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Nato beobachtet ungewöhnlich viele russische U-Boote

Das russische U-Boot «Dmitrij Donskoj» wurde auf dem Weg nach St. Petersburg in dänischen Gewässern gesichtet, hier bei der Ostbrücke über den Grossen Belt. (21. Juli 2017) Foto: Sarah Christine Noergfaard/Scanpix Denmark/Keystone
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Die Nato hat nach eigenen Angaben in diesem Jahr die meisten Aktivitäten russischer U-Boote seit Ende des Kalten Kriegs beobachtet. Russland verstärke kontinuierlich seine Operationen unter Wasser, sagte eine Nato-Sprecherin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland RND am Montag.

Allein bei einer Operation rund um Norwegen im Oktober habe das westliche Bündnis bis zu zehn russische U-Boote gleichzeitig beobachtet. Die Norweger meldeten Sichtungen im nördlichsten Teil des Landes und der Militärgeheimdienst vermutete, dass die Russen testen würden, wie weit sie unbemerkt in den Westen vorstossen könnten. Damit solle auch ein Zeichen an die US-Ostküste gesendet werden: Russland ist bereit.

Russische Kriegsschiffe und ein U-Boot an einer Übung in Kronstadt bei St. Petersburg. Foto: Reuters/Anton Vaganov (21.7.2019)

Sorgen bereitet der Nato dabei nicht nur die Anzahl der Boote, sondern auch deren Technologie. So seien die U-Boote leiser. Russland teste derzeit ein Upgrade, mit dem U-Boote schwerer aufzuspüren seien. Auch bei den Waffen gab es offenbar technologische Fortschritte, die Raketen seien schneller und genauer, wie die Nato auch in ihrem Bericht zur «Weiterentwicklung der Sicherheit im Nordatlantik» schreibt. Im nächsten Jahr sollen die Boote mit Überschall-Raketen des Typs Zirkon ausgerüstet werden.

Unterseekabel könnten gekappt werden

Die Nato werde darauf reagieren, sagt die Sprecherin. Das westliche Bündnis plane unter anderem mehr Patrouillen im Nordatlantik. Zudem werde man in moderne U-Boot-Bekämpfung aus der Luft investieren. Momentan sei man nicht sicher, ob die derzeitigen Abfangsysteme die besser ausgerüsteten russischen U-Boote aufhalten könnten.

Der Nordatlantik sei wegen militärischer Nachschubrouten, ziviler Handelswege und Kommunikationskanälen «von vitaler Bedeutung für die Sicherheit Europas», sagte die Sprecherin. Zu den bei der Nato kursierenden Szenarien gehöre auch, dass russische U-Boote die Unterseekabel zwischen den USA und Europa kappen könnten.

 Über die Unterseekabel zwischen Europa und der US-Ostküste laufen rund 90 Prozent des Datenverkehrs. Quelle: Submarinecablemap.com/Google

Durch diese Kabel fliesst der grösste Teil der Internetkommunikation. Attacken dieser Art könnten Teil einer hybriden Kriegsführung sein, also einer Mischung offener und verdeckter Kriegshandlungen.

Schon im Juli wurde man sich dieser Gefahr bewusst, als ein russisches U-Boot auf geheimer Mission am Meeresboden verunglückte. Es handelte sich um eine spezielle Konstruktion, die bis zu den Datenkabeln tauchen könnte (lesen Sie hier mehr über das russische U-Boot auf geheimer Mission).

Kein Einzelfall

Der russische Vorstoss nach Norwegen kommt nicht ganz überraschend, wie die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» schreibt. Die Nato beobachte schon seit Jahren, wie die Marine aktiver werde und auch den Aktionsradius ausweite, bis unter die Arktis und in den Atlantik hinein. Die Russen seien in der Lage, die Ostsee zu sperren und die Nato-Verteidigungslinie Grönland-Island-Grossbritannien zu stören, schätzten Beobachter nach der Übung «Ocean Shield 2019».

Das russische U-Boot «Dmitrij Donskoj» in dänischen Gewässern. (21. Juli 2017) Foto: Reuters/Scanpix Denmark

Für Russland ist die Nato der grösste Feind, und die Aktivitäten dienen ihnen auch dazu, das eigene Gebiet und die russischen Rohstoffvorkommen abzusichern. Zudem sichern die mobilen Unterseestreitkräfte auch die Fähigkeit zum allfälligen atomaren Gegenschlag. Dafür hat Russland die verrostete U-Boot-Flotte modernisiert und baut neue Modelle, die monatelang tauchen können sollen. Diese Borei-Klasse ist mit Interkontinentalraketen ausgestattet, die mit Atomsprengköpfen ausgerüstet werden können.

Bedrohung aus der Entfernung

Auch andere U-Boot-Klassen haben Marschflugkörper mit grosser Reichweite an Bord. Damit können die Russen aus sicherer Entfernung zur Bedrohung für Europa und der US-Ostküste werden. «In einer grösseren Krise würde es Moskau völlig ausreichen, wenn seine U-Boote zwischen Grönland und Island sowie im Norwegischen Meer in Stellung gehen», sagt Magnus Nordenman, schwedischer U-Boot-Fachmann und Buchautor, im Bericht der FAZ. «Von dort können die Russen alles erreichen, was für sie wichtig ist.»

Die Crew eines Atom-U-Boots bei einer Parade im Hafen von Wladiwostok. Foto: Reuters/Yuri Maltsev (30.7.2016)

Zum Arsenal der Russen soll in Zukunft auch die Unterwasserdrohne Poseidon gehören. Ob diese wirklich existiert und getestet wird, wie die russische Propaganda behauptet, ist unklar. Gemäss Angaben des Kreml soll die Reichweite des Atomsprengkörpers bis zu 10'000 Kilometer betragen. Die Explosion soll Tsunamis auslösen, welche die Küstenregionen auslöschen könnten. Beweise für diese Waffe gibt es bisher aber nicht.

Neue gemeinsame Flotte im Einsatz

Die Nato weiss um die Gefahren und will die eigenen Aktivitäten im Nordatlantik verstärken. Im Berichtspricht das Bündnis von rund 75 eigenen U-Booten, was aber nur noch etwa halb so viele wie zu früheren Zeiten seien. Problematisch für die Nato ist zudem, dass die USA den Hauptteil ihrer Flotte im Pazifik stationiert haben.

Ändern soll das die US Second Fleet, die 2018 in Anbetracht der russischen Bedrohung wieder eingesetzt wurde. Gemeinsam mit europäischen Kräften bildet sie im Atlantik eine «Joint Force» der Nato mit derzeit 26 U-Booten, 4 Flugzeugträgern, 18 Zerstörern und mehreren Amphibien-Schiffen, wie es im Nato-Bericht heisst.

US-Trägergruppe «versenkt»

Gerade für solche Verbände mit Flugzeugträgern und Zerstörern können U-Boote zum Albtraum werden. Das gilt selbst für die militärische Grossmacht USA. Das zeigen Übungen, die im Westen kaum für Beachtung sorgten, auch weil die Meldung nur sehr kurz offiziell zur Verfügung stand. Bei einer Nato-Übung im Jahr 2015 hatte ein französisches U-Boot die Aufgabe, einen Angriff auf den Flugzeugträger USS Theodore zu simulieren. Die Saphir, ein 30 Jahre im Dienst stehendes Atom-U-Boot der Franzosen, schlüpfte unbemerkt durch die Überwachungssysteme der Amerikaner und konnte so virtuell sowohl den Flugzeugträger als auch Kreuzer und mehrere Begleitschiffe «versenken».

Das französische Atom-U-Boot Saphir im Juli 2002 im Hafen von Toulon. Foto: Jean-Michel Roche

Das französische Verteidigungsdepartement veröffentlichte den Übungsbericht, liess ihn aber kurz darauf wieder verschwinden. Kopien davon kursieren weiter im Internet und die anderen Grossmächte werden den Bericht gelesen haben. Auch ein chinesischer Professor hat sich mit der Übung befasst und ist zum Schluss gekommen, dass das Wetter den Angriff der Saphir wohl erfolgreich gedeckt hatte. Bei stürmischer See sei es schwieriger, ein U-Boot aus der Luft oder der Oberfläche ausfindig zu machen, während der Sturm in der Tiefe aber kaum bemerkbar sei.

Grösste Gefahr für Flugzeugträger

Ein ähnlicher Coup wie der Saphir gelang 2004 schon einem kleineren schwedischen U-Boot, das bei einer Übung den Flugzeugträger USS Ronald Reagan erfolgreich angreifen konnte. Auch hier erhielten bei der Simulation mehrere Schiffe des US-Verbands «Treffer». Im Jahr 2007 hatte ein kanadisches U-Boot zudem einen britischen Flugzeugträger bei einer Übung im Visier und hätte ihn versenken können.

Experten sind sich einig: Die grösste Gefahr für die mächtigen Flugzeugträger sind U-Boote. Deshalb lassen sich die Marinen der Grossmächte auch kaum eine Chance entgehen, während Überfahrten in internationalen Gewässern gegnerische Flugzeugträger mit ihren U-Booten zu verfolgen und eine unbemerkte Annäherung zu üben.

USA haben wieder Raketen getestet

Die Sichtungen der russischen U-Boote und die Berichte der Nato lassen die Gefahr eines neuen Wettrüstens grösser werden. Dazu tragen auch die USA bei. Erst letzte Woche hat die militärische Grossmacht erneut eine ballistische Mittelstreckenrakete getestet. Die bodengestützte Rakete wurde am Donnerstag von der Vandenberg-Luftwaffenbasis in Kalifornien aus abgefeuert und stürzte nach rund 500 Kilometern in den Pazifik, wie das US-Verteidigungsministerium mitteilte.

Die Daten und Erfahrungen aus dem Test sollten für die Entwicklung künftiger «Mittelstreckenkapazitäten» verwendet werden, erklärte Pentagon-Sprecher Robert Carver. Es war der zweite derartige Test innerhalb von vier Monaten. Unter den Vorgaben des INF-Abrüstungsvertrags wären diese Tests verboten gewesen, die USA stiegen aber zwei Wochen vor dem Test aus dem Vertrag aus – mit der Begründung, dass Russland das Abkommen bereits seit Jahren verletze.

Russland und China warnten daraufhin vor einem neuen Wettrüsten und vermuteten, dass die USA den Ausstieg aus dem Abrüstungsvertrag schon länger geplant hatten.

SDA/anf