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Unruhe in der Formel 1
Mercedes-Chef versteht Ferrari nicht

Nach sechs Jahren wird für Sebastian Vettel Schluss sein bei Ferrari – und überhaupt in der Formel 1?
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Die Zeit in der Formel 1 drängt. Vier Wochen noch, dann kämpfen die Piloten auf dem Red-Bull-Ring in Spielberg um die ersten WM-Punkte dieser Saison. Entsprechend wird der Betrieb in den Fabriken, die fast allesamt in England liegen, hochgefahren – soweit das die vorgegebenen Restriktionen wegen des Coronavirus zulassen. Hastig werden noch neue Teile angebracht an den Autos, die letztmals am 28. Februar bei den Tests in Montmeló ihre Runden drehten. In der Hoffnung, sie funktionieren beim späten Start in Österreich.

Passend dazu taucht Toto Wolff in diesen Tagen erstmals wieder aus der Versenkung auf. Der Motorsportchef von Mercedes, im thurgauischen Ermatingen zu Hause, sitzt am Mittwochnachmittag in blauem Hemd vor einer weissen Wand, ein schlichtes Bild hängt hinter ihm. Videokonferenz, wie so oft in den vergangenen Wochen. Diesmal stellt er sich Fragen von aussen, Fragen, die die Königsklasse des Automobilsports derzeit umtreiben.

Vorab ist das die Situation von Sebastian Vettel, dem vierfachen Weltmeister, der keine Zukunft hat bei Ferrari. Vielleicht nicht einmal in der Formel 1. An seiner Stelle wird 2021 Carlos Sainz im roten Boliden sitzen. Der 25-jährige Sohn der gleichnamigen Rallye-Ikone wird Teamkollege des Monegassen Charles Leclerc. Den dadurch frei gewordenen Platz bei McLaren nimmt nächstes Jahr Daniel Ricciardo ein, der Renault verlässt.

Vettel schaut beim Karussell nur zu

Das Fahrerkarussell drehte sich während des Stillstands in schnellem Tempo. Vettel blieb aussen vor. Auch deshalb wurde er immer wieder mit Mercedes in Verbindung gebracht, wo die Verträge von Lewis Hamilton und Valtteri Bottas Ende Jahr auslaufen.

Wolff hat sich dem Thema Vettel nie komplett verschlossen, die Wahrscheinlichkeit, dass der 32-Jährige in seinem Team unterkommt, ist aber minim. «Eine tolle Persönlichkeit», sagt Wolff, «ein herausragender Rennfahrer seiner Generation.» Aber eben auch: «Aussenseiterkandidat für ein Cockpit bei Mercedes.»

Ob es mit dem Erfolgsduo Toto Wolff / Lewis Hamilton weitergeht, steht noch nicht fest. Der Motorsportchef von Mercedes lässt sich in der Frage nicht drängen und sagt: «So etwas wie Ferrari würden wir nicht machen.»

Schliesslich hat das überragende Team der letzten Jahre neben Hamilton und Bottas auch noch George Russell im Kader, der derzeit bei Williams untergebracht ist. Im Gegensatz zur Konkurrenz lässt sich Wolff bei der Fahrerfrage für 2021 nicht drängen. «Ich will mir zeitlich kein enges Korsett schnüren», sagt der 48-jährige Österreicher, «wir wollen unsere Piloten jetzt erst einmal frei drauflosfahren lassen und auch schauen, wie sich Russell bei Williams entwickelt. Im Laufe des Sommers werden wir dann zu einer Entscheidung kommen.»

«Geraten die beiden Fahrer auf der Strecke aneinander, hat einer der beiden nichts mehr zu verlieren, weil er keine Zukunft hat im Rennstall.»

Toto Wolff, Motorsportchef von Mercedes

Entsprechend hat Wolff auch wenig Verständnis für das Vorgehen von Ferrari und McLaren, die sich bereits jetzt auf ihre Paarung für die nächste Saison festlegten – noch bevor in diesem Jahr ein Rennkilometer gefahren wurde. «So etwas würden wir nicht machen», sagt Wolff. «Das Team muss noch ein Jahr mit dem Mann zusammenarbeiten, der weiss, dass er nächste Saison nicht mehr dabei ist. Man muss mit ihm das Auto weiterentwickeln und Geheimnisse teilen. Dazu kommt der Faktor Stimmung, dazu der Faktor Teamplay. Geraten die beiden Fahrer auf der Strecke aneinander, hat einer der beiden nichts mehr zu verlieren, weil er keine Zukunft hat im Rennstall.» Eigentlich, so sagt es Wolff, fand er «alles ungewöhnlich», was bei Ferrari passierte. «Auch die Vertragsverlängerung von Leclerc um lange fünf Jahre: Das ist unüblich.»

Vettel und Ferrari? «Die Stimmung war nicht mehr gut»

Dass es für das Duo Vettel/Ferrari keine Zukunft geben würde, habe er aber gespürt, sagt Wolff. «Die Stimmung war nicht mehr ganz so gut.» Wie es mit dem Deutschen weitergeht, ist offen. Wolff will ihm die Türe nicht ganz zuschlagen: «Er ist vom Talent und der Persönlichkeit her einer, dem ich keinesfalls sofort Nein sagen würde.»

Diese Antwort gibt er indes auf die Frage nach einem möglichen Ausstieg von Mercedes aus der Formel 1, der immer wieder zu den beliebten Gerüchten in der Königsklasse gehört. «Der Markenwert, den wir durch die Formel 1 generieren, ist enorm. Es geht aber nicht nur um Marketing, sondern auch um die Glaubwürdigkeit der Plattform – und die ist gegeben», sagt Wolff. «Deshalb steht ein Ausstieg nicht zur Debatte.» Das heisse nicht, dass nicht darüber diskutiert werde, «gerade in Zeiten von Corona, in denen sich die Automobilindustrie verändert, müssen wir vieles hinterfragen. Auch das Engagement im Motorsport.» Derzeit würden aber sowohl der Technologietransfer vom Rennsport in die Strassenautos als auch der Unterhaltungs- und Werbegegenwert ein «rundes Bild» ergeben. «Die Teilnahme macht für den Hersteller Sinn.»

Von 500 auf 145 Millionen Dollar

Selbst die Budgetobergrenze, die auf nächstes Jahr hin eingeführt wird und nach vielen Diskussionen nur noch bei 145 Millionen Dollar liegt – ausgenommen sind unter anderem Fahrergehälter –, schreckt Wolff nicht ab. Obwohl Mercedes bislang knapp eine halbe Milliarde pro Jahr ausgab für sein Vorzeigeprojekt im Motorsport. Im Gegensatz zu Ferrari, wo deswegen wieder einmal mit einem möglichen Ausstieg gedroht wird, sagt Wolff: «Die Obergrenze ist ein guter und sehr wichtiger Schritt, weil auch ein Sportteam in der Lage sein muss, Geld zu verdienen. Für uns gibt es zwar einige Anpassungen, Prozesse werden sich verändern, auch die Strukturen, aber das ganze Feld wird näher zusammenrücken. Und wenn die Rennställe gut wirtschaften, können sie auch profitabel sein. So sollte es sein.»