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Beziehungen Schweiz-China
Nationalrat sendet Liebesgrüsse nach Taiwan – China protestiert

Urheber des Beschlusses ist der Zürcher Nationalrat Fabian Molina: Der SP-Politiker an der Sondersession in Bern. (2. Mai 2023)
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Mitten in den wachsenden Spannungen zwischen der Volksrepublik China und Taiwan sendet der Nationalrat eine Sympathiebekundung an die bedrängte Inselrepublik – und foutiert sich dabei um chinesische Proteste.

Am Dienstagabend hat die grosse Kammer beschlossen, ihre Zusammenarbeit mit dem Parlament von Taiwan zu «verstärken» und den «wirtschaftlichen, politischen, wissenschaftlichen und kulturellen Austausch» mit Taiwan zu «vertiefen».

Der Entscheid fiel überraschend deutlich, mit 97 gegen 87 Stimmen, 8 Ratsmitglieder enthielten sich. Der Beschluss ist definitiv: Weil der Nationalrat nur seine eigenen Beziehungen verstärken will, braucht er die Zustimmung des Ständerats nicht. Mit diesem Trick verhindert die grosse Kammer, dass der (aussenpolitisch meist konservativere) Ständerat ihm in die Parade fahren kann.

Verstoss gegen die Ein-China-Politik?

Der Entscheid ist brisant, weil die Schweiz mit Taiwan zwar Handel treibt und kulturellen Austausch pflegt, aber keine offiziellen diplomatischen Beziehungen unterhält. Diese Nichtbeziehung ist Ausfluss der sogenannten Ein-China-Politik, die die Volksrepublik China von allen anderen Ländern einfordert.

Schon damals protestierte China heftig: SP-Nationalrat Fabian Molina im Februar 2023 bei einem Treffen mit Tsai Ing-wen, der Präsidentin von Taiwan.

Unter Ein-China-Politik versteht man die Prämisse, dass es nur ein «China» gibt, dass dieses China durch die kommunistische Volksrepublik verkörpert wird – und dass dazu (eigentlich) auch das demokratische Taiwan gehört. Alle Staaten, die diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik aufnehmen wollen, müssen diese Prämisse im Grundsatz anerkennen. Das tut auch der Bundesrat in seiner Aussenpolitik.

Eine Folge davon ist zum Beispiel, dass die Schweiz keinen Botschafter nach Taiwan entsendet und dass es keine wechselseitigen offiziellen Besuche von Bundesratsmitgliedern und taiwanischen Ministern gibt.

Blick auf die Nationalräte und Nationalrätinnen während der Sondersession in Bern.

Genau diese Schweizer Ein-China-Politik werde nun durch den Beschluss des Nationalrats verletzt: Dass sagten chinesische Diplomaten gegenüber Schweizer Parlamentariern, wie Franz Grüter, SVP-Nationalrat und Präsident der Aussenpolitischen Kommission, erklärt. Er selber sei im Vorfeld des Entscheids von der chinesischen Botschaft in Bern kontaktiert worden. «Mir wurde mitgeteilt, dass China diesen Entscheid als Aufkündigung der offiziellen Schweizer Ein-China-Politik interpretiert.» Das sei eine sehr starke Aussage vonseiten Chinas, sagt Grüter warnend.

Martullo redet auf Kollegen ein

Grüter stimmte Nein zum Vorstoss, zusammen mit der geschlossenen FDP und der fast geschlossenen SVP. Drei SVP-Parlamentarier enthielten sich allerdings – unter ihnen Lukas Reimann. Vor dem Entscheid redete Magdalena Martullo-Blocher, die mit ihrer Firma Ems in China grosse Geschäfte macht, minutenlang auf den St. Galler ein – schaffte es aber nicht, ihn auf Parteilinie zu bringen.

Für engere Kontakte mit Taiwan stimmten fast geschlossen SP, Grüne und GLP. Die Mitte war in der Frage gespalten. Rund zwei Drittel der Fraktion stimmten Ja und verhalfen der Motion damit zum Durchbruch. Unter den Ja-Stimmenden, die eine Brüskierung Chinas in Kauf nahmen, waren auch Parteipräsident Gerhard Pfister und Fraktionschef Philipp Matthias Bregy.

«Mir wurde mitgeteilt, dass China diesen Entscheid als Aufkündigung der Ein-China-Politik interpretiert.»

Franz Grüter, SVP-Nationalrat

Urheber des Beschlusses ist der Zürcher SP-Nationalrat Fabian Molina. Er brachte seinen Vorstoss im Oktober 2022 in der Aussenpolitischen Kommission ein und überzeugte schon dort eine knappe Mehrheit.

Die Insel mit ihren gut 23 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern sei der fünftwichtigste Handelspartner der Schweiz in Asien, argumentiert Molina. Angesichts der zunehmenden Polarisierung zwischen den USA und China sei es für die Schweiz klug, ihre Aussenwirtschaftsstrategie zu diversifizieren. Vor allem aber sei die Demokratie weltweit auf dem Rückzug. «Daher müssen sich Demokratien gegenseitig unterstützen.» Das Parlament dürfe sich «nicht von China in seinen souveränen Beschlüssen reinreden lassen», sagte Molina im Rat.

Fürchtet Probleme mit China: SVP-Nationalrat Franz Grüter.

SVP-Nationalrat Franz Grüter widerspricht. Weil die Schweiz Taiwan nicht als eigenständigen Staat anerkenne, solle der Nationalrat auch keine offiziellen Beziehungen mit dem Parlament Taiwans pflegen. Grüter befürchtet, dass der Entscheid des Nationalrats für die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China «negative Konsequenzen» haben wird.

China protestierte schon im Februar

China reagiert traditionell scharf auf jedes Zeichen der Annäherung mit Taiwan. Als im Februar fünf Nationalratsmitglieder privat nach Taiwan reisten, reagierte die chinesische Botschaft mit einem harten Communiqué gegen diese «Einmischung in die inneren Angelegenheiten». Schon mit diesem Besuch sei die Ein-China-Politik verletzt worden, schrieb die Botschaft damals.

Dieser Lesart widerspricht die Leitung des Nationalrats, das sogenannte Büro. Der Beschluss stelle «die Schweizer Position zur Ein-China-Politik nicht infrage», schrieb die Ratsleitung schon vor der Abstimmung prophylaktisch. Vielmehr sei  die Förderung von Demokratie, Frieden und Stabilität eine Grundsäule der Schweizer Aussenpolitik. «Es ist deshalb legitim, dass der Nationalrat die parlamentarische Diplomatie nutzen möchte, um diese Werte zu fördern.»

«Wir müssen uns für die Demokratie starkmachen.»

Philipp Matthias Bregy, Fraktionschef der Mitte

Die fragliche «Institution» in Tawain sei gar kein richtiges nationales Parlament, sagte Hans-Peter Portmann (FDP) im Rat. Falls der Nationalrat zu dieser «Institution» offizielle Beziehungen aufnehme, schaffe er ein gefährliches Präjudiz auch für andere problematische Fälle, etwa Katalonien. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi pflichtete ihm bei und sagte, das Parlament solle die Aussenpolitik dem Bundesrat überlassen.

Philipp Matthias Bregy, der Fraktionschef der Mitte, sagte dagegen, die tatsächlichen Beziehungen zu Taiwan seien ausgezeichnet. Daher sei es auch nicht falsch, wenn das Parlament dies anerkenne. Doch noch grundlegender sei für ihn ein anderes Argument, sagt Bregy: «Wir müssen uns für die Demokratie starkmachen.»

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