WM-GlotzblogNur der Hüppi heisst hier Salzgeber
Das Winterturnier von Katar hält heimelige TV-Momente bereit. Ein Streifzug durch die ersten WM-Wochen auf SRF.
Die Schweiz steigt ins Turnier, und die Schweiz sitzt am Bildschirm. Heimelige TV-Momente hält die Winter-WM in Katar für das Land bereit, und es hat an diesem Donnerstagmittag vor dem ersten Spiel gegen Kamerun ein bisschen etwas von den Ski-Klassikern im Januar: dieses hemmungslose Fernsehen zur Mittagszeit, das garstige Wetter, die freudige Erwartung in überzeichneter sportlicher Euphorie.
Der Hüppi heisst hier Salzgeber, der Russi Huggel, und das Signal kommt nicht vom Lauberhorn, sondern vom Golf. Aber sonst: Hopp Schwiiz, wir sind mittendrin.
Alle 64 Spiele gibt es bei SRF zu sehen, das ist mehr als bei unseren Nachbarn: In Österreich, wo weder eine grössere TV- noch die Fussballmannschaft zum Arbeiten angereist ist, überträgt der ORF 39 Partien, auf ARD und ZDF ist man bei 48 Spielen live dabei, den Rest gibt es kostenpflichtig bei Magenta-TV.
Holpern tut es in der zweiten Reihe
Der Grossanlass bringt die Sportredaktion von SRF an ihre Grenzen. Nicht zur Hauptsendezeit rund um das Schweizer Team, da sitzt vieles: bei Beni Huggel die Analysen, bei Rainer Maria Salzgeber mindestens die Anzüge. Aussenreporter Jeff Baltermia macht sogar den Test der Stadion-Klimaanlage zum Ereignis, Tom Gisler und Mämä Sykora kombinieren in ihrem täglichen Talk zum Sendeschluss Late Night mit Fussball-Fetisch. Nein, mit der Kür bekunden sie bei SRF kein Problem.
Holpern tut es in der zweiten Reihe. In den langen TV-Stunden der Gruppenphase verzetteln sich Experten, Moderatorinnen und Kommentatoren zu oft in Belanglosigkeiten. Das wiegt umso schwerer, als die Zuschauer bei Affichen wie Tunesien - Australien oder Kanada - Marokko noch enger an die Hand genommen werden müssen – schliesslich besteht hier die Gefahr des Wegzappens akuter als sonst.
Experte Ciriaco Sforza spricht den Tränen im iranischen Publikum bei der ersten Partie gegen England jegliche politische Komponente ab und betont in grossväterlichem Duktus, dass die Verletzung des Torwarts nach einem Zusammenprall die Fans halt schon sehr bewege. Der tapfere Ratinho repräsentiert für SRF die stolze, riesige Fussballnation Brasilien gefühlt seit deren erstem WM-Titel 1958. Und mit dem nimmermüden Betonen von sportjournalistischen Kampfbegriffen wie «Momentum» oder «Gefühlseruption» und einer nimmermüden Emotionsbewirtschaftung schwebt SRF in den WM-Nachmittagsstunden gern auf der Floskelwolke.
Da wird zu viel von dem geredet, was jeder sehen kann.
Es fehlt an Tiefe im Team, um so viele Stunden Fussball abzudecken. Auch die zweite Garde bei den Kommentatoren offenbart hinter dem so umstrittenen wie wortgewaltigen Sascha Ruefer ihre Lücken: Da wird zu viel von dem geredet, was jeder sehen kann, da gibt es zu wenig Hintergrund und Originalität.
Nur in vereinzelten Fällen wirkt das Offensichtliche gerade richtig. «Wir sind kribbelig, wir sind nervös, wir sind erwartungsfroh», sagt Salzgeber an diesem Donnerstagmittag ganz offenherzig. Am Dienstag gilt es wieder ernst: Abfahrt … äh ... Anpfiff gegen Portugal!
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