Auswirkungen von TaxigesetzNeue Deutschregel: Zürcher Taxifahrer strömen in Sprachschulen
Dass Taxilenkende neu Deutsch auf B1-Niveau beherrschen müssen, ist für Hunderte ein Problem. Taxiverbandspräsident George Botonakis hatte Hilfe angeboten – ohne Erfolg. Jetzt hat er «kein Mitleid» mit jenen, die ihren Job verlieren.
Das neue Zürcher Taxigesetz, das seit dem 1. Januar in Kraft ist, hat unerwartete Auswirkungen: Vielen Taxifahrerinnen und Taxifahrern fehlt die nun benötigte Bewilligung vom Kanton. Der Grund: Sie haben den Sprachnachweis nicht erbracht.
Dass sie Deutsch auf B1-Niveau beherrschen, müssen neu alle Taxifahrenden beweisen, und nicht nur jene in Zürich oder Winterthur. B1 ist eine relativ tiefe Anforderung, man muss «sich einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete äussern» können, heisst es in der Definition.
1500 Fahrer ohne Job?
George Botonakis, Präsident des Zürcher Taxiverbands, nannte «20 Minuten» die Zahl von 1500 Taxilenkenden, die keine Bewilligung hätten. Das kantonale Amt für Mobilität, bei dem sich die Taxifahrenden neu registrieren müssen, kann diese Zahl nicht bestätigen. «Da das Taxiwesen bis Ende 2023 kommunal geregelt war und nicht alle Gemeinden Taxifahrzeuge erfasst haben, gibt es keine Zahlen über die Anzahl Taxis im Kanton Zürich, die bis Ende Dezember 2023 unterwegs waren», schreibt Sprecherin Judith Setz auf Anfrage.
Auf Nachfrage erläutert Botonakis seine Rechnung: Letztes Jahr seien 4000 Taxifahrzeuge angemeldet gewesen. Von ihnen stammen 1500 aus Zürich, Winterthur oder dem Flughafenstandort Kloten – da brauchte man schon zuvor eine Bewilligung. Etwa 1000 Taxilenkende, viele vom Land, hätten nun neu eine Bewilligung verlangt und erhalten, sagt Botonakis. Und die genannten 1500 bleiben übrig.
Ist der Kanton Zürich nun unterversorgt mit Taxis, wenn plötzlich 1500 fehlen? Botonakis winkt ab. «Es gibt genügend Taxis», sagt er. Nur in Spitzenzeiten wie zu Beginn von Schulferien könne es zu Engpässen kommen. Der Taxiverbandspräsident lässt zudem durchblicken, dass er vielen dieser 1500 Taxifahrern, die nun keine Bewilligung haben, nicht nachtrauert. Viele sprächen schlecht Deutsch und sorgten für den schlechten Ruf der «Täxeler». Häufig seien sie ohne Bewilligung in der Stadt Zürich unterwegs gewesen und hätten den lokalen Fahrern die Kundschaft weggenommen.
Vier Jahre Zeit – «selber schuld»
Der Verband habe vor einem knappen Jahr 2500 E-Mails und 1500 Whatsapp-Nachrichten versendet, um allen klar zu machen, welche Anforderungen neu gelten. Auch habe der Verband eigens einen Deutschlehrer organisiert und einen Eignungstest angeboten. Doch nur gerade ein einziger Taxifahrer habe sich gemeldet, um das Angebot wahrzunehmen, erzählt Botonakis und kommentiert: «Viel Aufwand für wenig Resonanz.»
Und deshalb meint er: «Ich habe kein Mitleid mit jenen, die nun durch die Maschen gefallen sind. Sie sind selber schuld.» Dass es neu ein Deutschattest braucht, sei seit vier Jahren bekannt, also seit dem Ja des Stimmvolks zum Taxigesetz.
Auch der Kanton hatte im vergangenen Sommer eine Info-Kampagne gestartet. Seit Ende Oktober waren die Taxilenkenden aufgefordert, sich eine Bewilligung zu besorgen.
150 Franken für Deutsch-Zertifikat
Online sei der Bewilligungsvorgang eine Sache von 20 Minuten gewesen, sagt George Botonakis. Er verheimlicht aber nicht, dass es für viele nicht einfach war, einen Sprachnachweis zu finden, denn auch in Zürich Aufgewachsene mussten einen solchen erbringen. Er selbst habe dafür sein Fähigkeitszeugnis als Automechaniker ausgegraben. Nötig ist der Nachweis von fünf Jahren obligatorischer Schule oder einer Ausbildung in deutscher Sprache. Auch ein aktueller Taxiausweis wird akzeptiert – oder eben ein Zertifikat mit mindestens B1-Niveau.
Viele haben sich dieses Zertifikat in einer Sprachschule besorgt. Miriam Cancilleri von der Inlingua-Sprachschule in Zürich bestätigt «einen Ansturm seit Mitte November». Eine Deutschlehrerin sei designiert worden, um eigens die Taxifahrer zu betreuen. Pro Tag legten bis zu einem Dutzend Taxifahrer die mündliche Prüfung ab, Kostenpunkt: 150 Franken. Insgesamt seien es bisher 170 gewesen, sagt Cancilleri.
Auch andere Sprachschulen in der Stadt Zürich bestätigen die höhere Nachfrage von Taxilenkenden.
Uber-Fahrer brauchen keinen Sprachnachweis
Die Uber-Fahrerinnen und -Fahrer sind ebenfalls vom neuen Taxigesetz betroffen. Sie müssen sich registrieren, aber keinen Sprachnachweis liefern. Werden die 1500 Taxifahrer ohne Bewilligung nun Uber-Fahrer? Laut Botonakis arbeiteten die meisten bereits jetzt teilzeit für Uber. Zudem würden viele auch ohne Bewilligung immer noch mit einer Taxilampe auf dem Autodach herumfahren, weshalb Botonakis Kontrollen ab Februar oder März fordert. Warum nicht sofort? Der Taxiverbandspräsident hat Verständnis dafür, dass man in der Übergangszeit nicht durchgreift.
Tatsächlich kommt der Kanton kaum nach mit dem Ausstellen der Bewilligungen. «Viele Taxi-Anmeldungen sind erst kurz vor Weihnachten – und somit zu spät – eingereicht worden», schreibt Setz vom Amt für Mobilität.
Um dem erwarteten Ansturm gerecht zu werden, hatte das Amt die bestehende Anzahl der Mitarbeitenden mit acht temporären Angestellten aufgestockt. Aktuell arbeiten gemäss Setz zwölf Personen mit 1090 Stellenprozenten in der neuen Fachstelle «Gewerbsmässige Personenbeförderung».
Bussen-Moratorium für Uber-Lenkende
Zu Verzögerungen kommt es auch bei der Auslieferung der blauen Limousinen-Plaketten oder genauer: Kleber. Diese müssen Uber-Lenkende und andere Limousinendienste seit dem 1. Januar an der Frontscheibe des Fahrzeugs anbringen.
Judith Setz erklärt, das Amt für Mobiltät habe auf die neuen Taxiausweise fokussiert, während die Ausstellung der Limousinenplaketten zurückgestellt wurde.
Deshalb werden Uber-Lenkende ohne Kleber «in den ersten Wochen des Jahres 2024» nicht gebüsst, wenn sie ohne Kleber erwischt werden. Das ist gemäss Setz mit der Kantonspolizei Zürich und den Gemeindepolizeien abgesprochen. Sie versichert, das Amt arbeite mit Hochdruck an der Ausstellung der Limousinenplaketten und werde zwei Wochen, bevor die Polizei mit dem Büssen beginnt, auf der kantonalen Webseite darüber informieren.
Diese Kulanzfrist gilt nicht bei Taxis, heisst es auf der Website. «Wer an einem Taxistandplatz ein Zürcher Taxi nimmt, kann davon ausgehen, dass die Taxifahrerin oder der Taxifahrer über einen guten Leumund verfügt und gut Deutsch spricht», schreibt Setz.
Weil der Registrierungs- und der Bewilligungsprozess noch laufen, könne das Amt aber noch keine Zahlen zu Taxiausweisen und Plaketten publizieren.
Preise gehen auseinander
Der Taxiverbandspräsident hatte vor einem halben Jahr in dieser Zeitung spekuliert, dass es mit dem neuen Gesetz zu einem Preiskampf der Taxianbieter kommen werde, weil neu – wie bei Uber – eine Kombination von Kilometer- und Fahrminutenpreis vorgeschrieben ist. Das gibt mehr Gestaltungsspielraum bei den Tarifen.
Die erste Bilanz ist durchzogen: Laut George Botonakis haben etwa 700 Taxilenkende ihre Preise gesenkt, und etwa gleich viele verlangen mehr. Letztere kritisiert er: «Sie denken kurzfristig und schaden dem Gewerbe.» Er selbst fahre günstiger, eine Fahrt von Zürich nach Winterthur koste neu 90 statt 110 Franken.
Vom neuen Preismodell mit der Kombination von Kilometer- und Minutenpreisen profitieren gemäss Botonakis viele Grosskunden, etwa ältere oder gehbehinderte Personen.
Der Verband empfehle einen Grundpreis von 6 bis 8 Franken und Kilometertarife zwischen 2.60 und 3.40 Franken sowie Minutentarife von 0.60 bis 1.30 Franken. «Die Kunden sollen die Preise vergleichen», fordert Botonakis.
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