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Urban Gardening
Diese Schweizerin macht Monacos Dächer grün

Kam als Model nach Monaco – und blieb, um zu gärtnern: Jessica Sbaraglia.
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In Kürze:
  • Jessica Sbaraglia aus Basel lebt in Monaco und verwandelt dort Dächer von Hochhäusern in grüne Oasen.
  • Ihr Projekt kam in Schwung, als sich Fürst Albert für sie einsetzte.
  • Ihre Gärten liefern Gourmetrestaurants pestizidfreies Gemüse.
  • Sbaraglia plant nun auch urbane Dachgärten ausserhalb Monacos, etwa in Nizza und Brüssel.

Es sind ungewöhnliche Geräusche, die da aus dem Nichts kommen. Ein Rascheln, ein Gackern, ein Krähen. Eindeutig Bauernhof. Aber wo bitte soll der denn sein hier in Monaco, wo jeder Quadratmeter verbaut ist und höchstens Hochhäuser aus dem Boden wachsen? Aber gerade dort auf einem Zwischendach des höchsten Gebäudes des Stadtstaats, der Tour Odéon – 49 Stockwerk hoch und zehn Stockwerke tief –, liegt ganz versteckt das grüne Reich von Jessica Sbaraglia und ihren Hühnern.

125 Stufen führen hinauf ins Paradies der gebürtigen Schweizerin. Statt eines Holzzauns grenzen es die Häuser des Stadtteils La Rousse ein, die sich in Monaco wie Bauklötze vor der Küste hochstapeln. Bis auf eine Handvoll kleiner Parks verwandelte sich unter Fürst Rainier III. ab Mitte der 1950er-Jahre das beschauliche Fürstentum in ein Manhattan am Mittelmeer.

Monacos Stadtlandschaft mit dicht besiedelten Wohnhäusern und Hochhäusern am Berghang.

Noch heute entstehen immer wieder neue Stadtteile, weil die Ingenieurskunst es möglich macht, dem Meer Land abzutrotzen. Darauf spriessen dann wieder neue Hochhäuser. Der Quadratmeterpreis einer Wohnung: ab umgerechnet knapp 43’000 Franken. Trotzdem ist der Hunger nach einer Adresse in Monaco gross und Geld dafür offenbar vorhanden. Der Stadtstaat ist beliebt bei Millionären, Einkommenssteuern kennt man hier nicht.

Trostlose Dächer von Monaco als Inspiration

Und wie kam nun Jessica Sbaraglia hierher? Ganz einfach: Sie hatte als Model gearbeitet und war ihrem Freund nach Monaco gefolgt. Eines Tages fielen ihr die trostlosen Betonflachdächer der Stadt auf. Also begann sie, auf dem Minibalkon ihrer Wohnung Blumen zu pflanzen – und bald auch Gemüse. «Mir schmeckte das Grünzeug einfach nicht, das ich im Supermarkt bekam», erzählt die heute 35-Jährige, «und ich erinnerte mich an das wunderbare Aroma der Rüebli, Gurken und Tomaten aus dem Garten meiner Eltern, die in der Nähe von Basel wohnten.»

Als Kind hatte sie ihnen bei der Gartenarbeit zugesehen und auch das eine oder andere selbst gepflanzt und geerntet. «Das hat mir damals schon Freude gemacht», erinnert sie sich. So sei ihr irgendwann der Gedanke gekommen: «Wie wundervoll wäre es, wenn man auf den grauen Dächern Monacos Blumen und Gemüse anpflanzen würde!»

Zwei moderne Hochhäuser vor einem bewachsenen Garten und klarem Himmel.
Eine Frau in einem grünen Hemd füttert Hühner hinter einem Zaun in einem städtischen Garten.

Die grosse Chance kam auf einem Event, wo Jessica Sbaraglia Albert II. begegnete. So viel Mut traut man der zierlichen blonden Frau gar nicht zu, aber sie sprach den Fürsten direkt an und erzählte von ihrem Plan. Der war sofort begeistert und bot ihr an, ein Stück des Grundstücks zu bepflanzen, auf dem seine Stiftung steht. 30 Quadratmeter. Aber immerhin.

Fürst Albert förderte das Projekt von Beginn an

Ein Startschuss mit ungeheurer Wirkungskraft: Plötzlich standen Jessica Sbaraglia alle Türen offen. Heute hat sie drei Angestellte, mit denen sie fünf monegassische Gärten in Permakultur bearbeitet. Ihr Arbeitsplatz liegt hoch über den Dächern von Monaco mit der besten Aussicht auf die Stadt, das Meer, die Berge, die gleich nördlich der Landesgrenze beginnen.

Ein Mann im Anzug überreicht eine Kiste mit Gemüse an eine Frau in grüner Kleidung bei einer Outdoor-Veranstaltung.

Das Gemüse, das Obst, die Kräuter, die Eier, den Honig – das alles reissen ihr die Bewohner der angrenzenden Hochhäuser quasi aus den Händen. «Ich könnte fünfmal so viel verkaufen, wie ich produziere», freut sich die Frau mit dem grünen Daumen im grünen Poloshirt. Damit bringt sie nicht nur Farbe in die Betonwüste des Fürstentums. Ihre Gärten, die voll von lebender Vielfalt sind, kühlen und verbessern auch die schadstoffbelastete Luft.

Und: Die vier Tonnen pestizidfreies Gemüse, die sie jährlich hervorbringt, bereichern nicht zuletzt die Speisekarten der Gourmetrestaurants in Monaco. Die ordern rege bei ihr. Vor allem die alten Sorten sind begehrt, die hier im milden Klima der französischen Riviera prächtig gedeihen. Für den aus Martinique stammenden «Michelin»-Sternekoch Marcel Ravin hat Jessica Sbaraglia sogar einen kleinen Gemüsegarten direkt neben seinem Restaurant angelegt: «Da sind es keine fünf Schritte bis zum Kochtopf.»

Hand pflückt rote und grüne Chilischoten von einem Strauch.

Aber das reicht Jessica Sbaraglia nicht. Ihr grünes Modell soll Schule machen: Sie geht in die Klassen und holt die monegassischen Kinder in ihr artenreiches Stadtparadies, erklärt den Kreislauf von Hühnermist als Dünger, die Leistung der Bienen als Bestäuber. Und sie animiert sie dazu, selbst aktiv zu werden. Damit sie eines Tages vielleicht auch ein Teil der grünen Revolution werden.

Jessica Sbaraglia will nicht nur Monacos Dächer bepflanzen

Wer mit Jessica Sbaraglia durch ihren Biogarten geht, spürt ihre Begeisterung. «Schau mal, dieser Warzenkürbis. Der trägt seinen Namen doch völlig zu Recht, oder?», fragt sie und hält die dicke, blassgelbe Frucht mit den knotigen Flecken hoch. Dann pflückt sie eine zierliche, rote Blüte von einem voluminösen Strauch: «Probier mal!» Beim Kauen fällt auf: Die Blüte schmeckt süss und fruchtig, würzig und ein bisschen scharf. «Die meisten wissen gar nicht, dass viele Blüten essbar sind.»

Gruppe von Kindern und Erwachsenen arbeitet in einem Gemeinschaftsgarten vor modernen Gebäuden.

Zwischen den Hochbeeten, in denen Auberginen, Gurken, winzig kleine Tomaten und höllisch scharfer Chili wachsen, und dem grosszügigen Gehege, wo Hühner aus zwölf verschiedenen Rassen leben, vergisst man schnell, dass man sich gerade im dichtestbesiedelten Land der Welt befindet – und im reichsten.

Nirgendwo sonst ist die Millionärsdichte höher als im Fürstentum. In den Häfen liegen die Luxusjachten dicht an dicht, und einmal im Jahr düsen Formel-1-Boliden beim Grossen Preis von Monaco durch die Strassen. Das alles scheint hier oben weit weg zu sein.

Frau in einem Gemüsegarten, die Paprikapflanzen pflegt, mit grünem Laub und roten Früchten.

Apropos weit weg: Jessica Sbaraglia wird die engen Grenzen von Monaco bald überqueren, um ihre Idee von nachhaltiger Landwirtschaft in die Welt zu tragen. Demnächst wird sie in Nizza acht Dachgärten anlegen, die alle mit Brücken miteinander verbunden sind. «Und dann wurde ich gefragt, ob ich in der Nähe von Brüssel die Dachfläche einer grossen Shoppingmall in einen Garten verwandeln will», verrät sie.

Auf ein weiteres Projekt freut sie sich besonders: Ein Schlossdach im Jura wird sie in die Schweiz zurückbringen. Auch das wird sich unter ihren Händen in eine Oase verwandeln. Und wer weiss, wo ihre Idee einer dachgartenbegrünten Stadt noch weitere Früchte trägt?

Mehr erfahren: terrae.green