Mini Cooper ElectricAuftakt in eine neue Ära
Mit E-Antrieb gab es den Mini bereits. Doch die neue Generation ist «Made in China». Auf den Fahrspass wirkt sich das nicht negativ aus. Positiv auf die Preise aber auch nicht.
Sehr viel britischer als der Mini kann ein Auto gar nicht sein. Der von 1959 bis 2000 vorwiegend von der British Motor Corporation (BMC) gebaute Winzling sprüht vor Charme und Witz, verkörpert grosse Namen der britischen Autoindustrie wie Austin, Morris, British Leyland und Rover und ist auch in seiner Entstehungsgeschichte «very british»: Der Legende nach soll Alec Issigonis, der später in den Adelsstand erhoben wurde, den ersten Entwurf auf eine Serviette im Pub skizziert haben.
Es kann nur spekuliert werden, ob Sir Alec über die jüngste Entwicklung seiner berühmtesten Schöpfung «amused» gewesen wäre – er verstarb bereits 1988 und hat weder den Verkauf von Rover inklusive Mini an BMW im Jahr 2000 noch die moderne Neuauflage unter deutscher Regie ein Jahr später miterlebt. Wir tippen auf «not amused». Genauso wenig dürfte ihm gefallen haben, dass sein Mini, notabene mit 5,38 Millionen verkauften Exemplaren das meistverkaufte britische Auto ever, im Jahr 2024 zu einem chinesischen Elektroauto mutierte.
Glatt und schnörkellos
Seis drum. Der Mini fährt im Jahr 2024 so vor, wie er es eh und je getan hat – jung, bunt und frech. Die Länge des Dreitürers von 3,86 Metern ist praktisch unverändert im Vergleich zum Vorgängermodell, dennoch wirkt der neue präsenter, was auch an den grösseren, breiteren Rädern liegt. Seine Karosserie ist auffallend glatt und schnörkellos gezeichnet, ein reduziertes Design mit flächenbündigen Türgriffen, ohne Kotflügelverbreiterungen und ohne klassische Seitenschweller.
Auch der Innenraum ist sehr reduziert gestaltet, das ist typisch für die Marke. Im Cockpit wird das minimalistische Layout des ersten Mini von 1959 aufgegriffen: ein rundes Kombiinstrument in der Mitte und eine Kippschalterleiste darunter, that’s it. Hinter dem sehr dicken Lenkrad zeigt ein optionales Head-up-Display die wichtigsten Fahrinformationen auf einer kleinen Plexiglasscheibe an, ohne dieses Feature muss der Fahrer den Blick jedoch immer in die Mitte richten, um das gefahrene Tempo ablesen zu können. Eine Unart, die Tesla eingeführt hat und nun von chinesischen Herstellern nach und nach übernommen wird. Der grosse, runde OLED-Touchscreen ist allerdings ein Highlight: gestochen scharfes Display, reaktionsschnell und intuitiv bedienbar – top.
Die Platzverhältnisse sind gut, sogar hinten sitzt man einigermassen bequem, was bei dieser Fahrzeuggrösse nicht selbstverständlich ist. Die Ausstaffierung ist optisch schön, haptisch lässt sie hier und da etwas Hochwertigkeit vermissen. Dennoch ist das Ambiente angenehm, hier steigt man gerne ein. Verschiedene Experience-Modes, die auch einen Einfluss auf das Fahrverhalten haben, lassen das Infotainmentsystem und die Ambientebeleuchtung in unterschiedlichen Designs und Farben erstrahlen. Ein Projektor auf der Rückseite des runden Displays taucht das Armaturenbrett in passende Farbschemata und -muster – clever.
Kindische Gimmicks, seriöser Fahrspass
Es ist schon länger bekannt, dass Mini ab 2030 rein elektrisch sein will. Bis es so weit ist, werden die Modelle alternativ noch mit Verbrennungsmotoren angeboten – mit Ausnahme des neuen Aceman, der ausschliesslich mit E-Antrieb erhältlich ist. Spannend ist, dass die elektrischen Versionen des neuen Mini Cooper auf einer chinesischen Plattform stehen und auch in China gebaut werden, während die Verbrennervarianten weiterhin aus Grossbritannien kommen. Der China-Einfluss ist auch beim digitalen Angebot merkbar: Der neue Sprachassistent, der mit «Hey, Mini» aktiviert werden kann, wird von einer verspielten Animation begleitet, wahlweise von einer stilisierten Darstellung eines Mini oder einem Comic-Hund namens Spike. Diese kindische Interaktion mit einem Avatar ist im Reich der Mitte inzwischen unverzichtbar. Für uns ist sie gewöhnungsbedürftig.
Doch nun zu dem, was ein Mini am besten kann, das Fahren. Auch der chinesische Mini kann das richtig gut. Die von Kooperationspartner Great Wall Motors (GWM) stammende Plattform wurde von den deutschen Ingenieuren auf das markentypische, knackige Fahrverhalten getrimmt. Dank der zwischen den Achsen platzierten Lithium-Ionen-Batterie ist der Schwerpunkt tief und zentral, und das ist spürbar. Der Kleine lenkt willig ein und bleibt in der Kurve lange neutral. Störende Wankbewegungen wurden dem Cooper abtrainiert. Dennoch ist das Set-up von Federung und Dämpfern nicht bretthart – ein sehr gelungener Mix.
Mehr Reichweite
Zwei Antriebsvarianten zur Wahl. Der Mini Cooper E stemmt 135 kW/184 PS auf die Vorderräder und beschleunigt in 7,3 Sekunden auf Tempo 100. Der Cooper SE schafft mit 160 kW/218 PS eine Sprintzeit von 6,7 Sekunden. Mini betont den urbanen Charakter des Elektro-Coopers und das aus gutem Grund. Denn auch wenn die Normreichweite im Vergleich zum Vorgänger deutlich gestiegen ist – dieser schaffte einen WLTP-Wert von lediglich 203 Kilometern –, ist auch das neue Modell kein Langstreckenchampion. Immerhin: Mit einem 40,7-kWh-Akku schafft der Cooper E eine Normreichweite von 305 Kilometern, der Cooper SE mit einer 54,2 kWh grossen Batterie soll 402 Kilometer schaffen. Das Ladetempo wurde ebenfalls gesteigert, der E schafft jetzt 75 kW, der SE 95 kW. Daheim an der Wallbox zieht der neue Elektro-Cooper mit maximal 11 kW.
Der Preis schliesslich dürfte der Knackpunkt sein, das weiss auch der Hersteller. Hierzulande werden die neuen Mini Cooper E und SE ab 40’690 respektive ab 44’390 Franken angeboten. Damit ist der Lifestyleflitzer «Made in China» nicht billig – das war der Mini aber noch nie, seit BMW im Jahr 2001 das Ruder übernommen hat.
Dieser Artikel stammt aus der «Automobil-Revue» – www.automobilrevue.ch
Fehler gefunden?Jetzt melden.