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Depeche Mode in Bern
Melancholie bei 25 Grad

Depeche-Mode-Sänger Dave Gahan im Berner Wankdorf, auf der aktuellen «Memento Mori»-Tour der Band.


Würde das gut kommen? Wollte man die Erwartungen von Sänger Dave Gahan ernst nehmen, hätte nur wenig für dieses Konzert gesprochen. Denn als Depeche Mode im letzten Jahr beschlossen, wieder ins Studio zu gehen, dachte Gahan als Erstes: noch ein Album? Wieder eine Welttournee? Ihm habe es bei der Vorstellung gegraust, bekannte er im Gespräch mit dem Musikmagazin «Mojo».

Aber weil sie trotzdem weitermachen, solange sie können, selbst als ältere Männer in diesem jugendfixierten Genre, liess sich der Sänger überzeugen und nahm das Flugzeug nach Los Angeles. Dort sollte er im Studio Martin Gore treffen, den Freund und Rivalen in der Band. Nun wurde auch Andrew Fletcher erwartet, Keyboarder, Bassist und so etwas wie der Konfliktbewältiger des Trios, der zwar keine Songs schrieb, aber als Mann im Hintergrund das volatile Trio zusammenhielt.

Weitermachen, unbedingt

Doch Fletcher kam nie in Amerika an, weil er gar nicht aus England abgeflogen war. Der 60-Jährige war am 26. Mai 2022 in seinem Zuhause in Brighton jäh an einer gerissenen Hauptschlagader gestorben. (Lesen Sie unseren Nachruf: Depeche Mode verliert seinen Helden an der Seitenlinie

Gitarrist Martin Gore und Frontmann Gahan beim Auftritt in Bern.

Die beiden Überlebenden, auch schon über sechzig Jahre alt und von ihrem langen Drogenkonsum gezeichnet, rafften sich trotzdem auf. Und spielten «Memento Mori» ein, ihr 15. Studioalbum. Es geriet zu einer düsteren, aber überzeugenden Platte, die sie an ihrem Konzert im Berner Wankdorf mit mehreren Stücken selbstbewusst zitieren. (Lesen Sie dazu: Depeche Mode klingen jetzt so dunkel wie noch nie)

Depeche Mode, die doch so grosse Erfahrungen mit Livekonzerten haben, kriegen die Dynamik ihres Auftritts nicht richtig hin.

An ihrem Engagement ist nicht zu zweifeln an diesem Sommerabend, an dem sie vor einem glänzend gelaunten und dankbaren Publikum auftreten. Auch nimmt man Martin Gore und Dave Gahan ab, die lange Jahre zerstritten waren, dass der Tod ihres Freundes sie wieder zusammenbrachte. Dennoch wird es ein durchzogenes Konzert, bei dem grossartige Momente mit Stücken abwechseln, die zu introvertiert sind, um in einem Stadion zu funktionieren; Melancholie bei 25 Grad.

Ein Problem der Dynamik

Das war schon beim letzten Schweizer Konzert der Engländer das Problem, als sie vor sechs Jahren im Zürcher Letzigrund auftraten. Ihr Berner Auftritt gelingt besser, überzeugt aber trotzdem nicht ganz. Das liegt weniger an der Aufführung der einzelnen Songs als an ihrer Kombination. Depeche Mode, die doch so grosse Erfahrungen mit Livekonzerten haben, kriegen die Dynamik ihres Auftritts nicht richtig hin.

Die Fans im Wankdorfstadion.

Dass sie verhalten beginnen mit zwei neuen Stücken, stört nicht, weil ihre Aufführung überzeugt. Dann macht die Band den Eindruck, als wolle sie loslegen, um sich dann selber wieder abzubremsen. Auf grossartige Versionen der älteren Stücke «Walking in My Shoes» und vor allem«It‘s No Good» aus dem Album «Ultra» von 1997 kommt das kraftlose «Sister of Night» aus demselben Album. Das Konzert sackt zusammen und fällt vollends auseinander, als Martin Gore für zwei Songs den Leadgesang übernimmt.

Erst nach einer Stunde geht das Ganze mit einer enthemmten Aufführung von «I Feel You» wirklich los, und obwohl die Band die Dynamik immer noch nicht ganz auf die Reihe kriegt, klingt ihre Musik überzeugender und vermag die Spannung im Stadion zu halten. Obwohl Depeche Mode nur einen kleinen Teil jener Songs aufführen, für die sie berühmt geworden sind, schliessen sie den regulären Konzertteil mit mehreren starken Stücken ab, zuletzt mit «Enjoy the Silence», der elegischen Ballade, die im Stadion eine Ovation auslöst. 

Seine Liveshow braucht die Dunkelheit: Dave Gahan auf der Bühne.

Dass das Konzert nicht ganz gelingt, hat auch mit den Lichtverhältnissen zu tun. Als die vier Musiker auf die Bühne kommen, ist es noch taghell. Aber eine Band wie Depeche Mode mit einer so melancholischen Musik funktioniert im Dunkeln besser, zumal die Engländer immer schon visuell dachten und ihre Liveshow bei Tageslicht nicht zur Geltung kommt.

Die beiden Überlebenden haben mit Andrew Fletcher nicht nur einen Mitmusiker, sondern einen Freund verloren, entsprechend gross war ihr Schock nach seinem Tod. Mit dem Stück «World in My Eyes» aus ihrem Erfolgsalbum «Violator» von 1990 erinnern sie an ihn; Fletcher hatte 2001 in einem Interview gesagt, es sei sein Lieblingsstück.

Für das Publikum in Bern ist es ein anderes. Das zeigt die überschwängliche Reaktion der Leute, als Depeche Mode als letztes «Personal Jesus» intonieren, ihre Parodie des frömmlerisch-populistischen amerikanischen Christentums. Wohl deshalb coverte es Johnny Cash in einer unvergleichlichen Version, das war kurz vor seinem Tod mit 71 Jahren. Mit ihrer Aufführung holen sich Depeche Mode das Stück zurück.