Attraktion im Handball-FinalMit einem 40-jährigen Torjäger steht Pfadi kurz vor dem Triumph
Die Handballer von Pfadi Winterthur brauchen noch einen Sieg zum ersten Meistertitel seit 17 Jahren. Zu verdanken haben sie das auch einem Altmeister aus Belgrad.
Die Gegner spürten früh, was ihnen wegen Rastko Stojkovic blühen könnte. «Der 40-Jährige macht euch noch zum Meister.» Andy Dittert, Sportchef von St. Otmar St. Gallen, sagte es am 21. März nach der Heimniederlage in Richtung Pfadi Winterthur.
Genau zwei Monate war Stojkovic da in der Schweiz – der Kreisläufer hatte bereits deutliche Spuren hinterlassen. Mittlerweile sieht seine NLA-Bilanz so aus: 18 Spiele, 117 Tore, 17 Siege, 1 Niederlage. Er spielt wie ein MVP der Liga.
Seine Winterthurer, Nummer 1 der Regular Season, gewannen im Playoff alle acht Einsätze – zuletzt zweimal gegen die Kadetten Schaffhausen, gegen die sie in der Vergangenheit vier Finals 0:3 verloren hatten. Jetzt führen sie in der Best-of-5-Serie nach zwei dominanten Auftritten 2:0 und könnten diesen Donnerstag mit einem Heimsieg ihren ersten Meistertitel seit 2004 feiern – den grössten Erfolg in der 14-jährigen Ära von Trainer Adrian Brüngger, der den Job Ende Saison an Goran Cvetkovic weitergibt.
Bei Pfadi «wegen der Freundschaft»
Vorderhand ist Cvetkovic noch Assistenztrainer und Sportchef sowie «schuld» daran, dass die Attraktion am Kreis überhaupt für Pfadi spielt. Die beiden kennen sich aus ihren Anfängen bei Roter Stern Belgrad. «Nur wegen Goran» sei er hier, betont Stojkovic. «Wegen der Freundschaft», sagt auch Cvetkovic, «sportlich oder finanziell müsste er sich nichts mehr beweisen.»
Der Koloss Stojkovic, ausserhalb von Pfadis strapaziertem Budget finanziert, wurde 2012 EM-Zweiter mit Serbien, warf in elf Champions-League-Saisons satte 525 Tore, gewann den EHF-Cup, spielte Bundesliga, war Meister in Serbien, Polen und Weissrussland. Einer wie er taucht sehr selten im Schweizer Clubhandball auf.
Nach 15 Jahren in fünf Ländern wurde er im Sommer 2019 in Belgrad sesshaft. Seither hatte er nicht mehr auf höherem Niveau gespielt; dann telefonierte Cvetkovic letzten Dezember. «Willst du dir das antun?», fragte dieser. Stojkovic antwortete, er sei «ready». Die Fitness genügte, die 18 Mal spielte er im Angriff praktisch durch. Für die Abwehr, nicht seine Spezialität, lässt er sich auswechseln.
Corona verhinderte in den letzten fünf Monaten die geplanten Abstecher nach Hause. «Ich bin schon viel zu lange weg», sagt er. Immerhin habe er es geschafft, dass in seiner Familie und der Firma für Büromaterial «noch alles so ist wie vorher».
Die Zeit als Handballprofi ist vorbei. Restlos ausschliessen will er trotzdem nicht alles: «Wie lange dauert ohne Corona normalerweise ein Playoff? Ein bis zwei Monate? Vielleicht ...» Ihm gefällts bei Pfadi. «Sie verstehen das Spiel. Ich habe lange nicht mehr in einem Team gearbeitet, in dem 18 Leute so fokussiert auf ein Ziel hinarbeiten», lobt er.
«Er hat die besondere Kombination aus Lockerheit und Ehrgeiz.»
«Als Torjäger am Kreis, wie er nur selten zu finden ist», hatte ihn Cvetkovic angekündigt und nicht übertrieben. Auch die vielen Assists, die Penaltyfouls gegen ihn, die Erfahrung und die Präsenz als Ganzes machen seinen Wert aus.
«Das Puzzleteil, das Pfadi noch fehlte», beschreibt Manuel Liniger, einst Meister mit Pfadi und den Kadetten, der die Finalserie auf SRF kommentiert. «Eindrücklich, dieses Gespür für Handball», erklärt Pfadi-Spielmacher Kevin Jud. Trainer Brüngger meint: «Er hat die besondere Kombination aus Lockerheit und Ehrgeiz.» Das Spiel, das er so gut beherrscht, macht Stojkovic grossen Spass, den Biss verliert er trotzdem nie. «Einzigartig in verschiedenen Dingen», sagt Cvetkovic.
Er diskutiert gerne
Stojkovic macht die Eigenen besser und bearbeitet mit gesundem Wettkampfgewicht die anderen. Und immer wieder verstrickt er sich in Diskussionen mit Gegner und Schiedsrichter. «Er kommuniziert», umschreibt Cvetkovic. «Das tat er schon vor zwanzig Jahren.» Der Ton scheint im Rahmen zu bleiben, sonst hätte er in den 18 Spielen wohl mehr als nur die eine Zeitstrafe kassiert. «Für mich ist es ganz normal, mit den Leuten zu sprechen.» Gegner und Anhang haben nicht zwingend Freude daran.
Was St.-Otmar-Sportchef Dittert damals sagte, trifft noch nicht zu: Erst am 12. Juli wird Stojkovic 40, und zum Meistertitel fehlt dieser letzte dritte Sieg. Das soll am Donnerstag geschehen. Denn: «Am Samstag möchte ich in Belgrad frühstücken. So ist mein Plan.»
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