Nasa-Seismograf Insight«Monsterbeben» auf dem Mars stellt Astronomen vor Rätsel
Die Nasa hat das heftigste Beben auf einem fremden Planeten registriert – offenbar kurz bevor die Sonde Insight den Geist aufgab. Was das Beben auslöste, ist noch völlig unklar.
Die US-Raumfahrtbehörde Nasa hat das heftigste Beben verkündet, das je auf einem fremden Planeten registriert wurde, und titelt dazu: «Insight zeichnet Monsterbeben auf dem Mars auf». Insight ist ein stationäres Landemodul, das mit einem Seismografen ausgestattet ist und seit Dezember 2018 auf genau diesen Moment gewartet hat: das grosse Marsbeben.
Zuvor hatte Insight zwar schon über 1300-mal ein Schütteln registriert, bis zur Magnitude 4,2 wurde das bis jetzt heftigste auf der Richterskala geschätzt. Nun soll es aber ein Wert über 5 sein, wobei ein Erdbeben der Stufe 5 zehnmal so stark ist wie eines der Stufe 4 – so ist die Skala aufgebaut.
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Die Astronomen, die auf das grosse Marsbeben gewartet haben, sind derzeit ausser sich vor Freude über die Daten, die sie nun erhalten haben. Noch ist nicht klar, wo der Ursprung liegt, was der Auslöser war oder was für Schlüsse daraus gezogen werden können, doch die Fachleute erhoffen sich eine Menge. Insight wurde genau dafür auf den Mars geschickt, denn anhand der Aufzeichnungen der seismischen Wellen kann das internationale Team den Mars besser studieren und verstehen, vom Kern bis zur Hülle.
Ein Beben der Stufe 5 ist auf der Erde keine Seltenheit und wird als mittleres Beben verbucht. Auf dem Mars entspricht dies aber dem Maximum, das die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich erhofft haben. Und es war eine «echte Überraschung», sie haben nach der Wartezeit eigentlich nicht mehr erwartet, dass Insight ein solches «Monsterbeben» noch aufzeichnet. Zumal das Landemodul zunehmend in Gefahr geriet, nicht mehr durchgehend zu funktionieren.
Grund dafür ist Staub auf den Solarkollektoren. Dieser sammelt sich bei allen Marsmissionen über die Zeit an, wobei die Wirksamkeit der Sonnenmodule zunehmend nachlässt. Bei Insight hoffte man auf zwei Jahre Betrieb, nun hat der Lander weit mehr als drei Jahre geschafft. Das verdankt die Nasa einem neu entdeckten Phänomen: Wenn Sand auf die Solarkollektoren gerät und dieser dann runterrutscht, nimmt er auch gleich den Staub mit, wenigstens teilweise. So können die Module mit dem Sand quasi gesäubert werden, wie Seismologe Simon Stähler von der ETH Zürich im Interview mit «Spiegel Online» erklärt. An anderen Orten räumen heftige Winde den Staub weg, Insight wurde aber bewusst an einem Ort platziert, wo es wenig Wind gibt, damit die Sensoren alle Marsbeben korrekt registrieren können.
Ein eingebautes Putzsystem wäre zwar auf den ersten Blick logisch, sagt Stähler weiter, aber bringe wiederum technische Unwägbarkeiten mit sich. Im schlimmsten Fall könnten sich bei der Landung der Sonde oder beim automatischen Aufklappen Teile lösen oder verkeilen und damit die Solarkollektoren ganz blockieren. Das wäre dann wesentlich schlimmer als ein Lebensende des Landers nach einigen Jahren, weshalb aufgrund der Risikoabwägung auf solche Putzsysteme verzichtet wird.
Der Lander ist eigentlich noch bis Dezember 2022 auf seiner verlängerten Mission im Einsatz, momentan ist er aber im Schlafmodus. Da derzeit viel Staub in der Luft ist und die Sonneneinstrahlung blockiert, hat sich Insight in diesen Sicherheitsmodus versetzt, aus dem er aber wieder aufwachen kann, wenn die Solarkollektoren genug Energie eingesammelt haben. Denn vom «Monsterbeben» fehlen noch Daten, wie ETH-Seismologe Stähler sagt. Der Lander fuhr nur zwei Tage nach dem Beben runter, somit hatte man einerseits Glück, dass das Grossereignis nach 1200 Tagen Wartezeit gerade noch aufgezeichnet und übermittelt wurde, aber auch etwas Pech, dass weitere Informationen vorerst auf dem Mars feststecken.
Wie das «Monsterbeben» genau entstand, kann Stähler ohnehin noch nicht sagen. Er gehört zum internationalen Insight-Team, das die Daten nun auswertet, was noch einige Zeit dauern wird. Die Nasa schreibt sogar, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Informationen noch jahrelang analysieren könnten.
Bereits klar ist, dass eine andere Erklärung als auf unserem Planeten benötigt wird. Denn anders als die Erde habe der Mars keine tektonischen Platten, die sich verschieben und so Beben auslösen können, erklärt Stähler. Die bisherigen kleineren Beben seien wahrscheinlich von vulkanischen Aktivitäten ausgelöst worden. «Wir wissen noch nicht, was das aktuelle Ereignis im Detail ausgelöst hat, und stehen vor einem Rätsel», sagt Stähler im «Spiegel»-Interview. So gingen die Stösse auch von einem Ort aus, wo das Team noch keine Beben beobachtet habe. Und die Wellen liefen neun Stunden lang um den Planeten, was auf der Erde nicht ungewöhnlich sei, auf dem Mars habe man das aber noch nie beobachtet.
Möglich wäre, dass die Aufzeichnung aber gar nicht im eigentlichen Sinn ein Marsbeben war, sondern von einem Gegenstand aus dem All ausgelöst wurde, beispielsweise einem Meteorit, der auf die Oberfläche krachte. Dafür habe man noch keine Beweise, es werde aber ebenfalls untersucht, sagt Stähler. So oder so liefern die seismischen Wellen wertvolle Daten, wie bereits die Stösse zuvor. So kann Stähler bereits sagen, dass Erdkern und Marskern sich sehr ähnlich sind, über dem Kern aus flüssigem Eisen liegt ein Mantel aus Silikatgestein, und die Kruste ist aus Basalt. Der Marskern erzeuge aber kein magnetisches Feld, erklärt Stähler, weshalb er der Strahlung aus dem All viel stärker ausgesetzt sei.
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