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Biopic über Boris Becker
Mr. Bumm Bumm ist zurück

Bruno Alexander spielt Boris Becker in dem RTL-Film «Der Rebell - Von Leimen nach Wimbledon».
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Erinnerung an den Tennistrainer Günther Bosch, der den Tennisspieler Boris Becker gefördert und gefordert und schliesslich zum Wimbledon-Sieger 1985 gemacht hatte. Auch Bosch war damals ein Star, als Wundertäter sogar eine Art Sepp Herberger des schlägerschwingenden Gewerbes, aber kaum zwei Jahre später trennten sich die beiden, nicht gerade in Frieden. Und Bosch, 84 inzwischen, ein freundlicher, verbindlicher Mann, geboren noch im Königreich Rumänien, sah seinen Boris fortan nur noch aus der Distanz.

Erinnerung also an Günther Bosch, Neunzigerjahre, da schrieb er eine Tennis-Kolumne und hatte einen Stammplatz in den Pressezentren bei den Grossturnieren, unter Journalisten, die sich früher die Hacken abgelaufen hätten nach einem O-Ton von ihm. Aber jetzt, wo er nur noch ihr Kollege war, war er für sie nicht mehr wichtig.

Bosch trug es mit Fassung, und wenn Becker irgendwann auf einem der Bildschirme in einem der Pressezentren zu sehen war, betrachtete er ihn, interessiert und immer auch ein bisschen melancholisch. Und wenn Becker sich einen Fehler leistete, einen Doppelfehler sogar, schüttelte Bosch am Bildschirm im Presseraum sanft den Kopf. Und manchmal sagte er, unverwechselbarer Stimmklang, resigniert und nachsichtig zugleich: «Ach, Borrriss.» Becker war zwar die Nummer eins geworden, ohne Bosch. Aber vielleicht wäre er, mit Bosch, länger an Nummer eins geblieben.

Der Trainer ist der heimliche Star des Films: Günther Bosch (Samuel Finzi, r.).

Am heutigen Donnerstag kommt das lang erwartete Biopic über die frühen Karrierejahre von Boris Becker bei RTL. «Der Rebell – Von Leimen nach Wimbledon» von Hannu Salonen (Buch: Richard Kropf und Marcus Schuster) beschreibt Becker zu Zeiten seiner Idolwerdung. Wimbledonsieg 1985, Wimbledonsieg 1986, schliesslich das frühe Aus in Australien 1987 mit der anschliessenden Trennung und sicher auch Befreiung vom Trainervater.

Der Becker-Film ist zum Glück auch ein Bosch-Film geworden, das gibt ihm etwas Tiefe. Denn Samuel Finzi ist grandios als Bosch, der in den Anfangsjahren, als das Geld knapp war, mit Boris sogar in Jugendherbergen übernachtet hat. Jedes Stirnrunzeln sitzt, Finzi hat alle inneren und äusseren Besonderheiten des strengen und zugleich sanften Mannes erfasst, den er spielt. Während Mišel Matičević aus dem Tennismanager Ion Tiriac eine walrossbärtige Registrierkasse macht, eine Klischeefigur, die Summen und Vertragsabschlüsse in ein schuhkastengroßes Handtelefon bellt: «One point five million Deutschmark from Puma.» Der echte Tiriac ist als Tiriac immer noch am besten.

Dies sind die Echten: Boris Becker (l.) mit seinem Manager Ion Tiriac (Mitte) und seinem Trainer Günther Bosch.

Neues hat der Film nicht zu erzählen. Aber er belebt – und damit passt er in die aktuelle televisionäre Phase der Nostalgie – die Achtziger, die man, aus der bleiernen Corona-Gegenwart heraus betrachtet, für warm und heimelig halten mag. Obwohl zu jener Zeit auch der Reaktor in Tschernobyl in die Luft flog, zum Beispiel. Aber der Mensch ist zu Verklärungen bereit, das hält ihn am Leben. Und, was die Sporthelden angeht, kann das Publikum der Jetztzeit in der Tat wehmütig werden, dem nur noch Figuren vor Werbewänden angeboten werden, deren Persönlichkeit man gar nicht erkennt, so zugestellt sind sie von Imageberatern. Wer ist denn der Mann, der seit einem Jahrzehnt der beste Torwart des Planeten ist und sich Manuel Neuer nennt?

Tennis war Fernsehsport, Becker nahm die Fangemeinde mit auf den Platz – und später auch in verschiedene Liebesnester.

Das war noch anders, zu Beckers Zeiten, der es sich leisten konnte oder wollte, sein Innerstes auszustellen. Mal sah er aus wie Westernhagen, mal wie der junge van Gogh. Mal gab er den Womanizer, mal den Linken-Sympathisanten. Jeder in Deutschland kannte sogar die Namen seiner Eltern, Elvira und Karl-Heinz.

Zu Becker musste man sich irgendwie verhalten, und man kam ja auch oft mit ihm in Berührung. Tennis war Fernsehsport, Becker nahm die Fangemeinde mit auf den roten Sand von Paris, auf das getrimmte Gras von Wimbledon, später dann auch mit in verschiedene Liebesnester, wie das in der Boulevardpresse immer hiess. Becker war wagemutiger als die stille und zur gleichen Zeit amtierende Tenniskönigin Steffi Graf. Er war eine öffentliche Figur, deren Scheidungsschlacht mit Frau Barbara schliesslich aus Amerika nach Deutschland übertragen wurde.

König des Boulevards: Boris Becker (Bruno Alexander), Fabienne (Jeanne Goursaud) und Günther Bosch (Samuel Finzi).

So jemandem gab es in Deutschland, wenigstens im Sport, davor nicht und danach erst recht nicht mehr. Das Exzentrische ist angelegt schon im jungen Boris, der im Biopic von Bruno Alexander verkörpert wird, mit Beckerfaust und Becker-Hecht sowie mit der beim Aufschlag im Mundwinkel ruhenden Zungenspitze. Das Bewegungstechnische passt alles 1:1 im Film. Aber der Rebell, zu dem Becker hier schon im Filmtitel hochgejazzt wird, der Systemsprenger geradezu – das war bei Becker doch eher Pose.

Die Hafenstrassenromantik damals war ja auch schnell verflogen. Tatsächliche Revoluzzer bieten spannenderes Material für ein Biopic. Im Film «Borg/McEnroe» ist Shia LaBeouf der unangepasste, hinterfragende Rebell John McEnroe, in «The Damned United» ist Michael Sheen der brennend und verbrennend ehrgeizige Trainer Brian Clough. Aber das sind auch schon ältere Männer.

Der junge Becker auf RTL spricht mitunter mit vollem Mund oder fummelt Eiswürfel aus dem Glas, das illustriert dann sein behauptetes Revoluzzertum. Und an anderer Stelle sagt eine Frau, die ihn zum ersten Mal spielen sieht: «Tennis is such a boring sport, but this guy is so exciting.»

Der Film ist auch ein Musical

So war’s nun aber nicht. Martina Navratilova und Chris Evert und Tracy Austin und Borg und Connors und Gerulaitis waren Stars, lange bevor Mr. Bumm Bumm auftauchte. So ist der Film vor allem eine gut konsumierbare Sentimental Journey, die leider komplett zugepflastert wird mit der erwartbaren Playlist jener Jahre. Da wird der Film zum Musical, denn sobald ein wichtiges Spiel gewonnen wird, bettet sich «Heroes» von Bowie über die Szenerie, auch «The Way It Is» von Bruce Hornsby und «Runaway» von Bon Jovi lassen sich themenbezogen jederzeit einbauen.

Selbst als Günther Bosch, der heimliche Star dieses Films, nach der Trennung von Becker heimkehrt zu Frau und Tochter, legen sie natürlich Lionel Richies «Hello» drüber, und das ist dann doch alles sehr pathetisch. Und wird der Würde und auch Tragik der Geschichte nicht gerecht. Denn Becker und Bosch, zwei echte Helden ihrer Zeit, haben sich seitdem nichts mehr zu sagen.

«Der Rebell – Von Leimen nach Wimbledon», Donnerstag, RTL, 20.15 Uhr, online auf RTL+