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Kritik an Filmemachern
Netflix sorgt mit Fischfang-Doku für Furore

Überfischung als grösste Bedrohung für die Meere: Die Dokumentation «Seaspiracy» nimmt die schädlichen Auswirkungen der Fischerei unter die Lupe.
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«Seaspiracy» heisst die erfolgreiche Netflix-Dokumentation, die zurzeit das Internet polarisiert. Dabei handelt es sich um ein Wortspiel aus «sea» (Meer) und «conspiracy» (Verschwörung). Der 90-minütige «Enthüllungsfilm», der die schädlichen Auswirkungen der kommerziellen Fischerei beleuchtet, landete auf der Streaming-Plattform blitzartig in den Top 10 der meistgesehenen Filme. Der Dok-Film hat mit dem vernichtenden Fazit, dass die Fischindustrie die grösste Bedrohung für die Ozeane sei, viel Lob von Fans und prominenten Befürwortern erhalten. Kourtney Kardashian war nur eine von vielen, die auf Social Media schwor, von nun an auf den Verzehr von Fisch zu verzichten.

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Hinter dem populären Film steckt der gleiche Macher wie hinter den preisgekrönten Netflix-Dokus «Cowspiracy» und «What the Health»: Tierschützer Kip Andersen. Der Filmproduzent warf in seinen Filmen bereits der Fleisch- und der Lebensmittelindustrie mafiöse Machenschaften vor und pries als einzige Lösung für mehr Klima- und Umweltschutz den Veganismus an. Auch im neusten Werk «Seaspiracy» unter der Regie von Ali Tabrizi werden die Zuschauer dazu aufgefordert, keine Fische und Meeresfrüchte mehr zu essen. Denn ein nachhaltiger Konsum existiert laut der Dokumentation schlichtweg nicht.

Doch nebst Worten der Anerkennung erhielt der Film auch viel Kritik. NGOs, Nachhaltigkeitslabels und Experten, die in «Seaspiracy» zitiert werden, werfen den Filmemachern vor, «irreführende Behauptungen» aufgestellt zu haben, indem sie aus dem Zusammenhang gerissene Interviews und fehlerhafte Statistiken verwendet haben sollen.

Nachhaltigkeitslabels diskreditiert

Solche Vorwürfe erhebt unter anderem die Professorin für Umweltwissenschaften an der Universität Lancaster, Christina Hicks, die für den Film interviewt wurde. «Es ist nervtötend, wenn man seinen Kurzauftritt in einem Film entdeckt, der eine Branche schlechtmacht, die man liebt und der man seine Karriere verschrieben hat», schrieb Hicks auf Twitter. «Ich habe viel über ‹Sea­spiracy› zu sagen – werde es aber nicht tun.» Hicks soll beim Interview nicht gewusst haben, um was es im Film genau geht.

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Auch Mark Palmer, der stellvertretende US-Direktor der Organisation International Marine Mammal Project (IMMP), die sich für den Schutz von Meeressäugern einsetzt, wirft dem «Seaspiracy»-Team vor, seine Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen zu haben. Seine Organisation ist unter anderem für das «Dolphin Safe»-Label verantwortlich: Die Zertifizierung kennzeichnet die Einhaltung von Gesetzen oder Richtlinien zur Minimierung der Todesfälle von Delfinen beim Thunfisch-Fang. In «Seaspiracy» wird das Label laut IMMP jedoch als eine Verschwörung zum Nutzen der globalen Fischereiindustrie dargestellt.

Wie Palmer in einem Statement schreibt, hätten die Filmemacher seine Aussagen aus dem Kontext gerissen, um zu suggerieren, dass es keine funktionierende Aufsicht gibt und die Organisation nicht weiss, ob Delfine getötet werden. «Das ist nicht wahr», schreibt Palmer.

Tatsächlich sei das «Dolphin Safe»-Programm für den grössten Rückgang der Delfintötungen durch Thunfischfänger in der Geschichte verantwortlich. Die Zahl der getöteten Delfine habe um mehr als 95 Prozent reduziert werden können, wodurch das wahllose Abschlachten von mehr als 100’000 Delfinen pro Jahr verhindert worden sei. «Seaspiracy» erweise den Organisationen, die «wichtige Arbeit zum Schutz der Ozeane und des Meereslebens» leisten, einen schlechten Dienst.

Eigene Ansichten untermauert

Dem pflichtet auch ein Sprecher der gemeinnützigen Organisation Marine Stewardship Council (MSC) bei. So lenke der Film zwar die Aufmerksamkeit auf «bekannte Probleme» in der Fischereiindustrie, enthalte aber auch «irreführende Behauptungen», wie etwa, dass es so etwas wie nachhaltige Fischerei nicht gebe und dass die MSC-Zertifizierung nicht glaubwürdig sei.

Eine Masse aus Treibnetzen und Seilen treibt in der Mitte des Pazifischen Ozeans.

Der Dok-Film impliziert ausserdem, dass die Organisation Plastic Pollution Coalition, die sich für eine Welt ohne Plastikverschmutzung einsetzt, die Menge an Fanggeräten aus Plastik, die in den Ozean gelangen, verschweigt. In «Seaspiracy» wird behauptet, dass fast die Hälfte des Plastiks im Ozean aus Fischernetzen besteht. Obwohl Fanggeräte tatsächlich zur Verschmutzung der Meere beitragen, machen sie laut einer Studie von Greenpeace nur etwa zehn Prozent des gesamten Plastiks im Meer aus. Die Organisation Plastic Pollution Coalition schreibt in einem Statement, dass die Filmemacher ihre Mitarbeiter schikaniert und gekürzte Ausschnitte aus ihren Interviews herausgepickt hätten, um ihre eigenen Ansichten zu untermauern.

Auch eine der schockierendsten Statistiken, die im Film zitiert werden, ist laut Kritikern falsch. Die im Dokumentarfilm enthaltene Studie aus dem Jahr 2006, die prognostiziert, dass «der Ozean bis 2048 leergefischt sein wird», wurde vom Autor der Studie längst widerlegt.

Fischverzicht keine Option für arme Länder

Die Filmemacher werden zudem vielfach des «White Saviour»-Verhaltens beschuldigt. Der Begriff «White Savior Complex» beschreibt das Phänomen des westlichen Retter-Narrativs. Oceana, eine NGO, welche sich für den Schutz der Meere einsetzt, schrieb in einem Statement: «Die Entscheidung, auf den Verzehr von Meeresfrüchten zu verzichten, ist keine realistische Wahl für die Hunderte von Millionen Menschen auf der Welt, die von der Küstenfischerei abhängig sind – viele von ihnen sind auch von Armut, Hunger und Unterernährung betroffen.»

Dem stimmte auch Umweltwissenschaftlerin Christina Hicks zu. «Ja, es gibt Probleme, aber auch Fortschritte, und Fisch ist für die Lebensmittel- und Ernährungssicherheit in vielen gefährdeten Regionen nach wie vor entscheidend», twitterte die Wissenschaftlerin.

Experten nehmen «Seaspiracy» in Schutz

Doch Callum Roberts, ein Professor für Meeresschutz an der Universität von Exeter, der ebenfalls in «Seaspiracy» zitiert wird, verteidigt den Dokumentarfilm. «Der Film wurde nicht wegen seiner wissenschaftlichen Genauigkeit gemacht. Er hat die Techniken des filmischen Geschichtenerzählens genutzt, um seine Argumente vorzubringen», sagte Roberts laut «The Guardian».

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Auch Bryce D. Stewart, Meeresökologe und Fischereibiologe an der Universität von York in England, kann den Film zu einem gewissen Teil in Schutz nehmen. Der Film enthalte zwar eindeutig viele Fehlinformationen, habe aber zu Recht die Überfischung als die derzeit grösste Bedrohung für die Artenvielfalt der Meere hervorgehoben.

«Die Überfischung wird oft von Gier und dem Wunsch nach Gewinnmaximierung angetrieben, aber auch von Ungleichheit, Armut und schlechter Bewirtschaftung, die den Menschen nur wenige andere Möglichkeiten lassen. Die Überfischung steht auch in Wechselwirkung mit den vielen anderen Bedrohungen des Ozeans, wie dem Klimawandel, der Versauerung der Meere und der Verschmutzung», sagte Stewart gegenüber «Inverse». «Alle diese Bedrohungen müssen gleichzeitig angegangen werden, es ist ineffektiv, sie isoliert zu behandeln.» Dennoch müsse die Menschheit nicht gänzlich auf den Verzehr von Fisch verzichten, da nachhaltige Fischerei durchaus existiere.

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