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Remo Forrer am ESC
Mit diesem Lied will der adrette Toggenburger die Welt erobern

Er mag musikalischen Bombast, aber keinen Krieg: Remo Forrer.
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Das Rollenspiel ist eine durchwegs beliebte Disziplin am Eurovision Song Contest. Da gibts die griechischen Frauenbetörer, die lustigen Gaudi-Polen, die Dragqueen aus Zypern, die portugiesischen Schwerblüter und was sich sonst gerade so findet im erweiterten europäischen Entertainment-Gewerbe. 

Und wen schickt die Schweiz dieses Jahr an den grössten und buntesten Gesangswettbewerb der Welt? Den Remo Forrer. Ein junger Herr mit adrettem Haarschnitt, Bubengesicht, abgeschlossener Sportartikelverkäuferlehre und einem Sponsoring-Deal mit dem Autozentrum Abtwil. Ein Mann also, der – wenn ihm denn eine Rolle zugewiesen werden müsste – als juveniler Durchschnitts-Toggenburger auf der Grossbühne in Liverpool stehen wird. Ob er damit einem hundertfachen Millionenpublikum den Kopf zu verdrehen vermag, ob es unter den binnenkontinentalen Freundinnen und Freunden der toggenburgischen Mittelmässigkeit genügend Mobilisierungs-Enthusiasmus gibt? Es wird sich weisen. 

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Der Song, der den Remo Forrer zum Ereignis machen sollte, ist jedenfalls von ähnlich dürrem Wiedererkennungswert wie die versammelten Durchhörbarkeit-Hits eines handelsüblichen Schweizer Privatradio-Senders. Er heisst «Watergun», richtet sich gegen den Krieg und weist den praktischen Mehrwert auf, dass er zu Friedenszeiten auch als Militärdienstverweigerer-Hymne umfunktioniert werden könnte – oder als Soundtrack zur Schweizer Neutralität. «I don’t wanna be a soldier», heisst es da im Refrain, «I don’t wanna have to play with real blood». Er wolle damit seiner Hoffnung auf Veränderung Ausdruck verleihen, liess der 21-Jährige ausrichten, aber auch der Frustration, dass seine Generation mit den Folgen von Entscheidungen leben müsse, die sie nicht selber getroffen habe.

Der Song bedient sich eines Musters, das momentan in jeder Hitfabrik im Copy-Paste-Verfahren zur Anwendung gelangt. Man beginne mit einem gefühligen Piano, lasse den Interpreten ebenso gefühlig dazu singen. Vor Ablauf der ersten Minute deute man unter Einbezug von Streichern etwas Schwulst an, um spätestens ab Mitte des Liedes die orchestralen Bombast-Trommeln auszupacken. Power-Ballade nennt sich das im Fachjargon, ein Genre, das von Forrers Vorbildern Lewis Capaldi, James Arthur und Ed Sheeran eigentlich bis zur Übersättigung bewirtschaftet wird. 

Lediglich vier Lieder sind von Remo Forrer bisher überliefert. Sie weisen ihn als begabten Nacheiferer ebendieser Idole aus. Und im Palmarès steht der Gewinn der Casting-Show «Voice of Switzerland» im Seuchenjahr 2020 – mit einem Finale ohne Publikum. Dass ein Nobody-Status nicht zwingend ungünstig sein muss, hat die ESC-Geschichte schon öfter bewiesen. Eher nicht so erfolgsverheissend ist es indes, nationale Casting-Stars ins Rennen zu schicken, von denen man selbst im Heimatland kaum Notiz genommen hat: Von Forrers vier Liedern hat es nur eines in die Hitparade geschafft: eine Woche lang auf Platz 93.

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Geschrieben wurde der Song übrigens nicht vom Toggenburger selbst, sondern von einem eigens dafür engagierten Hit-Dreizack: Der Schotte Argyle Singh bescherte der Schweiz immerhin bereits einen Coop-Weihnachts-Song, der Engländer Ashley Hicklin fabrizierte schon ESC-Lieder für Spanien, Litauen oder Österreich und blieb damit meist erfolglos, und Mikolaj Trybulec ist bestenfalls Musikkennern in seiner polnischen Heimat ein Begriff. 

Nachdem das Schweizer Fernsehen in früheren Jahren noch die Bodensee-Arena festlich herrichtete, um in einem televisionären Wettbewerb die Schweizer Vertretung am ESC auszuwählen, setzt man seit einiger Zeit wieder auf die indirekte Demokratie. Eine Jury aus Musiksachverständigen setzt das Land vor vollendete Tatsachen, was immerhin in den letzten Jahren dazu geführt hat, dass die Schweiz ihr chronisches Vorrunden-Aus-Image abgestreift hat. Bevor Luca Hänni und Gjons Tears 2019 und 2021 die Top-4 enterten und Marius Bear immerhin den Final erreichte, zählte die Schweiz zu den zuverlässigsten Verlierernationen des Wettbewerbs, mitten im mulmigen Dunstkreis von Malta und Andorra. Wohin das Land mit Remo Forrer steuert? Ab dem 9. Mai geht mit den Vorrunden los.