Mit der Leichtigkeit des Aussenrists
Luka Modric ist der Schlüsselspieler der Kroaten. Der Regisseur glänzt an der WM – in der Heimat ist er in einen Korruptionsskandal verwickelt.
Es gibt Fussballer, denen man besonders gerne zuschaut, weil sie diese Leichtigkeit ausstrahlen, einen Hauch Genie, wenn sie den Ball auf Wege schicken, die vorher niemand anderes gesehen hat. Und wenn sie das ganz lässig mit dem Aussenrist erledigen, selbst wenn sie von drei, vier Gegenspielern umringt sind, dann ist das die ganz hohe Kunst des Spiels.
Vielleicht gelingt das derzeit keinem besser als Luka Modric, dem kroatischen Regisseur und derzeit wohl ersten Anwärter auf die Auszeichnung des besten Spielers dieser Weltmeisterschaft. Ob er diese Wahl gewinnen wird, hängt stark von seinen weiteren Leistungen ab. Vorerst einmal heute Abend in Moskau im Halbfinal gegen England.
Die Falschaussage
Sie haben Luka Modric einige Spitznamen gegeben, «Zauberer» zum Beispiel oder «Fantasista», in Spanien auch «El Pony», wegen seiner Mähne und weil er erhaben durchs Mittelfeld galoppiert. Den Ball eng am Fuss, links wie rechts perfekt ausgebildet, den Blick stets oben, wendig und spielfreudig und mit einer Übersicht wie nur wenige. «Er ist der beste Fussballer der kroatischen Geschichte», sagt Davor Suker, für viele der beste kroatische Fussballer der Geschichte.
Auch Torschütze: Luka Modric trifft gegen Argentininen. (Video: SRF)
Suker stand 1998 im WM-Halbfinal, das 1:2 gegen den Gastgeber und späteren Weltmeister Frankreich beendete die Träume des Aussenseiters. 20 Jahre später ist Suker als Verbandschef erneut ein wichtiges Mitglied der kroatischen WM-Delegation, er fiebert oben auf der Tribüne mit, ist erster Fan und sagt: «Ich glaube, wir können diesmal mehr als den dritten Platz erreichen.»
Suker steht für die WM-Überflieger 1998, Modric für jene 2018. Beide stehen aber auch für den gewaltigen Korruptionssumpf im kroatischen Fussball um Zdravko Mamic, den Spielervermittler und früheren Präsidenten von Dinamo Zagreb. Suker und Modric gelten als Marionetten Mamics, der sich wie sein Bruder Zoran bei mehreren Transfers bereicherte, unter anderem bei jenem von Modric 2008 von Zagreb zu Tottenham. Mamic wurde zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, setzte sich nach Bosnien-Herzegowina ab, wurde dort gefasst – und wehrt sich nun gegen die Auslieferung.
Modric hatte als Zeuge im Prozess zuerst ausgesagt, mit Mamic die Teilung des Transfererlöses vereinbart zu haben, später zog er diese Darstellung zurück. Deshalb ist er wegen Falschaussage angeklagt. Ihm drohen bis zu sechs Jahre Haft. Als Modric in Russland auf diese Geschichte angesprochen wurde, reagierte er zornig und meinte: «Das ist hier eine Weltmeisterschaft. Und nur darum geht es.»
Die Mitspieler
In der Heimat werden Suker und Modric, aber auch andere mit Mamic verbandelten Personen wie Abwehrchef Dejan Lovren vom FC Liverpool durchaus kritisch gesehen. Modric scheinen die hässlichen Schlagzeilen sportlich nicht zu beeinträchtigen, er agiert an der WM offensiver und noch dominanter als beim Champions-League-Seriensieger Real Madrid. Einzig seine zittrigen Elfmeter im Achtelfinal gegen Dänemark sowie im Viertelfinal gegen Russland fielen ab. Der 32-Jährige ist das Gesicht einer Mannschaft, die noch Steigerungsmöglichkeiten besitzt und ihr Potenzial einzig beim 3:0 in der Vorrunde gegen Argentinien offenbarte.
Die Abwehr der Kroaten um Lovren ist robust, im Mittelfeld unterstützen die spielfreudigen Ivan Rakitic und Marcelo Brozovic den Taktgeber Modric, auf den Flügeln sind Ivan Perisic und Ante Rebic schnell und torgefährlich, im Sturmzentrum gibt Mario Mandzukic den harten Arbeiter, als Alternative in der Offensive steht der auffällige Andrej Kramaric bereit. Und meist auf der Bank wartet einer auf seine Chance, dem bereits früh prophezeit worden war, einmal der beste kroatische Fussballer der Geschichte zu sein. Heute ist dieser Mateo Kovacic 24 Jahre alt, den Durchbruch in die Weltklasse hat er noch nicht geschafft. Unter anderem, weil auf seiner Position Luka Modric brilliert. Bei Real Madrid. Und in Kroatiens Nationalmannschaft.
Die Kroaten sehen sich derart stark aufgestellt, dass Verbandschef Suker kürzlich meinte: «Ich habe an dieser WM noch keine Mannschaft gesehen, vor der wir uns fürchten müssen.»
Der Weltfussballer-Kandidat
Auch Modric möchte seine fabelhafte Karriere in Russland krönen. Er hat einen langen, beschwerlichen Weg hinter sich: Aufgewachsen in der Hafenstadt Zadar, erlebte er den Bürgerkrieg jahrelang mit, sein Grossvater wurde von serbischen Freischärlern ermordet, das Elternhaus niedergebrannt, irgendwann fand die Familie in einem heruntergekommenen Hotel Unterschlupf, damals war Modric zehn Jahre jung.
Der Ball war bald sein guter Freund, er ist es immer noch, im Sommer 2018 in Russland. Und vielleicht wird Modric bald nicht mehr nur als bester kroatischer Fussballer der Geschichte gelten. Sondern als jener Spieler, der die Weltfussballer-Herrschaft von Cristiano Ronaldo und Lionel Messi beendet hat.
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