Nach dem Ja zu «Kinder ohne Tabak»Nach dem Tabak soll auch Werbung für Fleisch erschwert werden
Die Ernährung soll gesünder werden: Solche Bestrebungen erhalten nach dem Ja zur Tabakinitiative Auftrieb. In den Fokus Zucker – und der Fleischkonsum.
Das Stimmvolk hat mit 56,6 Prozent die Initiative «Kinder ohne Tabak» angenommen, auch die Mehrzahl der Stände sagte Ja. Das sei die erste Initiative mit Präventionscharakter, die vom Volk angenommen werde, freut sich SP-Ständerat Hans Stöckli (BE), Präsident des Initiativkomitees: «Das ist ein Meilenstein und ein Zeichen ans Parlament, wirtschaftspolitische Interessen nicht über gesundheitliche Anliegen zu stellen.» Verärgert ist hingegen Initiativgegner und SVP-Nationalrat Mike Egger (SG): Die Befürworter hätten eine «schmutzige Kampagne» geführt. Dass auch der Gegenvorschlag Kinder und Jugendliche schütze und die Tabakabgabe erst ab 18 Jahren zulasse, sei verschwiegen worden. Wie die Tamedia-Nachbefragung zeigt, stimmten nur die Anhänger von SVP und FDP gegen die Initiative. Auffällig ist, dass die Vorlage vor allem in den Städten und bei den Frauen auf grossen Anklang stiess.
Künftig wird nur noch Tabakwerbung für Erwachsene etwa mit Mailings, Prospekten oder mit gezielter Werbung im Internet oder in sozialen Medien erlaubt sein. Werbung darf für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren nicht mehr sichtbar sein. Der Bundesrat muss nun das Tabakproduktegesetz entsprechend anpassen und dem Parlament vorlegen. Innerhalb von drei Jahren müssen die Forderungen der Initiative in die Revision eingeflossen sein. Der Präsident des Schweizerischen Tabakwarenhandels, SVP-Nationalrat Gregor Rutz, spricht von erheblichen Auflagen, die etwa auf Kioskbetreiber oder Tankstellenshops zukommen. Dies habe Folgen: «Das radikale Werbeverbot wird auch Arbeitsplätze kosten.»
Ist das deutliche Ja erst der erste Schritt – was bedeutet es für die künftige Präventionspolitik?
Werden jetzt weitere Werbeverbote kommen?
Zumindest gibt es immer wieder solche Anläufe, vor allem aus dem linksgrünen Lager. Roland Ehrler, Direktor des Schweizerischen Werbe-Auftraggeberverbands, befürchtet nach dem Ja zur Tabakinitiative nun tatsächlich eine Zunahme von Vorstössen und Initiativen mit plakativen Namen wie zum Beispiel «Kinder ohne Zucker» oder «Kinder oder Fett». Mit Werbeverboten löse man jedoch keine gesellschaftlichen Probleme, gibt er zu bedenken. Dass seine Bedenken nicht unbegründet sind, zeigt eine erste Reaktion der Jungen Grünen: Sie fordern ein allgemeines Werbeverbot für Konsumgüter.
Was ist mit der Forderung, Fleischprodukte mit einem Werbeverbot zu belegen?
Das Nein-Lager setzte in seiner Abstimmungskampagne auf die Furcht vor einem Dammbruch bei Werbeverboten: «Heute Tabak, morgen Cervelat?», hiess es etwa auf Plakaten und in Inseraten. Der Fleischkonsum rückt tatsächlich verstärkt in den Fokus von Präventions- und Klimapolitikern. Selbst das Bundesamt für Landwirtschaft schlägt vor, Werbung für Aktionsangebote beim Fleisch zu verbieten. Für Kilian Baumann, Biobauer und Nationalrat der Grünen, zeigt das deutliche Ja zur Tabakinitiative, dass auch beim Fleischkonsum ein Umdenken stattfinde: «Die Drohung der Gegner mit der Cervelat hat nicht verfangen.» Er hofft, dass die Chancen für einen Massnahmenplan zur Reduktion des Fleischkonsums gestiegen sind, wie er das in einer Motion fordert. Der Nationalrat wird in der Frühlingssession erstmals über diesen parlamentarischen Vorstoss diskutieren. Bisher verfingen solche Forderungen allerdings nicht: Mehrfach verlangten linksgrüne Politiker vom Bundesrat, die jährlich mit fünf Millionen Steuerfranken betriebene «Absatzförderung» für Schweizer Fleisch einzustellen oder nur noch für Werbung für Biofleisch einzusetzen – ohne Erfolg.
Wie stark geraten Süssgetränke und zuckerhaltige Speisen unter Druck?
Werbeverbote für «ungesundes Essen» werden immer wieder gefordert. Dabei steht nicht nur der Fleisch-, sondern vor allem auch der Zuckerkonsum im Fokus. Es gab in den vergangenen Jahren immer wieder politische Vorstösse, die den Zuckerkonsum regeln wollten. Besonders SP-Nationalrätin Laurence Fehlmann Rielle (GE) stellte verschiedene Forderungen dazu auf. In ihrem jüngsten Vorstoss wollte sie vom Bundesrat wissen, was er zu tun gedenke, um Kinder besser vor Zucker zu schützen. Die Antwort des Bundesrates: «Die Gespräche mit der Industrie zur Begrenzung der an Kinder gerichteten Lebensmittelvermarktung verliefen bisher ergebnislos.» Bislang blieben alle Vorstösse zur Eindämmung des Zuckerkonsums oder der entsprechenden Werbung chancenlos. Noch weiter geht der Vorstoss der grünen Nationalrätin Meret Schneider (ZH): Sie fordert, dass sämtliche Produkte mit einem Werbebann belegt werden, die der Ernährungsstrategie des Bundes widersprechen. Wie die Tamedia-Nachbefragung zeigt, ist derzeit eine knappe Mehrheit (55 Prozent) gegen Verbote für gewisse Lebensmittel wie Süssgetränke.
Und was ist mit Schönheitsoperationen?
Immer öfter ist auch der Klimaschutz Anlass für den Ruf nach Werbeverboten: So fordern die Grünen ein Werbeverbot für Produkte und Dienstleistungen, die einen hohen CO₂-Ausstoss verursachen und grosse Auswirkungen auf das Klima haben – die Erfolgsaussichten sind allerdings minim. Auf grösseres Wohlwollen dürfte ein Vorstoss von SP-Co-Präsident Cédric Wermuth stossen, der sich eines Spezialproblems annimmt: Ihm ist aufgefallen, dass immer mehr Schönheitszentren für ihre Dienste werben, darunter auch für höchst umstrittene Eingriffe. Deshalb fordert er für Schönheitsoperationen im Genitalbereich mit einer Interpellation ein generelles oder partielles Werbeverbot.
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