AboBürgerwehren in Haiti Nun greifen sie zu den Macheten und gehen selbst auf Gangsterjagd
Ihr Schlachtruf «Bwa Kale» bedeutet: keine Gnade mehr. Im bitterarmen Haiti macht ein Teil der Bevölkerung seit Wochen äusserst brutal Jagd auf Kriminelle. Experten befürchten eine Spirale der Gewalt.
Alles begann am 24. April. In Canapé Vert, einem Viertel im Süden der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince, hatte die Polizei 14 mutmassliche Mitglieder der sogenannten Ti-Makak-Gang verhaftet. Seit Jahren schon terrorisieren Banden wie sie die Bevölkerung in dem bitterarmen Karibikstaat: Sie erpressen Schutz- oder Lösegeld, sie rauben, foltern und morden. Lange waren Gewalt und Kriminalität vor allem auf die Armenviertel und Slums in Port-au-Prince beschränkt, in den letzten Jahren aber haben sie fast die komplette Hauptstadt erfasst, dazu auch Regionen im Rest des Landes.
Laut den Vereinten Nationen gab es allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres mehr als 800 Morde in Haiti. Im April stieg die Zahl der Tötungsdelikte dann sogar auf 600. Dazu kommen Hunderte Entführungen und systematische und massenhafte Vergewaltigungen. Haiti stehe «am Abgrund», warnt der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk. Er bezeichnet die Lage im Land als einen «lebenden Albtraum». Der Staat, sagt er, sei nicht mehr fähig dazu, zu reagieren.