Neue Online-Karte erklärt FlurnamenWo am Zürichsee einst die grössten Tölpel hausten
Was bedeuten die teils eigenartigen Flurnamen in der Region? Auf einer Karte kann man dies neuerdings nachschauen. Einige Überraschungen sind garantiert.
Spaziergängerinnen und Spaziergänger können manchmal nur noch den Kopf schütteln. Da kommt man doch in der Region an Orten und Weilern mit den eigenartigsten Namen vorbei: etwa Tableten in Horgen oder Warzhalden in Meilen. Und nicht immer erschliesst sich die Bedeutung der Flurnamen so einfach wie beim Weiler Biswind in Herrliberg oder beim Hasengarten in Langnau.
Der Kanton Zürich hat nun unzählige solcher Flurnamen mit ihren Bedeutungen digital auf einer Karte (www.maps.zh.ch) publiziert. Dabei stützte er sich auf das Idiotikon, das Schweizer Mundartwörterbuch. Viele Namen bringen einen zum Schmunzeln, und manche führen einen auf eine komplett falsche Fährte – ein paar Beispiele:
Wo gibts Trachten in Rüschlikon?
Das Gebiet Tracht in Rüschlikon, wo sich das gleichnamige Restaurant und das Seebad befinden, hat nichts mit traditioneller Kleidung zu tun. Das Wort geht vielmehr zurück auf das mittelhochdeutsche Wort «Trahte». Es bedeutet so viel wie «Fischzug». Die Tracht in Rüschlikon war also früher «eine Stelle, wo gefischt wird».
Die Gusti von Oetwil
Auch der Name des Oetwiler Ortsteils Gusch an der Strasse nach Esslingen mutet eigenartig an. Möglicherweise geht er auf die Adjektive «gust», «güst» oder «gusch» zurück. Sie wurden für Vieh verwendet, das keine Milch gibt – beispielsweise, weil dieses krank, trächtig oder noch zu jung war. Ein Gusti ist ein junges Rind respektive Kalb. Der Flurnamen bezog sich somit wohl auf eine Weide für Kälber.
Es rieselt in Langnau …
Vordere Risleten lautet die Adresse von zwei Häusern auf einer Waldlichtung südlich von Langnau. Das Wort «Risleten» ist so lautmalerisch, dass man sich gut etwas darunter vorstellen kann: Erde und Steine sind gemeint, die von einem Berg ins Tal herabrieseln. Hier spielt der Name auf den Steilhang unterhalb der Siedlung an, der zur Sihl abfällt.
… und rumpelt in Hombrechtikon
Auf ein Geräusch geht auch der Name der Anhöhe Bochslen beim Hombrechtiker Lützelsee zurück. Das Verb «bochslen» bedeutet denn auch so viel wie «poltern» oder «rumpeln», etwa wenn irgendwo Baumstämme oder Steine herunterrollen. Angesichts des dortigen Waldgebiets könnte Bochslen ein Gebiet bezeichnet haben, bei dem gefällte Baumstämme talwärts gerollt wurden.
In Stäfa ist gar nichts mies
Um es gleich vorwegzunehmen: Beim Wort «Mies» für das gleichnamige Stäfner Quartier werden beide Vokale ausgesprochen. Man hört also kein langgezogenes «i» – und somit auch nichts Gemeines. Denn «Mies» oder «Miesch» bedeutet nichts weiter als Moos. Das Quartier im östlichen Stäfa war also ursprünglich ein moosbewachsener Ort.
Der falsche Hirte von Richterswil
In Richterswil könnte der Name des Quartiers Hirtenstall bei der katholischen Kirche für falsche Gewissheit sorgen. Hier geht es nämlich nicht um den Stall eines Hirten, sondern um das «Hiltistal». Der Name verweist auf ein Tal, das einst einer Person namens Hilti gehörte. Später entwickelte er sich zu «Hirtenstal» und «Hirtenstall» weiter.
Tuntelen in Uetikon
Wer im Uetiker Quartier Tuntelen vorbeikommt, dürfte sich verwundert die Augen reiben. Worauf geht der Name am westlichen Dorfrand zurück? Manche sahen früher darin das Wort «Tuntle», ein kleines Werkzeug zur Herstellung von Spitzen. Demnach wäre hier einst Textilgewerbe ansässig gewesen. Mittlerweile geht man aber davon aus, dass sich der Name auf einen früheren Besitzer sowie auf den Begriff «Tunte» bezieht. Damit ist ein «dickes, schwerfälliges Mädchen», «eine plumpe, verwahrloste Frauensperson» oder eine «dumme, einfältige Person» gemeint. Ebenso wenig schmeichelhaft ist der Name für das Gebiet Chnolli oberhalb von Uetikon: Es könnte auf einen «kurzen, dicken Menschen» verweisen, «meist mit der Nebenbedeutung des Plumpen, Tölpelhaften».
Die Österreicher von Herrliberg
Der Weiler Kittenmüli ist dank der Wirtschaft zur Kittenmühle weit über Herrliberg hinaus bekannt. Was hat es aber mit dem Namen auf sich? In diesem Fall ist es einfach: Gemeint ist eine Mühle im Besitz der Familie Kitt. Das Geschlecht mit dem ungewöhnlichen Namen, das sich in Herrliberg niederliess und 1535 in Zürich eingebürgert wurde, stammte aus dem österreichischen Feldkirch.
Weisses Wasser in Wädenswil
Der Meilibach, nach dem auch ein Wädenswiler Quartier an der Grenze zu Horgen benannt ist, dürfte seinen Namen im Lauf der Geschichte mehrmals gewechselt haben. «Meili» geht vermutlich zurück auf das mittelhochdeutsche Wort «Mël» oder «Melwes», was Mehl bedeutet. Der «Mehlbach» wurde wohl so benannt, weil das Wasser aufgrund von Sand oder körnigem Gestein mehlig-weiss war. Das später eingeschobene «i» wiederum könnte auf den Einfluss der Ortschaft Meilen am gegenüberliegenden Seeufer zurückgehen.
Sauer ists in Männedorf
Auch in Männedorf gibt es ein Gewässer mit einem speziellen Namen. Allerdings ist vom Surenbach heute nichts mehr zu sehen, da er unterhalb der Saurenbachstrasse in der Nähe des Spitals verläuft. Und ja, den Männedörflern erschien das Wasser offenbar tatsächlich sauer – wohl deshalb, weil der Bach kalkhaltiges Wasser führte.
Wallendes Wasser in Adliswil
Sodbrunnen kennt man von Ritterburgen, doch einen solchen gab es vermutlich im Adliswiler Quartier Sood nahe der Grenze zu Zürich nie. Das mittelhochdeutsche Wort «sôt» bedeutet aber auch «wallen» oder «sieden». Vermutet wird, dass der Name auf «aufsteigendes, wallendes Wasser» zurückgeht, zumal sich der ehemalige Hof in einem Feuchtgebiet befand.
Fette Erde in Küsnacht
Der Name des Weilers Schmalzgrueb oberhalb von Küsnacht könnte manche im Glauben lassen, dass hier einst Schweine geschlachtet und ihr Fett verarbeitet wurde. Doch die Bedeutung ist eine andere: «Schmalz» bezeichnet in diesem Fall einen «fruchtbaren, ergiebigen Ort mit besonders fettem, ertragreichem Boden».
Der schroffe Felsen von Kilchberg
Der Kilchberger Ortsteil Schooren direkt am See gibt einige Rätsel auf. Am ehesten ist mit «schorre» ein schroffer Fels gemeint. Das Wort könnte auf das althochdeutsche «scorrēn» zurückgehen, was «emporragen» bedeutet. Auf der Online-Karte des Kantons heisst es: «Denkbar wäre vielleicht eine in den Zürichsee herausragende Landzunge, ein markanter Fels oder eine Geländeerhebung», die heute nicht mehr zu sehen sei. Der Begriff taucht auch in anderen Orten im Kanton Zürich auf, etwa in Ürikon.
Grosse Not in Meilen
Oberhalb von Meilen liegt der Weiler Unot. Und richtig, das Wort könnte etwas Unnötiges bezeichnen – aber ebenso «eine besonders grosse Not». Vermutlich verwies der Name ursprünglich auf einen «Hof am oberen Ende eines Anstiegs zum Mittelberg» – eine Anhöhe also, die beschwerlich zu besteigen oder zu bewirtschaften war und deshalb für grosse Nöte sorgte.
Ein armseliges Haus in Horgen
Das Quartier Chottenrain unterhalb der Horgner Allmend gibt wohl ebenfalls vielen Leuten Rätsel auf. Ein «Chotte» ist ein Pferch beziehungsweise ein Bretterverschlag für Vieh. Scherzhaft steht der Begriff auch für ein kleines, armseliges Haus – in diesem Fall eines, das am Abhang, also am Rain, stand. Auf den Flurnamen «Chotten» stösst man auch am Wädenswiler Berg.
Neugierige Blicke aus Zollikon
Und was zum Gugger findet man in Zollikon? Tatsächlich ein Quartier, das genau diesen Namen trägt: Gugger. Dieses Mal trügt der Schein nicht. Gugger bedeutet «schauen», oft auch neugierig oder heimlich. Es geht somit um eine Stelle, von der man einen guten Ausblick hatte. Das Quartier befindet sich direkt an der Grenze zu Küsnacht. Vielleicht spähten die Zolliker jeweils mit grossem Interesse hinüber, was die Nachbarn dort so trieben?
In Thalwil gibts keine Tischler …
Tischenloo heisst ein Quartier im Grenzgebiet von Thalwil und Oberrieden. «Loo» bedeutet «Wald» oder «Wäldchen». Wurde dort also einst Holz für Tische geschlagen? Wahrscheinlich nicht. «Tisch» oder «Disch» könnte der Name einer Person sein, der das Wäldchen gehörte. Es könnte aber auch «Distel» gemeint sein – und somit ein Gehölz mit distelartigen Pflanzen.
… aber Handwerk in Erlenbach
Das Quartier Bindschädler im östlichen Teil von Erlenbach ist nach einer Familie benannt. Ursprünglich handelt es sich aber um die Bezeichnung für einen Beruf, denn die Fass- und Bottichhersteller nannte man so.
Oberrieden steckt im Sumpf
Das Oberriedner Quartier Wattenbüel in der Nähe der katholischen Kirche hat nichts mit Watte zu tun. Das Idiotikon hält zwei andere Bedeutungen für denkbar. Büel, so viel ist klar, steht für eine kleine Erhebung. Es könnte sich um einen Hügel handeln, der einst einem Watto gehörte. Oder aber es ist eine Anhöhe bei einer wasserreichen Stelle gemeint, denn das althochdeutsche Wort «Wat» bezeichnete einen feuchten, sumpfigen Ort.
Ein Krächzen aus Zumikon
Chreien heisst eine ehemalige Hofsiedlung beim Zumiker Ortsteil Waltikon. Der Name dürfte sich tatsächlich auf einen Ort beziehen, der regelmässig von Krähen aufgesucht wurde. Bei Weilern mit ähnlichen Namen wird andernorts aus dem mittelhochdeutschen «krîe» oder «krî» auch ein Schlachtruf abgeleitet und mit einer Anhöhe in Verbindung gebracht, von der man mit Rufen bestimmte Nachrichten aussendete. Für den Zumiker Fall hält dies das Idiotikon für weniger wahrscheinlich. – Verständlich, denn die Zumikerinnen und Zumiker sind ja eher friedliebend.
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