Wahlkrimi in SchwedenSieg für rechts und rechts aussen, Ministerpräsidentin tritt zurück
Schwedens Sozialdemokraten verlieren die Macht an das bürgerlich-rechte Bündnis. Erstmals wird eine Regierung in Stockholm abhängig sein von den rechtspopulistischen Schwedendemokraten.
Der rechte Block hat gewonnen, Schweden bekommt eine neue Regierung. Und erstmals in der Geschichte des Landes wird diese wohl auch vom Wohlwollen der rechtspopulistischen Schwedendemokraten (SD) abhängig sein.
Das bürgerlich-liberale Lager hatte im Vorfeld der Wahl die einstige Isolierung der Schwedendemokraten durch die anderen Parteien aufgegeben und die Rechtspopulisten zum Zweck der Machtübernahme ins Boot geholt. Die Mehrheit von drei Mandaten für ein solches Bündnis stand erst am Mittwochabend fest, nach der Auszählung der Stimmen der Auslandschweden und Frühwähler.
«Sie tragen eine schwere Verantwortung»
Ministerpräsidentin Magdalena Andersson gestand die Niederlage am Mittwochabend ein und erklärte, sie werde am Donnerstag ihre Entlassung als Ministerpräsidentin beantragen. Bis zur Bildung einer neuen Regierung wird sie dann einer Übergangsregierung vorstehen.
Über den Aufstieg der rechtspopulistischen Schwedendemokraten zur zweitstärksten Partei sagte sie, sie wisse, «dass dies viele Schweden beunruhigt». An die neuen bürgerlichen und liberalen Partner der Rechtspopulisten gerichtet sagte Andersson, diese trügen nun «eine schwere Verantwortung, um Kräften entgegenzuwirken, die Hass und Drohungen schüren».
Nach einem für Schweden erstaunlich hitzigen Wahlkampf und einem Kopf-an-Kopf-Rennen bis zum Schluss verkündete die Wahlkommission am Mittwochabend das vorläufige Ergebnis der Parlamentswahlen.
Stärkste Partei bleiben die bisher regierenden Sozialdemokraten mit etwas mehr als 30 Prozent, allerdings reicht es ihrem links-grün-liberalen Bündnis nicht mehr für eine Mehrheit. Bei einer Mandatsverteilung im Reichstag von 176 zu 173 bleibt der Vorsprung des bürgerlich-rechten Lagers knapp. Zwei Abweichler könnten eine solche Regierungsmehrheit zunichtemachen.
Schwedendemokraten bloss Unterstützer?
Im siegreichen Lager haben die Wahlen vom Sonntag überraschend für ein neues Kräfteverhältnis gesorgt: Die Schwedendemokraten von Parteichef Jimmie Åkesson überholen mit mehr als 20 Prozent der Wählerstimmen die Moderaten von Ulf Kristersson.
Dennoch gehen die Beobachter davon aus, dass nun Moderaten-Chef Ulf Kristersson die besten Chancen hat, eine Koalition zu schmieden und neuer Ministerpräsident zu werden. Erwartet wird, dass Kristersson zunächst seinen Plan verfolgt, eine Koalition von Moderaten und Christdemokraten auf die Beine zu stellen, die sich dann von den Liberalen und den Schwedendemokraten tolerieren und wählen lässt.
Minderheitsregierungen, die sich von Unterstützerparteien dulden lassen, haben eine lange Tradition in Schweden. Auch die Sozialdemokraten haben so regiert, zuletzt hatte Ministerpräsidentin Andersson die Grünen, die Linken und die Zentrumspartei auf ihrer Seite.
2018 dauerten die Verhandlungen zur Regierungsbildung rekordverdächtige 134 Tage. Beobachter erwarten, dass es diesmal schneller geht. Einfach werden die Verhandlungen dennoch nicht für Moderaten-Chef Ulf Kristersson. Die Führungsleute der Schwedendemokraten haben schon erkennen lassen, dass sie ihre neue Stärke in grosse Zugeständnisse umgemünzt sehen wollen. Am Mittwochabend schrieb SD-Chef Jimmie Åkesson auf Facebook, jetzt sei es «Zeit, Schweden an die erste Stelle zu setzen». Am Sonntag hatte er verlangt, seine Partei müsse «in der Regierung sitzen».
Das war wohl Verhandlungstaktik: Åkesson möchte möglichst viel Druck aufbauen auf die zukünftigen Partner. So oder so ist es unwahrscheinlich, dass die anderen Parteien diesem Ansinnen nachkommen würden: Im Wahlkampf hatten Konservative und Liberale besorgten Wählern immer versprochen, die Rechtspopulisten formell aus der Regierungsverantwortung herauszuhalten und sie lediglich als Unterstützerpartei einbeziehen zu wollen.
Gründer aus der Neonaziszene
Vor allem die Liberalen hegen noch eine grosse Skepsis gegenüber den Schwedendemokraten, deren Gründerfiguren einst zu einem grossen Teil aus der Alt- und Neonaziszene stammten. Inhaltliche Konfliktpunkte sind etwa die Forderungen der SD in der Migrations- und Ausländerpolitik: Die SD verlangen, dass Schweden das restriktivste Asylrecht der Europäischen Union bekommt.
Überhaupt sind die Schwedendemokraten europaskeptisch. Ihren Plan eines «Swexit» haben sie zwar mittlerweile aufgegeben, sie wollen aber weiterhin den Einfluss der EU auf ihre Mitgliedsstaaten stark einschränken. Moderate und Liberale auf der anderen Seite sind ausgesprochen EU-freundliche Parteien. Ein weiterer Streitpunkt werden die Arbeitslosenbezüge sein: Die Moderaten und die Liberalen treten für eine Kürzung der Bezüge ein – die Schwedendemokraten lehnen dies ab.
Fehler gefunden?Jetzt melden.