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Onlinehändler eröffnen fleissig Läden

Home 24 ist vom Onlineshop zum Ladengeschäft mutiert. Foto: Sabina Bobst
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Um die Mittagszeit ist im Showroom des Möbelhändlers Home 24 an der Zürcher Sihlstrasse tote Hose. Am Wochenende sei hier aber immer viel los, versichert eine Angestellte. Dann kämen die Kunden in den Laden, um sich Sofas, Sessel oder Betten, die sie auf der Onlineplattform entdeckt hätten, im realen Leben anzusehen und fast noch wichtiger – anzufassen und zu testen. Erst danach wird gekauft – nicht im Laden, sondern online.

Seit 2011 ist der Möbelhändler aus Deutschland stationär präsent. Gegründet wurde er als Online Only, als Plattform, über die Möbel und Einrichtungsgegenstände nur im Netz gekauft werden können. Seit Herbst 2018 ist er auch in der Schweiz präsent. Acht weitere Standorte betreibt das Unternehmen bereits in Deutschland und Österreich.

Offline als Marketingtool

So wie Home 24 weiten in den letzten Jahren auch andere Online-Only-Unternehmen ihre Strategie in den stationären Handel aus: Der Onlineriese Amazon, die Berliner Fashionplattform Zalando, der dänische Möbelhändler Sofacompany, das Matratzen-Start-up Casper oder die Frühstücksflocken-Mixer von Mymuesli.com – sie alle haben ihren Weg in die reale Welt gefunden. Ihre Ziele heissen: Kundenbindung und Wachstum.

«Online-first-Unternehmen lassen sich in erster Linie nicht stationär nieder, um einen weiteren Verkaufspunkt zu haben, sondern um dem Kunden ein weiteres Erlebnis oder Service zu bieten», sagt Konsumforscherin Marta Kwiatkowski vom Gottlieb-Duttweiler-Institut. Für die Unternehmen wie Zalando oder Home 24 sei es eine Ergänzung zu ihrem gesamten Ökosystem – und ein Marketingtool. Denn in erster Linie geht es um Kundennähe. Die lässt sich online noch nicht mit allen Facetten aufbauen wie in einem Laden, in dem der Kunde die Produkte anfassen oder anprobieren kann.

Für Home 24 ist denn auch klar: «Home 24 ist ein Pureplay-Online-Unternehmen, und dies bleibt unser Fokus. Gleichzeitig möchten wir stets da sein, wo unsere Kunden sind», sagt ein Unternehmenssprecher. Die Showrooms seien eine Ergänzung des bestehenden Onlineangebots und ein wichtiger Teil des Kundenerlebnisses. Es gehe darum, eine langfristige Beziehung mit den Kunden zu schaffen und weitere Anreize zu setzen, Möbel online zu bestellen.

Neue Zielgruppe ansprechen

Denn Studien zufolge generierten die sogenannten Omnichannel-Kunden – die also online wie stationär kaufen – mehr Umsatz als rein stationäre oder reine Onlinekunden, sagt Alexandra Scherrer vom E-Commerce-Berater Carpathia. «Die Erfahrung hat gezeigt: Wenn Onlinehändler in einer Stadt eine Filiale eröffnen, steigt der Umsatz dort überproportional.»

Wobei, wie bei allen Detailhändlern, auch Mehrkosten einkalkuliert werden müssen: Ladenmiete, Personal und wechselnde Ausstellungskonzepte, die Kunden in die Filiale locken sollen, erfordern Investitionen, die online nicht anfallen.

Anders als Home 24 hat Zalando mit seinen Outlets noch eine weitere Absicht: eine andere Zielgruppe ansprechen als die in ihrem Onlineshop. Denn in den acht Outlets wird die Ware angeboten, die im Onlineshop nicht mehr verkauft werden kann: Einzelgrössen, Artikel aus der Vorsaison oder mit kleineren Mängeln, wie etwa einem fehlenden Knopf – alles bis zu 70 Prozent günstiger.

Kaufen sollen hier die Schnäppchenjäger. So will der Händler, der 2018 einen Umsatz von 5,4 Milliarden Euro machte, seine Onlinestrategie ergänzen. Bis 2021 soll die Anzahl Outlets, die es bisher nur in Deutschland gibt, auf 13 anwachsen. «Durch die Outlets machen wir die Marke Zalando anfassbar und geben ihr ein Gesicht», sagt eine Sprecherin. Dazu kommen temporäre Offlineaktivitäten wie Pop-up-Stores.

Online heisst nicht gleich Erfolg

Doch die steigende Präsenz der Onlinehändler in der realen Welt hat noch einen anderen Grund: Die Konkurrenz im Netz steigt. «Mittlerweile gibt es sehr viele Plattformen. Aber nur weil ich online präsent bin, heisst das noch lange nicht, dass ich auch erfolgreich bin», sagt die Konsumforscherin. So zu sehen am Beispiel von Siroop. Das Online-Experiment einer gemeinsamen Onlineplattform von Coop und Swisscom wurde nach zwei Jahren mit einem Verlust von rund 140 Millionen Franken wieder eingestampft.

Eine direkte Konkurrenz für die etablierten klassischen Detailhändler sieht Kwiatkowski durch die neuen Showrooms und Filialen aber nicht. Jedoch hätten Anbieter, die rein online gestartet sind, Vorteile: Sie können ihre Standorte bewusst wählen und gehen mit starkem Online-Know-how ins Rennen. Etwas, das vielen Detailhändlern fehle.

Der Showroom von Home 24 liegt abseits der Zürcher Bahnhofstrasse, der Eingang ist versteckt zwischen Restaurants und Schwimmbad. Wer ihn nicht kennt, findet ihn auf Anhieb nicht sofort. Laut Konsumforscherin Kwiatkowski stellt das aber kein Problem dar: Denn Onliner, die offline gingen, seien meist nicht auf Laufkundschaft angewiesen. «Sie ziehen die Leute bewusst beispielsweise mit Events an», sagt sie. Im Zürcher Showroom scheint das zu stimmen, denn die meisten Kunden kommen, um sich ein bestimmtes Möbel aus dem Webshop anzusehen. Das stellt das Unternehmen vor eine neue Herausforderung: Nicht alle Möbelstücke lassen sich auch im Showroom wiederfinden.