Legendäre kroatische FirmaEin Kugelschreiber, der ganz Jugoslawien vereinigte
Mit der Pleite von Penkala geht auch ein Stück Schreibkultur des Balkans verloren. Ihr Gründer war ein vielseitiger Erfinder.
Fragt man ältere Menschen auf dem Balkan, wer Jugoslawien zusammengehalten hat, lautet die Antwort prompt: Josip Broz Tito! Der kommunistische Lebemann und Diktator ist seit fast 44 Jahren tot, auf den Trümmern seiner Vielvölkerföderation sind sieben unabhängige Staaten entstanden.
Fragt man geschichtsbewusste Menschen auf dem Balkan, was Jugoslawien zusammengehalten hat, erwähnen sie oft zwei Marken: das gelbe Streugewürz mit dem Namen Vegeta und die Schreibwaren der traditionsreichen kroatischen Firma Penkala. Vegeta, das Aromat des ehemaligen Jugoslawien, behauptet sich immer noch auf dem freien Markt (auch in der Schweiz). Penkala dagegen ist dieser Tage in Konkurs gegangen. Damit geht auch ein Stück Schreibkultur und Geschichte des Balkans verloren.
Wer in Jugoslawien aufgewachsen ist, hat die ersten Buchstaben mit einem Penkala-Bleistift gekritzelt. Liebesbriefe wurden häufig mit einem Kugelschreiber dieser Firma geschrieben, Verträge und Zeugnisse unterzeichnete man mit einem eleganten Füllfederhalter, für technische Zeichnungen stand ein Druckbleistift zur Verfügung.
Penkala galt als Synonym für alle Schreibgeräte. Wer damit schrieb, hatte es zu etwas gebracht in der sozialistischen Gesellschaft. Der Penkala-Stift war sowohl ein Statussymbol als auch ein beliebtes Souvenir, das ganz Jugoslawien vereinigte. Die Qualität der Kugelschreiber wurde sogar in Volksliedern besungen.
Tastaturen und Touchscreens verdrängen den Kugelschreiber
Tempi passati. Die Handschrift kommt den Menschen überall abhanden. Tastaturen und Touchscreens verdrängen den Kugelschreiber. Feriengrüsse auf der Rückseite von Ansichtskarten sind selten geworden. Dafür nervt das ständige Whatsapp-Gebimmel, eine Art digitaler Wink mit dem Zaunpfahl auf gefühlt 333 neue Nachrichten mit Bildern von der kroatischen Adriaküste, jeweils garniert mit Emojis und irgendetwas schlampig Dahingetipptem.
Mit dem Bankrott von Penkala, schrieb kürzlich der kroatische Historiker und Publizist Dragan Markovina, schliesse sich noch ein Kreis jugoslawischer Geschichte. Die in Zagreb erscheinende Tageszeitung «Vecernji list» nannte die Nachricht vom Ende der Schreibwarenfirma traurig und beschämend. Gegründet wurde Penkala 1937 in der kroatischen Hauptstadt Zagreb. Doch die Anfänge des Unternehmens reichen bis ins Jahr 1906 zurück, als der Ingenieur Slavoljub Eduard Penkala einen mechanischen Stift in Budapest patentieren liess. Damals war Kroatien Teil der Habsburgermonarchie.
«Elegant, einfach und unverwüstlich!»
Die Werbung – ein lachender Männerkopf mit einem Stift hinter dem Riesenohr – pries die Erfindung auch auf Deutsch: «Dies ist der Bleistift, welcher immer spitzig bleibt, ohne je gespitzt oder gedreht zu werden. Auch Farbstifte unerreicht dünn und fest. Elegant, einfach und unverwüstlich!» 1907 landete Penkala den nächsten Coup: den Füllfederhalter mit fester Tinte, ein Vorläufer des heutigen Kugelschreibers, der die Kleckserei mit den Federkielen oder Füllern beendete.
Als Erfinder des praxistauglichen Kugelschreibers gilt aber der Ungar László József Bíró, der mitten im Zweiten Weltkrieg das entsprechende Patent erhielt. Schon im ausgehenden 19. Jahrhundert wurden Kugelschreiber-Modelle entwickelt, um das Schreiben zu revolutionieren. Während Friedrich Schiller sein Zeitalter als «tintenklecksendes Säkulum» verspottete, warnte Friedrich Nietzsche vor den neuen Schreibgeräten. «Wenn nun plötzlich all die kleinen Pausen wegfallen, zum Eintauchen der Feder, zum Nachfüllen des Halters und zum Ablöschen der Tinte, wann um Himmels willen soll man dann noch Ideen entwickeln?», empörte sich der Nihilist.
Slavoljub Eduard Penkala war ein Kind der Donaumonarchie. Er wurde 1871 in der slowakischen Kleinstadt Liptovsky Mikulas geboren, besuchte die Mittelschule in Polen, studierte in Wien und Dresden und kam zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Zagreb, wo der junge Ingenieur zum königlichen österreichisch-ungarischen Masskontrolleur ernannt worden war.
An seiner neuen Wirkungsstätte bewies Penkala grossen Einfallsreichtum und meldete im Laufe seiner Karriere 80 Patente an, unter anderem für die Wärmflasche, für die rotierende Zahnbürste und für automatische Bremsen der Bergbahnen. 1910 konstruierte Penkala das erste Flugzeug in Kroatien und flog mit dem Zweisitzer etwa 60 Meter lang auf einer Höhe von 1,5 Meter. Nach einem Unfall gab er seine Aviatikpläne auf.
Ein schlechter Scherz
Bis zu seinem unerwarteten Tod im 50. Lebensjahr hatte Penkala zusammen mit zwei Geschäftspartnern aus einer kleinen Werkstatt eine mittelständische Firma mit 800 Mitarbeitern aufgebaut, die ihre Produkte in mehr als 70 Länder exportierte. Daraus entstand 1937 die Zagreber Bleistiftfabrik TOZ Penkala. Nach dem Sieg der kommunistischen Partisanen im Zweiten Weltkrieg wurde die Firma verstaatlicht und produzierte fast fünf Jahrzehnte lang Schreibutensilien für ganz Jugoslawien.
Mit dem Zerfall des gemeinsamen Staates Anfang der 1990er-Jahre brach auch für TOZ Penkala der Binnenmarkt zusammen, der sich von Slowenien bis Mazedonien erstreckte. Im unabhängig gewordenen Kroatien kämpfte das privatisierte Unternehmen bald mit finanziellen Schwierigkeiten.
In der Not kündigte die Geschäftsleitung von TOZ Penkala vor ein paar Jahren den Kauf einer Giraffe an, um Besucher auf das grosse Firmengelände anzulocken. Auch den grössten Optimisten wurde schnell klar, dass die Zukunft nicht dort anfängt, wo solche Ideen gedeihen, die nur das Scheitern verkleiden. Nach 87 Jahren schliesst Penkala nun endgültig die Tore. Sie hat das digitale Zeitalter nicht überlebt.
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