Politiker in der Corona-KriseMit schlechtem Beispiel voran
Die Bevölkerung soll strenge Vorschriften befolgen, um die Pandemie zu bremsen. Manche Politikerinnen und Politiker aber geben so gar kein gutes Vorbild ab – nicht nur Donald Trump.
Donald Trump (USA)
Wird schon gut gehen - immerhin ist er ja der wahre Donald Trump, Präsident der Vereinigten Staaten. Gegen das Coronavirus nimmt Trump nach eigenen Angaben vorbeugend ein Malaria-Medikament. Das Mittel Hydroxychloroquin wirkt unter anderem antiviral, ob es zur Behandlung oder Vorbeugung von Covid-19 taugt, ist allerdings nicht belegt, bisherige Studienergebnisse sind vorläufig und umstritten. Trump und Sean Conley, Arzt des Weissen Hauses, haben trotzdem beschlossen, dass der Präsident das Mittel trotz seiner möglichen Nebenwirkungen (wie etwa Magen- und Darmbeschwerden oder Verwirrtheit) nimmt. Und während er der Bevölkerung rät, einen Mundschutz zu tragen, verzichtet Trump selbst weiterhin darauf. Auch während der Besichtigung einer Fabrik zur Herstellung von Masken in Phoenix: Statt eine Maske setzte er eine Schutzbrille auf.
(Markus C. Schulte von Drach)
Sebastian Kurz (Österreich)
Als Sebastian Kurz sich am 14. Mai aufmachte von der Haupstadt ins Kleinwalsertal, da sollte Leichtigkeit mit dabei sein. Es war die erste Reise des österreichischen Kanzlers nach zehn Wochen Wiener Krisenarbeit im Kampf gegen das Coronavirus. Der Ausflug in Österreichs fernen Westen sollte auch als Signal verstanden werden, dass die schweren Zeiten wieder leichter werden. Kurz verzichtete dabei auf einen Mund-Nasen-Schutz und appellierte mehrmals über Mikrofon an die Bevölkerung, gebührend Abstand zu bewahren. Das ging daneben - und die Opposition erwägt nun eine Anzeige gegen den Kanzler.
(Kathrin Steinbichler)
Michael Gove und Robert Jenrick (Großbritannien)
Noch am Morgen des 7. April hatte Kabinettsminister Michael Gove (Bild) Interviews zur Covid-19-Infektion von Premier Boris Johnson gegeben. Kurz darauf musste er in die Selbstisolation, weil seine Tochter, wie er erklärte, Symptome zeige. Wenige Tage später schon wurde Gove, der den Briten geraten hatte, in der Krise ja nicht mehr als eine halbe Stunde am Tag joggen zu gehen, beim Joggen fotografiert. Er wehrte sich: Seine Tochter sei mittlerweile getestet - und nicht infiziert. Die Briten waren trotzdem pikiert.
Pikiert waren sie auch über die Visite von Wohnungsbaustaatssekretär Robert Jenrick, der mit dem Auto 50 Kilometer zu seinen Eltern gefahren war, um ihnen Lebensmittel und Medikamente zu bringen. Er hatte die Öffentlichkeit vorher ermahnt, jede nicht absolut nötige Autofahrt zu vermeiden.
(Cathrin Kahlweit, London)
Michael Kretschmer (Deutschland)
Kein Mundschutz und mitten im Gedränge: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU; grüne Jacke), diskutiert im Grossen Garten in Dresden mit Teilnehmern einer Demonstration - genauer gesagt mit Anhängern von Verschwörungstheorien zur Corona-Krise. Vergeblich bat der Politiker, auf die Abstandsregel zu achten, wollte aber das Gespräch mit den Protestierenden nicht beenden. Später erklärte er, die Demonstrierenden hätten es abgelehnt, mit ihm zu sprechen, wenn er eine Maske trüge. «Wenn ich mich dabei anstecke, dann ist das mein eigener Fehler», sagte Kretschmer. «Aber dann trage ich das.» Gegen den Politiker, der die Massnahmen sonst durchaus ernst nimmt, läuft nun eine Anzeige wegen eines Verstosses gegen das Infektionsschutzgesetz.
(Markus C. Schulte von Drach)
Jens Spahn und Volker Bouffier (Deutschland)
Ausgerechnet Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU, ganz links), der sich während der Corona-Krise so sehr für strenge Massnahmen einsetzt ... Bei einem Besuch der Uniklinik Giessen vergassen er und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU, Mitte, weitgehend verdeckt) offenbar völlig die Abstandsregel. Sie zwängten sich geradezu mit weiteren Personen in einen Fahrstuhl. Immerhin trugen alle brav Schutzmasken. Aber hätten einige nicht einen anderen Aufzug nehmen können - oder die Treppe?
(Markus C. Schulte von Drach)
Jaroslaw Kaczynski (Polen)
Die Polen sind mit Ausgangsbeschränkungen in der Corona-Krise nicht zimperlich: Parks und Boulevards, selbst Wälder und Friedhöfe sind für die Öffentlichkeit geschlossen. Auch am Friedhof Stare Powązki im Westen Warschaus hängt am geschlossenen Eingang ein Schild, das den Zutritt verbietet. Was dem Esel verboten ist, ist dem Jupiter freilich erlaubt: Jaroslaw Kaczynski, Chef der Regierungspartei «Recht und Gerechtigkeit» (PiS) und Polens faktischer Regierungschef liess sich die Tore öffnen und fuhr gleich mit zwei Autos auf den Friedhof, auf dem seine Mutter beerdigt ist. Einmal unterwegs, besuchte Kaczynski gleich noch drei weitere Friedhöfe. Ebenso wenig scherte sich Kaczynski um das für Polen gewöhnlich geltende Verbot von Treffen von mehr als zwei Personen: Am Warschauer Pilsudski-Platz versammelte er die Spitzen von Regierung und Partei zum Gedenken an seinen vor zehn Jahren bei einem Flugzeugabsturz im russischen Smolensk gestorbenen Zwillingsbruder Lech. Ein Oppositionspolitiker zeigte ihn beim Staatsanwalt an, doch Kaczynski dürfte weiter ruhig schlafen: Polens Generalstaatsanwalt ist auch Justizminister und Mitglied seiner Regierung.
(Florian Hassel, Warschau)
Jair Bolsonaro (Brasilien)
Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro bezeichnet das Virus gerne öffentlich als «Grippchen». Eine landesweite Ausgangssperre lehnt er ab, genauso wie Geschäfts- und Schulschliessungen. Eigentlich stand der rechtsextreme Politiker sogar schon unter Quarantäne, weil er Kontakt mit Infizierten hatte - enge Mitarbeiter von ihm waren positiv getestet worden. Stattdessen aber verkündete Bolsonaro, sein Test sei negativ ausgefallen, schüttelte die Hände von Anhängern und schoss Selfies mit ihnen vor dem Präsidentenpalast. Seinen bisherigen Gesundheitsminister Luiz Henrique Mandetta, der die Brasilianer aufgefordert hat, räumliche Distanz zu halten, hat Bolsonaro nun gefeuert. Sein Nachfolger ist der Onkologe Nelson Teich, der bereits angekündigt hat, dass es keine radikale Veränderung in der bisherigen Corona-Politik der Regierung geben werde.
(Christoph Gurk, Buenos Aires)
Catherine Calderwood (Schottland)
Ausgerechnet die oberste Gesundheitsexpertin der schottischen Regierung, Catherine Calderwood, ist jüngst zurückgetreten, weil sie sich nicht an die Ausgangsbeschränkungen gehalten hat. Dabei hatte sie zuvor die Massnahmen der Regierung öffentlich regelmässig erklärt und verteidigt.
Die Medizinerin war an zwei Wochenenden mit ihrer Familie zu ihrem Landhaus in Fife gefahren - und dort schliesslich von der Polizei auf den Verstoss gegen die Regeln aufmerksam gemacht worden. Nachdem die Scottish Sun Fotos von ihr veröffentlicht hatte, die sie an der Küste zeigten, entschuldigte sie sich und trat zurück.
(Markus C. Schulte von Drach)
Wladimir Putin (Russland)
Als Wladimir Putin am 24. März das wichtigste Krankenhaus für Covid-19-Patienten, die auf Infektionskrankheiten spezialisierte Klinik im Moskauer Stadtteil Kommunarka, besuchte, ging der russische Präsident auf Nummer sicher - zumindest anfänglich. Mit dem Schutzanzug wirkte er, als wollte er sich gegen Ebola wappnen. Dann allerdings schüttelte er dem Chefarzt Dennis Prozenko die blosse Hand. Und der war zu dieser Zeit wohl schon Träger des Coronavirus, wie ein Test bald darauf zeigte. Prozenko isolierte sich danach in seinem Büro und wurde in der eigenen Klinik behandelt. Ihm geht es gut. Putin, der nun regelmässig getestet wird, verzichtet inzwischen darauf, weitere Hände zu schütteln.
(Markus C. Schulte von Drach)
Pedro Sánchez und Pablo Iglesias (Spanien)
Hier machen sie es halbwegs richtig: Abstand halten Spaniens Premierminister Pedro Sánchez (links) und sein Vize Pablo Iglesias im Parlament in Madrid, um das Übertragungsrisiko für Coronaviren zu minimieren. Als Vorbilder taugen sie jedoch beide nicht: Iglesias, der Mann mit dem Pferdeschwanz, war der erste prominente Regelbrecher in Spanien. Nachdem bekannt geworden war, dass seine Lebensgefährtin Irene Montero, Ministerin für Gleichstellung, sich auf einer Massenkundgebung am 8. März, dem Internationalen Frauentag, mit dem Virus angesteckt hatte, nahm er weiterhin an der Kabinettssitzung teil und diverse Termine wahr, wobei er die Gesprächsteilnehmer mit Handschlag begrüsste. Iglesias und Montero hatten entgegen den Empfehlungen von Gesundheitsexperten die Genehmigung für die Kundgebungen am 8. März forciert, die Gleichstellung von Frauen ist eines ihrer zentralen Projekte in der Regierung. Unter den Experten gilt als verbürgt, dass diese Kundgebungen - allein in Madrid haben, dicht an dicht, 120’000 Personen teilgenommen - ein Brandbeschleuniger für die Verbreitung des Virus waren. Pedro Sánchez hat es nicht viel besser gemacht: Er besuchte im März eine Fabrik für Atemschutzgeräte, obwohl seine Frau positiv getestet worden war.
(Thomas Urban, Madrid)
Benjamin Netanjahu, Reuven Rivlin und andere (Israel)
Den anderen die strikten Regeln auferlegen, sich selbst aber nicht daran halten - diesen Vorwurf müssen sich gleich mehrere israelische Politiker gefallen lassen. Obwohl Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (Bild) und Präsident Reuven Rivlin die Bürger aufgefordert hatten, die absoluten Ausgangssperren einzuhalten und diesmal ohne die nicht im eigenen Haushalt lebenden Familienmitglieder das Pessachfest zu feiern, verstiessen sie selbst gegen die strikten Massnahmen. Rivlin feierte den Auftakt von Pessach mit seiner Tochter, Netanjahu mit beiden Söhnen, von denen einer nicht unter seinem Dach lebt. Noch dazu befand sich Netanjahu in Quarantäne, weil zuvor Gesundheitsminister Jaakov Litzman positiv getestet wurde - der streng religiöse Litzman war trotz Verbots weiter in die Synagoge gegangen. Während sich Rivlin entschuldigte, gab es von Netanjahu keine Stellungnahme. Rivlin postete am Ende von Pessach ein Foto, das ihn im Videochat mit Familienmitgliedern zeigt. Israelische Medien berichteten auch von Verstössen des für Diaspora zuständigen Ministers Joav Gallant and Ex-Verteidigungsminister Avigor Lieberman.
(Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv)
Shinzo und Akie Abe (Japan)
Japans Premierminister Shinzo Abe und seine Ehefrau Akie haben in der Coronavirus-Krise Mühe, ein gutes Beispiel zu geben. Das Twitter-Video, mit dem der rechtskonservative Regierungschef Abe für das Daheimbleiben warb, zeigt ihn als gelangweilten Herrn, der unentschlossen im Fernsehprogramm herumzappt. Und nach seiner Mahnung, von unnötigen Reisen abzusehen, tat die First Lady genau das Gegenteil. Wie die Zeitschrift Shukan Bunshun enthüllte, unternahm Akie Abe am 15. März eine private Reise nach Oita zu einem Shinto-Ritual mit 50 Leuten. Immerhin, man darf davon ausgehen, dass sie einen schönen Tag in der Menge hatte.
(Thomas Hahn, Tokio)
David Clark (Neuseeland)
Als äusserst schlechtes Vorbild hat sich ausgerechnet Neuseelands Gesundheitsminister gezeigt - der sich selbst deshalb als «Idiot» bezeichnete. David Clark hat gegen die strengen Ausgangsbeschränkungen verstossen, indem er seine Familie an einen Strand gefahren hat, obwohl nur dringend notwendige Fahrten stattfinden sollen. Darüber hinaus wurde er dabei beobachtet, wie er zwei Kilometer von seinem Haus entfernt eine Mountainbike-Tour unternahm - die Neuseeländer sollen aber sportliche Aktivitäten nur in unmittebarer Umgebung ihres Hauses unternehmen. Clark bot Regierungschefin Jacinda Ardern seinen Rücktritt an. Die lehnte ab - Clark kam mit einer Art Degradierung davon.
(Markus C. Schulte von Drach)
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