Kämpfe in Gaza-StadtIsraelische Armee dringt in Shifa-Spital ein – das ist bekannt
Die israelischen Streitkräfte haben die Shifa-Klinik im Gazastreifen gestürmt, weil sie dort eine Kommandozentrale der Hamas vermuten. Was ist über die Klinik und die aktuelle Lage bekannt? Ein Überblick.
Das ist passiert
Im Al-Shifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt fand ein Militäreinsatz statt, wie israelische und palästinensische Behörden am Mittwoch erklärten.
Das israelische Militär erklärte, es habe einen «gezielten» Einsatz in dem Krankenhaus ausgeführt. «Auf der Grundlage nachrichtendienstlicher Informationen (…) führen israelische Verteidigungskräfte eine präzise und gezielte Operation gegen die Hamas in einem bestimmten Bereich des Al-Shifa-Krankenhauses aus», hiess es in einer Erklärung. Der Einsatz ziele auf eine mutmassliche Kommandozentrale der Hamas auf dem Gelände ab.
Man habe der Hamas eine Frist von zwölf Stunden gesetzt, um jegliche Militäroperation in dem Krankenhaus einzustellen. «Leider ist dies nicht erfolgt», erklärte das Militär und forderte erneut «alle im Krankenhaus anwesenden Hamas-Terroristen auf, sich zu ergeben».
Ein Beamter des von der Hamas geführten Gesundheitsministeriums forderte die internationale Gemeinschaft und die Vereinten Nationen auf, «sofort und dringend zu intervenieren, um die israelische Stürmung zu stoppen.» Die Hamas machte indes den US-Präsidenten für die Stürmung des Krankenhauses verantwortlich. «Wir machen die Besatzung (Israel) und Präsident Biden für den Angriff auf (…) Al-Shifa verantwortlich», erklärte die Hamas am Mittwoch.
Der falsche Vorwurf der USA, wonach «der Widerstand» das Krankenhaus für militärische Zwecke nutze, habe Israel grünes Licht für «weitere Massaker an Zivilisten» gegeben, hiess es.
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Warum ist das Spital so umkämpft?
Nach israelischer Darstellung betreibt die Hamas in oder unter Krankenhäusern Kommandozentralen. Einige der unterirdischen Bunker seien direkt von der Klinik aus zugänglich. Hunderte Hamas-Terroristen hätten nach dem Angriff vom 7. Oktober, bei dem mindestens 1'200 Menschen in Israel ums Leben kamen, im Shifa-Krankenhaus Zuflucht gesucht und Geiseln dort versteckt. Israel beruft sich auf Geheimdienstinformationen. Aufnahmen sollen die Existenz der Hamas-Zentrale beweisen. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Angaben nicht. Die Hamas, wie auch das Spitalpersonal weisen die Vorwürfe zurück.
US-Geheimdienstquellen bestätigten indes Angaben Israels zu einer Hamas-Zentrale auf dem Klinikgelände. Die Hamas und der Islamische Dschihad «betreiben einen Kommando- und Kontrollknotenpunkt von Al-Shifa in Gaza-Stadt aus», sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, am Dienstag (Ortszeit) vor Journalisten. Die Hamas-Kämpfer hätten dort «Waffen gelagert und sind darauf vorbereitet, auf eine israelische Militäroperation (…) zu reagieren.»
Darf Israel das Spital angreifen?
Nach internationalem Recht stehen Krankenhäuser im Krieg unter besonderem Schutz. Laut internationalem Komitee vom Roten Kreuz können sie diesen Schutzstatus aber verlieren, wenn Kriegsparteien sie als Versteck für Kämpfer oder als Waffenlager nutzen. Vor Angriffen muss es aber eine ausreichende Vorwarnzeit geben, damit Personal und Patienten in Sicherheit gebracht werden können.
Die Angriffe auf das Spital sorgen international für Kritik. Die USA teilte ebenfalls mit, die militärischen Einsätze auf das Krankenhaus nicht zu unterstützen. «Krankenhäuser und Patienten müssen geschützt werden», sagte ein Sprecher.
Wie viele Menschen befinden sich noch in der Klinik?
Der Nachrichtensender Al-Dschasira berichtete, «Dutzende Soldaten» befänden sich in der Notaufnahme des Krankenhauses. Zudem seien Panzer in einem Hof des Gebäudekomplexes stationiert. Der Sender berichtete unter Berufung auf Mitarbeiter, dass sich in dem Krankenhaus schätzungsweise noch 650 Patienten befinden. Dem Arzt Muchallalati zufolge sind davon etwa 100 in Lebensgefahr. Zudem hielten sich dort 2000 bis 3000 Vertriebene sowie 700 Mediziner und Verwaltungsmitarbeiter auf.
So ist die Lage im Spital
Zeugen haben die Zustände in der Klinik als verheerend beschrieben: Medizinische Eingriffe finden ohne Betäubung statt, es gibt kaum noch Wasser, Nahrung oder Treibstoff. Wie Krankenhausdirektor Mohammad Abu Salmija erklärte, liegen im Gebäude Leichen herum, in den Leichenhallen gibt es keinen Strom mehr. 179 Tote seien in einem Massengrab bestattet worden.
Israel hat den Menschen im Al-Shifa-Krankenhaus zugesichert, sie könnten die Stadt sicher verlassen. Zivilisten, die das versuchten, schilderten jedoch, sie seien beschossen worden.
Wie steht es um die anderen Kliniken im Gazastreifen?
Die Lage der ohnehin am Anschlag arbeitenden Kliniken im gesamten Gazastreifen hat sich in den vergangenen Tagen dramatisch verschlechtert. 22 der insgesamt 36 Krankenhäuser haben den Betrieb nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) inzwischen eingestellt. Die 14 noch arbeitenden Häuser hätten «kaum genug Mittel, um entscheidende und lebensrettende Operationen» durchzuführen und Patienten zu versorgen, darunter diejenigen in der Intensivpflege, teilte die WHO mit.
Im nördlichen Gazastreifen nimmt nach UN-Angaben angesichts von Gefechten zwischen Israels Armee und islamistischer Hamas und wegen Treibstoffmangels nur noch ein Krankenhaus Patienten auf. Das Al-Ahli-Krankenhaus in der Stadt Gaza sei als einziges noch im Minimal-Betrieb, teilte das UN-Nothilfebüro OCHA in der Nacht zum Mittwoch mit. «Alle anderen haben den Betrieb wegen eines Mangels an Strom, medizinischem Material, Sauerstoff, Essen und Wasser eingestellt.» Die Lage werde «verschlimmert durch Bombardements und Kämpfe in ihrer Umgebung.»
Was unternimmt Israel angesichts der Notlage?
Israels Militär teilte mit, man habe dem Shifa-Spital eine Lieferung Brutkästen für frühgeborere Babys angeboten. Dies sei eine Möglichkeit, die Säuglinge aus dem Krankenhaus zu retten. «Wir sind im Krieg mit der Hamas und nicht mit der Bevölkerung von Gaza», sagte eine Armee-Sprecherin.
Zusätzlich sollten Beatmungsgeräte und weitere wichtige medizinische Geräte geliefert werden. Zudem gab das Militär an, am Sonntag etwa 300 Liter Treibstoff in Plastikbehältern mehrere hundert Meter von der Einrichtung entfernt deponiert zu haben. Doch der Treibstoff wurde offenbar noch nicht verwendet. Israel beschuldigte die Hamas, das medizinische Personal daran zu hindern, die Behälter abzuholen. Die Terrororganisation wies die Vorwürfe zurück und kritisierte das Angebot als nicht ausreichend.
Israel hat zudem angekündigt, Lastwagen mit Hilfsgütern am Mittwoch betanken zu lassen. Die von der UN eingesetzten Lastwagen sollen am Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten mit Diesel versorgt werden, wie die für Kontakte mit den Palästinensern zuständige israelische Cogat-Behörde am Mittwoch auf der Plattform X mitteilte. Damit komme Israel einer Anfrage der US-Regierung nach.
Israelische Medien hatten zuvor unter Berufung auf Regierungsvertreter berichtet, Israel genehmige 24'000 Liter Diesel für die Lastwagen. Es sei das erste Mal seit Kriegsbeginn, dass Israel zustimme, Treibstoff in den Gazastreifen zu lassen.
Der Diesel ist dem Bericht zufolge ausschliesslich für Lkw der Vereinten Nationen bestimmt, und nicht etwa für Krankenhäuser. Die USA haben demnach Druck auf die UN ausgeübt, den Treibstoff anzunehmen.
SDA/pash
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