Veränderte Situation im LandSchweiz setzt Abschiebungen nach Afghanistan aus
Aufgrund der Sicherheitslage im Land verzichten die Schweiz und andere Länder darauf, abgewiesene Asylbewerber zurückzuschaffen.
Die Schweiz, Deutschland und die Niederlande werden vorerst keine abgewiesenen Asylbewerber mehr nach Afghanistan ausschaffen.
«Das Staatssekretariat für Migration setzt Rückführungen nach Afghanistan wegen der veränderten Situation im Land bis auf weiteres aus», heisst es in einer Mitteilung auf Twitter. «Es werden auch keine neuen Wegweisungen verfügt. Einzig bei straffälligen Personen werden die Vorbereitungen für eine Rückführung weitergeführt.»
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Die Niederlande setzen die Ausschaffungen für sechs Monate aus. Durch den Vormarsch der Taliban in dem Land habe sich die Lage deutlich verschlechtert, teilte die zuständige Staatssekretärin im Justizministerium, Ankie Broekers-Knol, am Mittwoch in Den Haag dem Parlament mit. Auch würden in den nächsten zwölf Monaten keine weiteren Entscheidungen über Abschiebungen gefällt.
Das Aussenministerium bewerte die Sicherheitslage neu, teilte die Staatssekretärin mit. Danach solle dann eine endgültige Entscheidung über Ausschaffungen getroffen werden. Nach dem Abzug der amerikanischen Truppen haben die Taliban zahlreiche Provinzstädte eingenommen.
Noch in der vergangenen Woche hatte die Regierung die Behörden in Afghanistan dazu gedrängt, weiterhin abgeschobene Asylsuchende aufzunehmen. Abgeordnete von drei Koalitionsparteien sowie Flüchtlingsorganisationen hatten das scharf kritisiert und einen Abschiebestopp verlangt.
Kehrtwende von Seehofer
Auch Deutschland schiebt vorerst keine Menschen mehr nach Afghanistan ab. «Der Innenminister hat aufgrund der aktuellen Entwicklungen der Sicherheitslage entschieden, Abschiebungen nach Afghanistan zunächst auszusetzen», erklärte ein Sprecher am Mittwoch in Berlin. Nach Angaben des Ministeriums leben derzeit knapp 30’000 ausreisepflichtige Afghanen in Deutschland.
Eine in der vergangenen Woche verschobene Abschiebung von sechs Afghanen wird zunächst nicht mehr nachgeholt. Der Schritt ist eine Kehrtwende Seehofers. Der deutsche Innenminister hatte sich erst kürzlich zusammen mit seinen Amtskollegen aus Österreich, Dänemark, den Niederlanden, Belgien und Griechenland mit einem einen Brief an die EU-Kommission gewandt. Darin warnten die Minister davor, Abschiebungen auszusetzen. Denn das würde «das falsche Signal senden und wahrscheinlich noch mehr Afghanen motivieren, ihre Heimat in Richtung EU zu verlassen», heisst es in dem dreiseitigen Schreiben.
Die in Kabul vertretenen EU-Botschafter hatten sich erst am Dienstag für einen Abschiebestopp ausgesprochen. Darunter war auch der deutsche Vertreter, der damit eine andere Position als Innenminister Seehofer einnahm.
Auch 26 Organisationen, darunter Amnesty International, Pro Asyl, Caritas und die Diakonie plädierten in einer gemeinsamen Erklärung für einen Stopp. «Deutschland darf die Augen vor der sich immer weiter verschlechternden Lage in Afghanistan nicht verschliessen und muss alle Abschiebungen einstellen», steht in dem Appell. «Rechtsstaat heisst, dass menschenrechtliche Prinzipien eingehalten werden.» Das völkerrechtliche Nichtzurückweisungsgebot, das aus dem absoluten Folterverbot abgeleitet werde und das Abschiebungen bei zu erwartenden schwersten Menschenrechtsverletzungen verbiete, gehöre dazu: «Dieses Abschiebungsverbot gilt unabhängig von individuellem Verhalten.»
USA rechnen mit baldigem Fall von Kabul
Angesichts des schnellen Vormarsches der militant-islamistischen Taliban in Afghanistan könnte die Hauptstadt Kabul nach einem Zeitungsbericht viel früher in die Hände der Aufständischen fallen als bisher von den USA angenommen. In 30 bis 90 Tagen könnte die Stadt zusammenbrechen, berichtet die Washington Post unter Berufung auf nicht genannte Quellen in den US-Geheimdiensten.
Noch im Juni hatten US-Geheimdienstmitarbeiter die Lage so eingeschätzt, dass Kabul in einem Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten nach dem Abzug des US-Militärs unter Kontrolle der Taliban geraten könnte. «Alles bewegt sich in die falsche Richtung», zitierte die Washington Post einen Experten, der mit der neuen militärischen Einschätzung vertraut ist.
SDA//anf
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