Boxer und Politiker Manny PacquiaoNach dem WM-Kampf will er Präsident der Philippinen werden
Manny Pacquiao boxt um die Weltmeisterschaft im Weltergewicht. Dabei ist der 42-Jährige auf bestem Weg, Präsident der Philippinen zu werden.
Von allen Männern dieser Welt, die 1,66 Meter gross sind, dürfte Manny Pacquiao der grösste sein. Mehrfacher Boxweltmeister in sieben verschiedenen Gewichtsklassen, einer der bestbezahlten Athleten des Planeten – immer noch, mit mittlerweile 42 Jahren.
Das Sportmagazin «The Athletic» berichtete vergangene Woche, wie Pacquiao bei seinem Trainingslauf im «Griffith Park» von Los Angeles von einer Menschenmenge mit «Manny»-Rufen angefeuert wurde, auf einer der mutmasslich letzten Laufrunden seiner märchenhaften Boxkarriere. Pacquiao hat sich im Spätherbst seiner Karriere zu einem absoluten Phänomen entwickelt: ein echter Rocky, ein internationaler Peoples’ Champ.
Und da ist noch nicht mal mitgerechnet, wie gross die Begeisterung in seiner Heimat, den Philippinen, ist. Dort wird Pacquiao nach seinem mutmasslich letzten Kampf ins Rennen um die Präsidentschaft einsteigen.
Für diesen Kampf will das Pay-TV 75 Dollar
Diesen Samstag boxt Pacquiao in einer Arena in Las Vegas. Wer den Kampf zu Hause sehen möchte, muss 74,95 Dollar bezahlen, obschon sich zwei Nichtamerikaner begegnen. Pacquiaos Gegner Yordenis Ugás ist Exil-Kubaner. Die Begeisterung für Boxer ungeachtet ihrer Herkunft hat in den USA eine lange Tradition.
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Aber eigentlich geht es nur um Manny. Wäre es möglich, könnte Pacquiao wohl in einem Mega-Fight gegen sich selbst antreten. Die Leute würden bezahlen.
Bevor er sich ins Trainingscamp nach Los Angeles verfügte, musste der philippinische Senator Emmanuel Dapidran Pacquiao, so sein vollständiger Name, geboren 1978 in Kibawe, noch einige Auseinandersetzungen in Manila durchstehen. Am 2. Juli klagte Pacquiao laut der Nachrichtenagentur Reuters die aktuelle Regierung unter Präsident Rodrigo Duterte an, dass zehn Milliarden Pesos (etwa 170 Millionen Euro) an Pandemie-Hilfe für die Ärmsten im Land «nicht mehr auffindbar sind». Und das war nur ein Posten in einer grossen Korruptionsaffäre, die derzeit die Philippinen erschüttert.
Jahrelang hatten sich der Boxstar und der Law-und-Order-Mann Duterte gegenseitig unterstützt. Nun sind sie entzweit, auch weil Pacquiao dem Präsidenten Schwäche unterstellt – im Umgang mit China und den Aggressionen im südchinesischen Meer. Schwäche ist etwas, was Duterte sich auf keinen Fall nachsagen lassen will.
Pacquiao wurde anschliessend nicht zum Vorsitzenden seiner Partei wiedergewählt. Man kann sagen, diese Runde hat Senator Pacquiao abgegeben. Doch wer den Boxer Pacquiao kennt, weiss, dass er nicht so schnell aufgibt und das Publikum am Ende immer auf seiner Seite hat, auch wegen seines unbeugsamen Enthusiasmus.
Zwei Sparringspartner gehen zu Boden
Seit einigen Wochen trainiert Pacquiao im «Wild Card Boxing Gym» in Los Angeles. Wenn Freddy Roach seinen schwarzen AMG-Mercedes auf dem Parkplatz im Hinterhof abstellt, hauen sich die Latino-Boxer dort besonders engagiert. Roach ist Besitzer des «Wild Card», Mickey Rourke hat es ihm einst geschenkt, und seit der legendäre Trainer von Pacquiao unter Parkinson leidet, fungiert Roach mehr als geistiger Beistand und Sprecher für Pacquiao.
Als er vor drei Wochen gefragt wurde, ob sein Schützling sich in den vergangenen eineinhalb Jahren Zwangspause erholen konnte, oder ob er Ring-Rost angesetzt habe, sagte Roach: «Es ist ein Graubereich. Ist es gut, ist es schlecht?»
Pacquiao hatte ihm Aufnahmen seiner Trainingseinheiten geschickt, so wie sie es früher schon gemacht haben, wenn der Senator auf den Philippinen Politik machen musste und gleichzeitig in Kampfvorbereitung war. Roach schrieb ihm, woran er arbeiten solle, «als Manny dann gestern hier eintraf, machte er gleich zehn Runden Sparring und schlug zwei seiner Sparringspartner zu Boden».
Im «Wild Card Boxing Gym» bereitet Pacquiao sich mit den ebenfalls eher kleinen, aber traditionell knallharten, vorwärtsstürmenden Latino-Boxern vor, die so gross werden wollen wie er. Aber noch ist er ja da. Manny Pacquiao, der das Boxen so glaubhaft liebt, dass er tatsächlich meistens lächelnd in den Ring steigt. Der die stärksten Gegner akzeptiert hat, in seiner Gewichtsklasse oder auch darüber. Bei dem man sich immer drauf verlassen kann, einen spannenden Kampfabend zu erleben.
Solche Typen und diese Art von Kämpfen sind in den vergangenen Jahren zu einer Seltenheit geworden, derzeit vermarkten sich eher Youtube-Stars und Boxrentner auf Streaming-Plattformen. Seit mehr als 25 Jahren ist Pacquiao schon Profi, bei 62 Siegen, 7 Niederlagen und 2 Unentschieden steht seine Kampfbilanz. Das faszinierende, manchmal Süchtigmachende am Boxen ist, dass alles andere in den Hintergrund tritt. Das Einzige, was für einen Boxer zählt, ist der nächste Gegner.
Für jemanden wie Pacquiao könnte dieser Kampf also fast Urlaub sein von dem Ärger, den er zu Hause hat. Der unmittelbar nächste Gegner ist wichtiger.
«Es ist mir egal, wer Champion ist. Lass uns einfach kämpfen und herausfinden, wer der Beste ist.»
Dieser Yordenis Ugás, immerhin WBA-Weltmeister, ist ein exzellent ausgebildeter und aggressiver Kämpfer, wie viele Kubaner mit langer Amateurkarriere. Eigentlich sollte Pacquiao gegen Errol Spence boxen, Weltergewichtsweltmeister der WBC und IBF. Doch wegen einer Augenverletzung von Spence musste der Gegner kurzfristig gewechselt werden.
Ugás ist ein starker Boxer und hatte sich ebenfalls gerade auf einen Kampf vorbereitet, er boxt sogar etwas aggressiver als Spence. Die «Pay-per-View»-Tickets wurden nicht reduziert, nachdem Spence absagen musste. Wie erwähnt: Es geht um Manny. In der virtuellen Pressekonferenz, eine Woche vor dem Kampf, erklärte Pacquiao, «wir werden mehr Action im Ring erzeugen. Die Fans werden es lieben.»
Als Pacquiao vor zwei Jahren gegen Keith Thurman siegte, wurde er mit 40 der offiziell älteste Weltergewichtsweltmeister der Geschichte. Der WBA-Titel wurde dann wieder freigegeben, der übliche Zirkus veranstaltet, mit dem die Weltverbände sich selber in die Bedeutungslosigkeit gemauschelt haben. Nun könnte Pacquiao seinen eigenen Rekord brechen, falls er den Titel mit 42 noch mal gewinnt. Er lacht, als er das hört, «ja, das gefällt mir». Er sagt dann aber auch noch: «Es ist mir egal, wer Champion ist. Lass uns einfach kämpfen und herausfinden, wer der Beste ist.»
«Rocky» war im Vergleich zu ihm Beamtenprosa
An dieser Stelle sollte man noch mal daran erinnern, dass Pacquiao sich aus ärmsten Verhältnissen nach oben geboxt hat. Gegen seinen Aufstieg zur Grösse wirkt «Rocky» wie Beamtenprosa. Am Anfang seiner Karriere boxte er tatsächlich nur für Essen auf dem Teller. Harte, undankbare Kämpfe in der Provinz. Erste Aufmerksamkeit erregte Pacquiao, als er 1998 den thailändischen Fliegengewichtsweltmeister Chatchai Sasukul besiegte.
In den USA wurde er zum Star, unter anderem durch eine Trilogie gegen den mexikanischen Ausnahmeboxer Erik Morales (ein Sieg für Morales, zwei für Pacquiao), einen Sieg gegen den grossen, aber damals schon etwas eingerosteten Oscar de la Hoya. Der Kampf gegen Floyd Mayweather Jr. im Jahr 2015 war einer der lukrativsten der Boxgeschichte, Pacquiao verlor knapp nach Punkten gegen einen übervorsichtigen Mayweather. Da war Pacquiao bereits Senator. Seit 2010 ist er in der Politik auf den Philippinen aktiv, dort ist er ein Volksheld.
Rodrigo Duterte hatte ihn Ende des vergangenen Jahres sogar zum Vorsitzenden der regierenden PDP-Laban-Partei gemacht, eine Zeit lang sah es so aus, als wolle Pacquiao sich noch rechts neben Duterte positionieren, wenn er Polizeimorde kommentierte, und sagte, dass die Bürger «mehr Liebe und Fürsorge» für die Beamten zeigen sollten, damit diese ihren Job engagiert machen könnten.
Vor fünf Jahren hatte Pacquiao bereits Fans und Sponsoren irritiert, mit Aussagen zu Homosexuellen: diese seien «schlimmer als Tiere». Er verlor seinen Sponsorenvertrag mit Nike und entschuldigte sich, falls er jemanden beleidigt haben sollte. Aber ernst meinte er diese Entschuldigung wohl nicht, er legte später auf Instagram noch mal nach, geisselte die Versuchungen des Fleisches.
Gleichgeschlechtliche Ehen sind ironischerweise in keinem der beiden Länder anerkannt, aus denen die Kämpfer stammen. Fidel Castro liess Homosexuelle in Umerziehungslager stecken. Pacquiao ist strenggläubiger Katholik, wie etwa 85 Prozent seiner 108 Millionen Landsleute. Nur weil er den Ring stets freudestrahlend betritt, muss man sich Pacquiao nicht in jeder Disziplin als Vorbild vorstellen. Allerdings werden die meisten Boxer auch nicht zu ihren politischen Ansichten befragt. Ist vermutlich besser so.
Auf Pacquiao wartet die grösste Schlacht
Yordenis Ugás gab in derselben Pressekonferenz an, dass er für sein Land in den Ring steige und für alle Kubaner, die für Freiheit kämpften. Er selber konnte der Diktatur entfliehen, lebt und trainiert mittlerweile in Miami. Für ihr Land treten also beide Kämpfer an, der eine als Politiker, der andere als Flüchtling.
Manny Pacquiao wird offen in den Kampf gehen, risikobereit und mit Härte in beiden Fäusten. Er hat nie anders geboxt, weswegen seine Niederlagen häufig ebenso spektakulär waren wie seine Siege. Mit 42 Jahren wird er seinen Stil nicht ändern. Die Buchmacher sehen den Kampf durchaus knapp. Danach wartet dann Rodrigo Duterte als nächster Gegner.
Manila wird der Ort sein, an dem Pacquiao seine vielleicht grösste Schlacht schlägt, im kommenden Jahr. «Es gibt viele hungrige Familien, trotzdem stiehlt die Regierung Milliarden und Milliarden an Geld», sagte Pacquiao noch, bei seiner vorläufig letzten Sitzung im Senat, bevor er sich zu Freddie Roach nach Los Angeles verfügte. Es war die klare Positionierung als politischer Peoples’ Champion, gegen einen korrupten politischen Apparat und einen Präsidenten, der ausser Kontrolle zu sein scheint.
Duterte hat angekündigt, als Vize-Präsident anzutreten, um sich einer Strafverfolgung zu entziehen – seine Tochter würde zu diesem Zweck als Präsidentin kandidieren. Im Mai 2022 wird auf den Philippinen gewählt. Es ist nicht anzunehmen, dass Pacquiao vorher noch mal in den Ring steigen kann, er wird sich dem Wahlkampf widmen müssen. Er wird also tatsächlich gegen sich selber antreten, der Politiker Pacquiao gegen den Boxer Pacquiao. Denn wenn Manny Pacquiao der nächste Präsident der Philippinen wird, muss der Boxer endgültig in Ruhestand gehen.
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