Ferienprofis persönlich (10)Mit Lok und Mountainbike durch die Natur
Das Herz von Francesco Lanfranchi aus Poschiavo schlägt für seine Heimat. Als Lokführer fährt er am liebsten über den Berninapass nach Süden. Privat hilft er, das Puschlav für Biker weiterzuerschliessen.
Francesco Lanfranchi sitzt allein im Führerstand. Routiniert dirigiert er die Lokomotive durch die Landschaft und studiert Täler und Berge immer wieder neu, obwohl Graubünden ihm längst vertraut ist. Er ist fasziniert von der Natur des grössten Schweizer Kantons. Je nach Jahreszeit malt er sich in Gedanken die nächste Skitour aus oder überlegt, wo er einen weiteren spannenden Mountainbike-Trail finden könnte. Francesco Lanfranchi ist Lokführer bei der Rhätischen Bahn. Vom Bahndepot in Samedan aus bedienen er und seine Kollegen ausser der Arosa-Strecke das ganze RhB-Netz, etwa die Linien nach Landquart, Davos oder bis ins Veltlin. «Das bietet uns viel Abwechslung», sagt der 28-Jährige, der im ersten Beruf Forstwart war.
Nach der Ausbildung führte ihn sein Weg zur Bahn, wo er als Gleismonteur arbeitete. Dabei erwachte sein Interesse für den Lokführerjob und er liess sich entsprechend ausbilden. Der einzige Wermutstropfen war, dass Francesco dafür Poschiavo verlassen und nach Samedan ziehen musste. Vielleicht hat dieser Umstand die Verbundenheit mit seinem Heimatort noch verstärkt, zu dem er eine intensive Beziehung pflegt. Auch seine Arbeit führt ihn regelmässig ins Puschlav – einer der Gründe, warum der junge Mann am liebsten auf der Berninalinie unterwegs ist. «Das ist für mich die schönste Strecke mit der besten Aussicht», schwärmt er. Von St. Moritz aus führt sie durchs Hochgebirge, vorbei an Gletschern und stattlichen Dörfern wie Pontresina oder Poschiavo . Der Zug bewältigt dabei bis zu 70 Promille Steigung, um auf 2253 Meter über Meer die Bernina-Passhöhe zu erreichen. Anschliessend gehts hinunter nach Tirano in Italien, wo auf 400 Meter über Meer Palmen wachsen.
Lieblingstrails liegen im Puschlav
Der Lokführer arbeitet im Schichtdienst von 4 Uhr am Morgen bis mittags oder ab 15 Uhr bis Mitternacht. Das gefällt ihm, denn so bleibt viel Freizeit für das, was er am liebsten tut: in der Natur zu sein. Solange Schnee liegt ist er auf den Tourenski, ansonsten auf dem Mountainbike. Fast täglich ist Francesco jetzt auf zwei Rädern unterwegs, allein, mit Freundin oder Kollegen. «Schöne Bikestrecken gibt es überall in Graubünden, aber meine Lieblingstrails befinden sich im Puschlav», offenbart der Outdoor-Enthusiast.
Im Rahmen von Vivabike, einer Vereinigung Gleichgesinnter, in der er aktiv engagiert ist, habe man alte, fast vergessene zugewucherte Wald- und Wanderwege aufgespürt, geputzt und wieder zugänglich gemacht, berichtet er. Diese Wege führen von Maiensäss-Siedlungen ins Tal und wurden früher benutzt, um Heu und Holz zu holen. Die meisten Pfade sind ziemlich steil und haben die Form eines Kanals oder einer Bobbahn. Das sei sehr speziell und einzigartig, findet der Mountainbiker, der natürliche Trails den künstlich angelegten vorzieht. Francesco Lanfranchi freut sich, dass Val Poschiavo Turismo derlei Aktivitäten fördert und unterstützt. So konnten die Trails mit GPS getrackt werden und sind über die Website der Tourismusorganisation zugänglich. Auch sonst arbeitet man eng zusammen, sagt Lanfranchi. Ehrenamtlich stehen die einheimischen Mountainbiker für Tipps zur Verfügung und begleiten auch gern mal eine Tour mit Gästen.
Viel mehr Velofahrer unterwegs
Die Trailbauwoche, die seit drei Jahren durchgeführt wird, ist für Francesco ein Highlight der Saison. Nach offizieller Ausschreibung im Herbst werden im Frühjahr ein Dutzend Bikefreunde nach Poschiavo eingeladen. Während einer Woche widmet man sich am Vormittag der Pflege der lokalen Trails, am Nachmittag geht man gemeinsam biken und feiert zum Abschluss am Wochenende das Vivabike-Festival. Wegen Corona fiel dieses Jahr zwar das Festival aus, doch dank der Wahrung von Abstand und Hygiene war das Trailbau- und Bikeerlebnis möglich.
«Wir hatten in den letzten Monaten wirklich viel Tourismus hier», resümiert der Lokführer. «Mir fiel auf, dass nach der vorzeitigen Schliessung der Skigebiete viel mehr Velofahrer unterwegs waren als sonst. Wir haben genug Platz,und die Wanderwege stehen Fussgängern wie Bikern zur Verfügung.» Und er betont, wie wichtig gegenseitiger Respekt sei.
Wenn Francesco nicht in der Lok oder im Sattel sitzt, steht er gern am Herd. Dort bereitet er mit Vorliebe Capunet zu. Diese Spinatspätzli sind eine Spezialität aus dem Puschlav. «Das Kulinarische gehört dazu. Biken ist nur ein Teil des Ganzen», erklärt Francesco seine Philosophie. «Für mich ist dieser Sport untrennbar verbunden mit der Natur, dem Zusammensein mit Kollegen und der Tradition in den Dörfern. Überdies lernt man neue Leute kennen.» Und so folgert er: «Das Biken sehe ich als Methode, die Besonderheiten der Region mit allen Sinnen zu erleben».
Weitere Informationen unter: www.vivabike.ch und www.valposchiavo.ch
Dieser Beitrag ist Teil einer Serie in Zusammenarbeit mit PrimCom. Die redaktionelle Verantwortung liegt bei Tamedia.
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