschaffen und durch Laufstallhaltung ersetzen. Dazu muss man das Stall-Innenleben entsprechend umbauen, auch das kostet Geld. Aber Zwingli ist zuversichtlich, dass sie es durch Spenden schafft. «Mit den Patenschaften verdient mein Partner mehr als mit der Mastviehhaltung», sagt sie. Er arbeitet mittlerweile bei der Post, für die Tiere sorgen sie gemeinsam im Nebenerwerb.
«Ich bin nicht gern abhängig, von einem Mann schon gar nicht», so Zwingli. Deshalb plant sie als Nächstes eine Ausbildung zur Landwirtin. 2025 soll es losgehen, dann wäre sie mit 60 Jahren fertig. Schon jetzt sprudelt sie vor Ideen. «Ich möchte einen Begegnungshof aufbauen, dann würde ich mir gern ein paar Alpakas zulegen. Und Meerschweinchen oder Hasen und Schildkröten.» Zwingli weiss, es ist gar nicht so schwierig, die Welt ein Stückchen besser zu machen. Man braucht nur ein grosses Herz. Und manchmal einen Bauern.
Informationen zu den Patenschaften für Tiere finden Sie über www.peter-hof.ch
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