Kommentar zu FacebookMetaversum ja – aber nicht nach Zuckerbergs Gusto
Facebook will das Web durch eine Art Cyberwelt ablösen. Doch diese Vision ist zu wichtig, um sie einem Konzern zu überlassen, der sich wenig um die Bedürfnisse der Nutzer schert. Nur offen und breit abgestützt kann die Virtualisierung der Menschheit gelingen.
Tausende Jahre nach der Vertreibung aus dem Paradies ist es so weit: Wir Menschen stehen kurz davor, in den Garten Eden zurückzukehren – oder zumindest in ein Idyll, das der biblischen Vorstellung recht nahe kommt.
So scheint es jedenfalls Mark Zuckerberg zu empfinden: Der Facebook-Chef präsentierte gestern seine Zukunftsvision für sein Unternehmen aus einem surrealen Insel-Elysium. Es war unverkennbar, wie wohl Zuckerberg sich hier fühlt. Und bald sollen wir seine Freude teilen, weil dieser virtuelle Sehnsuchtsort nicht nur Milliardären offensteht, sondern uns allen, die wir Facebook-Nutzer sind.
Ein Zufluchtsort ohne Regen und Nebel
Mich packt diese Vorstellung – eine Zuflucht, die sich so real anfühlt wie die Wirklichkeit, in der die Naturgesetze ausser Kraft gesetzt sind und es keine Regen- und Nebeltage gibt? Ja, hier würde ich leben wollen. Und wenn es nach Zuckerbergs Vorstellung geht und das Metaversum das Web ablöst, werden wir das alle bald tun können.
Es gibt nur ein Problem: Der Facebook-Konzern hat bewiesen, dass es ihm weniger um unser Wohlbefinden geht als um den eigenen Gewinn. Frances Haugen war Facebook-Mitarbeiterin und ist heute Whistleblowerin. Sie hat vor dem US-Kongress ausgeführt, wie Facebook seinen Profiten alles unterordnet: den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die psychische Gesundheit junger Menschen und die Wahrheit. Und von so einem Konzern sollen wir uns in den Garten Eden führen lassen?
Tragt die Demokratie ins Metaversum!
Nein. Wenn das Metaversum nicht zu einer Hölle aus Werbung und Bespitzelung werden soll, in der noch unsere geheimsten Fantasien und Sehnsüchte ausgebeutet werden, dann darf nicht Zuckerberg sein Schöpfer sein. Es müsste – wie das World Wide Web – ein freies Gebilde sein, das keinem Unternehmen gehört und in dem jeder frei partizipieren kann. Das braucht offene Standards und einen gemeinsamen technischen Nenner. Aber vor allem braucht es auch verbindliche, breit abgestützte Prinzipien, die den Umgang regeln. Eine demokratische Rechtsordnung, auf die sich jede Bürgerin, jeder Bürger des Metaversums verlassen kann.
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