Stanley-Cup-Sieger FloridaDer Beste trainierte sein Gehirn in der Schweiz
Edmonton hatte die Superstars, doch im NHL-Final triumphierten die Florida Panthers. Mit Intensität, einer Teamleistung und mit einem Stürmer, der sehr viele unspektakuläre, aber wichtige Dinge machte.

Die Einzelkönner, die alles in den Schatten stellen, die es schaffen, ihre Mannschaft mitzureissen und praktisch im Alleingang zu Titeln führen. Wofür es in fast jedem Teamsport Beispiele gibt, will in der NHL nicht so recht klappen. Das ist die bittere Erkenntnis in Edmonton. Denn an individueller Klasse mangelt es bei den Oilers nicht. Leon Draisaitl und vor allem Connor McDavid produzieren seit Jahren Tore wie Maschinen.
Man muss sich die Zahlen der letzten sechs Saisons vor Augen führen. Draisaitl: 307 Tore und 735 Skorerpunkte in 511 Spielen. McDavid: 280 Tore und 834 Punkte in 497 Spielen. Es müssen mit Wayne Gretzky und Mario Lemieux die Grössten, die dieser Sport je kannte, bemüht werden, um vergleichbare Überlegenheit zu finden. McDavid ist am Puck so dominant, dass im Kanadier viele den besten Einzelkönner sehen, den es je gab. Normalerweise wird kein Finalverlierer zum wertvollsten Playoff-Spieler gekürt, McDavid wurde diese Ehre als erstem seit 2003 und als erst sechstem überhaupt zuteil.
Die Superstars am Ende ohne Energie
Für den Triumph mit dem Team reichte es dennoch nicht. Und dies, obwohl die Oilers sich durchaus lernfähig zeigten unter dem während der Saison verpflichteten Kris Knoblauch, einem Trainerneuling auf NHL-Stufe. Sie verbesserten sich im Vergleich zu den Vorjahren defensiv und hatten im Playoff das stärkste Unterzahlspiel. Auch McDavid machte im Spiel ohne Puck einen weiteren Schritt zum kompletten Spieler, während Draisaitl hingegen die eher eindimensionale Offensivkraft blieb.
Knoblauch hatte oft auch den Mut, seine Superstars in verschiedenen Linien einzusetzen und so für mehr Breite zu sorgen. Dies waren alles Faktoren, dass Edmonton überhaupt so weit kam. Knoblauch war andererseits aber ein weiterer Oilers-Coach, der seine beiden Stars bis zu 27 Minuten pro Spiel einsetzte und vor allem in Rückstand liegend extremst forcierte. So überraschte es auch nicht, dass die beiden im letzten und entscheidenden Spiel der Saison mit leeren Energietanks stehen blieben. Sie warten nun weiter auf ihren ersten NHL-Titel.

Zum zweiten Mal in Folge wurden die Oilers von Gegnern gestoppt, die Eishockey anders praktizieren: Als ultimativen Teamsport mit Stärken und ausgeglicheneren Einsatzzeiten in allen Situationen. Vor einem Jahr war es bereits in Runde 2 der spätere Champion Las Vegas, der Edmonton entzauberte. Und nun Florida.
Natürlich war Panthers-Goalie Sergei Bobrovski wichtig, auch wenn er im Final nach der 3:0-Führung in der Serie wie fast all seine Teamkollegen plötzlich zu schwächeln begann. Doch die Grundlage für das erfolgreiche Spiel Floridas lieferten vor allem Verteidiger Gustav Forsling und insbesondere Center Aleksander Barkov. Zwei auch im Spiel ohne Puck überdurchschnittlich intelligente und überragende Akteure. Sie waren aber alles andere als bloss Defensivspezialisten.
Die Intensität war einer der wichtigsten Panthers-Trümpfe. Dafür waren vier Linien vonnöten. Von Barkov inspiriert, zogen konstant diverse weitere Angreifer als stürmische Störenfriede mit. Nach zuvor drei Niederlagen überzeugte Florida in Spiel 7 beim 2:1-Sieg mit einer defensiv überragenden Leistung. Es war symbolisch, welch wichtige Rolle die 4. Linie um Center Kevin Stenlund dabei spielte.
Natürlich wird beim Champion 2024 mit Barkov, dem 28-jährigen Finnen aus der Talentschmiede Tapparas, auch ein überragender Spieler Floridas in Erinnerung bleiben. Er ist aber einer, der eher mit komplettem Spiel überzeugt und als totaler Teamplayer zum perfekten Vorbild im modernen Eishockey taugt. Auch mit unspektakulären, aber wichtigen Dingen.
«Barkov erobert den Puck und leitet den Konter ein.» Als TV-Analyst Kevin Weekes, ein ehemaliger NHL-Goalie, dies während Spiel 3 sagte, begann er danach mit seinem Co-Kommentator laut zu lachen – die beiden fühlten sich ertappt: «Wie oft haben wir diesen Satz schon gesagt?»
Der Abstecher in die Schweiz
Übrigens: An Stärken wie der Spielintelligenz und dem schnellen Erfassen der sich auf dem Eis in Bruchteilen von Sekunden ändernden Situationen, hat Barkov auch in der Schweiz gefeilt. 2022 entschied er sich für ein Spezialtraining bei einem Schweizer Neurologen. Dies, weil er bei sich, dem 1,91 Meter grossen und knapp 100 Kilogramm schweren Center, keine relevanten Steigerungsmöglichkeiten mehr sah, was das Tempo seiner Füsse angeht. Umso mehr wollte er mit für ihn neuem «Gehirn-Training» im Kopf schneller werden und seine Reaktionszeit verkürzen.
Was Barkov dabei herausfand: Bezüglich Sehkraft und Hand-Augen-Koordination gab es bei ihm einiges zu verbessern. Er kehrte mit speziellen Karten- und Ball-Übungen in seine Heimat zurück, sah sich vorerst aber bloss auf «Stufe 1» auf dem Weg zu deutlichen Verbesserungen. Nun, zwei Jahre später, ist er Stanley-Cup-Sieger und darf sich aktuell wohl als komplettester Eishockeystürmer sehen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.