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Massnahmen gegen die Teuerung
Mehr Geld für Rentnerinnen und Geringverdiener?

Alle Rentnerinnen und Rentner sollen per 1. Januar 2023 den vollen Teuerungsausgleich erhalten. 
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Die Inflation nimmt zu, die Preise steigen: Diese Entwicklung belastet die Bürger in Europa und weltweit. Und auch die Schweizer Bevölkerung bekommt sie mehr und mehr zu spüren. Am Mittwoch haben die Ökonomen des Bundes die Prognose deutlich angehoben: Die Jahresteuerung 2022 wird nun bei 2,5 statt bei 1,9 Prozent gesehen.

Wie die Bevölkerung entlastet werden soll, darüber wird das Parlament in der Herbstsession diskutieren, und zwar im Rahmen einer ausserordentlichen Session zur wirtschaftlichen Abfederung des Ukraine-Kriegs. Der Impuls dazu kommt von der SP und der Mitte. Die beiden Parteien reichen am Freitag zusammen zwei Motionen mit je über 50 Unterschriften ein. Damit ist das nötige Quorum erreicht, um diese zusätzliche Parlamentsdebatte zu ermöglichen. Die beiden Vorstösse liegen dieser Redaktion vor.

Inländische Kaufkraft stützen

Die erste Forderung: Alle Rentner sollen spätestens per 1. Januar 2023 den vollen Teuerungsausgleich erhalten. Danach soll es regelmässig weitere Anpassungen an der Rentenhöhe geben, sofern die Teuerung die Grenze von 2 Prozent übersteigt. Der Bundesrat soll dem Parlament dazu bis Anfang 2023 ein Konzept vorlegen. 

Der zweite Vorstoss setzt bei den Krankenkassen an. Demnach soll der Bund seinen Beitrag an die individuelle Prämienverbilligung für das Jahr 2023 um 30 Prozent erhöhen. Der Zustupf ist an die Bedingung geknüpft, dass die Kantone ihren Beitrag nicht gleichzeitig senken. Die Kantone haben mit den zusätzlichen Bundesgeldern die Möglichkeit, die bisherigen Bezüger stärker als bislang zu entlasten. Oder aber sie erweitern den Kreis der Bezüger. Die Forderung erfolgt vor dem Hintergrund, dass 2023 ein grösserer Prämienschub droht

Die Spitzen beider Parteien halten es für dringlich, dass die Haushalte entlastet werden und die inländische Kaufkraft geschützt wird. «Die Belastung ist ausserordentlich, wir müssen jetzt handeln», sagt SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer. Mitte-Präsident Gerhard Pfister findet, Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP) agiere «zu abwartend»: «Es braucht nun einen Impuls aus dem Parlament.»

SP und Mitte verstehen ihre Vorschläge als Gegenprogramm zu den rechten Forderungen nach einer Benzinverbilligung durch den Bund. «Es ist sinnvoller, dass die Leute mehr Geld in der Tasche haben», sagt Pfister. Dann könnten sie selbst entscheiden, was sie damit machen. Verbillige der Bund dagegen das Benzin, mache er damit vor allem etwas: Er sichere der Erdölbranche die Gewinne. «Das ist definitiv der falsche Weg», sagt auch Meyer.  

«Für mich ist das der Beweis, dass sich die Mitte-Partei aus dem bürgerlichen Lager verabschiedet hat.»

Thomas Matter, Nationalrat SVP

Um eine Mehrheit im National- und Ständerat zu gewinnen, brauchen die beiden Parten weitere Stimmen. Jene der Grünen würden genügen, um in beiden Kammern den Vorstössen zum Durchbruch zu verhelfen. Erste Reaktionen legen nahe, dass die Chancen dafür intakt sind. Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber etwa sagt, das gehe «in der Tendenz in die richtige Richtung». 

Andere Töne kommen aus der SVP. Nationalrat Thomas Matter übt namentlich an der Mitte-Partei scharfe Kritik: «Für mich ist das der ultimative Beweis, dass sie sich aus dem bürgerlichen Lager verabschiedet hat.»

In der ausserordentlichen Session werden wohl weitere Vorschläge zur Debatte stehen. Die SP hofft, dass das Parlament über ihre Forderung nach einem «chèque fédéral» befinden wird. Die Idee: Alle Haushalte erhalten 260 Franken pro erwachsene Person und 130 Franken pro Kind. Die Mitte ihrerseits bereitet auf die Herbstsession weitere Forderungen vor, die nicht nur Geringverdienern und Rentnerinnen hilft. «Wir prüfen unter anderem einen Gutschein, der gezielt Haushalte des Mittelstands entlastet», sagt Pfister. Hierzu sei bereits ein Vorstoss eingereicht.

SVP scheitert mit ihren Forderungen

Ginge es nach der SVP, müssten das Autofahren und das Heizen billiger werden. Die Partei, die stark mit der Verkehrs- und Autobranche vernetzt ist, weibelte in der aktuellen Session zudem für einen höheren Pendlerabzug. Sie blieb damit allerdings erfolglos. Nach dem Ständerat sprach sich gestern auch der Nationalrat gegen Preissenkungen nach dem «Giesskannenprinzip» aus.

GLP-Nationalrat Alex Flach formulierte seine Kritik so: «Die SVP will den Maserati-Fahrer belohnen, nicht denjenigen, der mit dem Velo zur Arbeit fährt.» Die 50 Rappen, die ein Liter Benzin mehr koste, bereiteten ihm keine Sorgen, sagte er weiter. Zu denken gebe ihm vielmehr der Krieg in der Ukraine, das damit verbundene Leid und die Abhängigkeit des Energiesektors von Russland.

SVP-Vertreterin Monika Rüegger betonte, dass die SVP insbesondere die Landbevölkerung und Gewerbetreibende entlasten wolle. Diese seien bekanntlich häufig auf das Auto angewiesen. Den Gegnerinnen und Gegnern warf sie vor, «in ihrer Lifestyle-Bubble» zu weit weg vom Volk zu sein.

«Es braucht nun einen Impuls aus dem Parlament», sagt Mitte-Präsident Gerhard Pfister.

«Das Auto ist nicht der entscheidende Faktor», entgegnete Samira Marti von der SP. Belastender seien hohe Mieten und die Ausgaben für die Krankenkassen. Sie machten vor allem den Familien und Menschen, die wenig verdienten, zu schaffen. Die SP-Nationalrätin warf den Bürgerlichen vor, diesbezüglich zu wenig getan zu haben: «Es ist eine Schande.»

Die FDP und die Mitte wehrten sich dagegen, bei einzelnen Preisen anzusetzen. Dies sei in einer freien Marktwirtschaft nicht sinnvoll, meinte Damien Cottier, Fraktionschef der FDP. Sollte sich zeigen, dass es Massnahmen brauche, sei ein breiteres Konzept gefragt. «Wir sollten jetzt nicht die Nerven verlieren», mahnte Leo Müller. Die Wirtschaft werde auf die veränderten Kostenstrukturen reagieren.

Dies betonte auch Finanzminister Ueli Maurer. Der Bundesrat nehme die Situation durchaus ernst, versicherte er. Im Moment sehe er allerdings keinen Grund, um bei den Energiepreisen kurzfristig einzugreifen. «Zu befürchten ist, dass wir erst am Anfang einer Entwicklung stehen», so der SVP-Magistrat. Die Bevölkerung werde sich an höhere Ausgaben gewöhnen müssen. In der Schweiz seien diese zurzeit noch verkraftbar.