Nach Verletzungen und ArbeitslosigkeitEr schreibt gerade die Feel-Good-Story des Schweizer Fussballs
Der 30-jährige Nadjack wuchs in Guinea-Bissau in Armut auf, verlor seinen Job in der Schweiz und war dem Karriereende nah. Nun macht der Sport wieder Spass.
- Fussballer Nadjack bekam nach einer schweren Verletzung keinen neuen Vertrag mehr bei GC.
- Die Arbeitslosigkeit machte ihm zu schaffen, auch weil er mit seinem Einkommen die Familie in Guinea-Bissau unterstützt.
- Nachdem er in vier Jahren ganze sieben Spiele gemacht hat, meldet er sich nun mit dem Tor des Monats zurück.
Am Abend, an dem alles aufging, war seine Partnerin mit dem bald dreijährigen Sohn zu Hause. Und als er später zur Tür reinkam, da flossen ein paar Tränen.
Es war ein Freitag Ende August, Schaffhausen spielte 2:2 gegen Thun. Nicht der Abend für die glanzvollen Fussballgeschichten. Aber für die kleine Familie von Eliseu Mendja Nadjack Soares Cassama, kurz Nadjack, ein Moment, in dem eine grosse Last abfiel.
Nadjack, Aussenverteidiger beim FC Schaffhausen, war nach einem Freistoss vorne geblieben, ein Mitspieler brachte eine Flanke zurück in den Strafraum, Nadjack verwertete sie so gekonnt, dass sein Tor später zum Tor des Monats in der Schweiz gekürt werden sollte. Sogar er selbst war etwas perplex. Er hatte auf Profiniveau ja noch nie ein Tor erzielt – und dann noch so ein schönes, er traf mit einem spektakulären Volley.
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Man könnte sagen: Nadjack ist damit in der Schweiz angekommen. Dabei ist er schon seit vier Jahren hier.
Die Verletzung, die ihn zurückwirft
Im Sommer 2020 wechselte Nadjack vom portugiesischen Club Rio Ave zu den Grasshoppers. «Es war eine Chance für mich, ich kam mit grossen Hoffnungen», sagt er. Im vierten Einsatz aber die Ernüchterung, Riss der Patellasehne, zum zweiten Mal bereits, und das im besten Fussballer-Alter. Nadjack war da 26.
Drei Jahre blieb der Mann aus Guinea-Bissau bei GC, er absolvierte in dieser Zeit bloss sieben Spiele. «Ich hatte die Chancen, ein guter Spieler für GC zu werden, aber ich wurde der mit den wenigsten Einsätzen in drei Jahren.» Im Frühling 2023 teilte ihm der Verein mit, dass er nicht mehr mit ihm plane.
Nadjack sagt, er sei sehr traurig gewesen in jenem Moment, er habe sich als Teil des Clubs gefühlt (hier können Sie das Porträt aus dem Winter 2023 lesen). Nun musste er weiterziehen, gerade sesshaft geworden in der Schweiz, der Sohn eineinhalb Jahre jung. Mit seinen Agenten suchte er nach Clubs, er hatte Angebote aus Zypern und Serbien, er wollte aber nicht das erstbeste annehmen.
Die Zeit verstrich, mittlerweile hatten die Saisons überall begonnen und die Vereine ihre Teams komplettiert. Für Nadjack aber gab es keinen Platz. So wurde der Bissauer zum arbeitslosen Fussballer. Er sagt: «Wenn man so lange verletzt ist, glauben die Leute nicht mehr an dich. Eine Verletzung kann die Karriere beenden.»
Nadjack ist in Armut aufgewachsen. In Guinea-Bissau, einem Land in Westafrika, kommen fast 60 Prozent der Menschen mit weniger als vier Dollar pro Tag aus. Der nun 30-Jährige sendet einen Grossteil seines Einkommens nach Hause, um seine Mutter und die sieben Geschwister zu unterstützen.
Die Arbeitslosigkeit traf ihn wohl härter als manch andere Fussballer, die Familie machte sich Sorgen, mehr um ihn allerdings als um das Geld. Nadjack wollte stark bleiben. Er sagte sich: «Wenn ich nur zu Hause sitze und mich bemitleide, schaffe ich es ja auch nicht.»
Plötzlich pendelte er in den Oberaargau
Nadjack ging aufs RAV und meldete sich beim FC Arbeitslos an, hier kommen Fussballer ohne Club zusammen und halten sich während der Sommerpause fit, ein Angebot der Spielergewerkschaft SAFP. Daneben trainierte er im Gym – und er nutzte die Zeit für Deutschkurse.
Im Winter 2024 kam er beim FC Langenthal unter, Joao Paiva, einst Spieler bei GC, Winterthur und Luzern und dann bei SAFP tätig, nahm ihn dorthin mit. Paiva ist gebürtiger Portugiese, in Nadjacks Heimat ist Portugiesisch auch heute noch Amtssprache. Seine erste Station als Fussballer in Europa war Portugal.
Der FC Langenthal ist ein Amateurteam aus der 1. Liga. Fast täglich pendelte Nadjack nun von Schlieren in den Oberaargau, immer abends. Das ging ein paar Wochen so, dann fand seine Partnerin in Zürich einen Job im Service. Sie arbeitete fortan vor allem abends, Nadjack passte auf den gemeinsamen Sohn auf und verliess Langenthal, ohne für den Verein ein Spiel absolviert zu haben.
Im Frühling 2024 kam der Anruf, der alles wieder in die richtigen Bahnen lenken sollte. Shqiprim Berisha meldete sich, er war Geschäftsführer der Grasshoppers, als Nadjack dort war, nun wurde er Sportchef in Schaffhausen. Die beiden tauschten sich aus, und als Nadjack im Sommer noch immer ohne Verein dastand, durfte er in Schaffhausen vorspielen.
Dort lernte er Ciriaco Sforza kennen, den Trainer. «Ein so guter Mensch, eine wirklich freundliche Person», sagt Nadjack über den früheren Schweizer Nationalspieler, den er vorher nicht kannte. Überhaupt müsse man erst ein guter Mensch sein und erst dann ein guter Trainer oder Spieler.
Es gehört zu Nadjacks Naturell, freundlich und fröhlich zu sein, vermeintlich banalen Geschichten einen grossen Unterhaltungswert zu verleihen. Auch während des Gesprächs lacht er viel, obwohl er zugibt, dass ihm die Situation zu schaffen machte.
Besonders erheiternd ist die Geschichte, wie Sforza ihn fragte, ob er auch als Innenverteidiger spielen könne. Und er antwortete: «Ich spiele überall, auch im Tor. Ich kann nicht garantieren, dass ich alle Bälle halte, aber wenn ich muss, gehe ich ins Tor. Ich will nur Fussball spielen.»
Ins Tor musste er bisher nicht. Aber in der Innenverteidigung hat sich Nadjack festgebissen, er hat einen Einjahresvertrag unterschrieben. Zum ersten Mal seit er in der Schweiz ist, absolvierte er mehr als vier Spiele in Folge, der grosse Höhepunkt war sein Tor gegen Thun.
Als die Partie vorbei war, erinnerte sich Nadjack an all das, was war, an die Tage, an denen er aufwachte, allein joggen oder ins Gym ging und keine Teamkollegen um sich hatte.
Dann ging er nach Hause zu seiner kleinen Familie. Bestimmt mit einem breiten Lachen.
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