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Champions League: PSG – Bayern
Kylian Mbappé und die Geschichte mit der Querflöte

Träumt schon seit der Kindheit von Real Madrid: PSG-Goalgetter Kylian Mbappé. 
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In den meisten Aufstiegsgeschichten aus dem Fussball, zumal in den märchenhaft schönen von ganz unten nach ganz oben, spielt der Ball eine zentrale, ja eine transzendentale Rolle. Der Ball ist alles auf den Bolzplätzen der Pariser Peripherie, in den Strassen von São Paulo und Lagos, in windschiefen Hallen von Rosario: Spiel und Schule, im besten Fall Katapult.

Bei Kylian Mbappé aus Bondy, einer Banlieue von Paris, 22 Jahre alt, Doppeltorschütze beim 3:2-Sieg von PSG im Hinspiel gegen den FC Bayern im Viertelfinal der Champions League, war es ähnlich. Und doch ganz anders.

Auch in Bondy, einer dieser grauen Parallelwelten zur grossen und hell leuchtenden Stadt jenseits der Ringstrasse, des «Périph», spielen oft viel zu viele Kinder auf viel zu kleinem Raum. Um sich da durchzusetzen, muss man schon sehr gut sein am Ball, ihn vor allen Begehrlichkeiten schützen, im Wettstreit mit tausend Beinen. 235’000 junge Männer aus der Pariser Banlieue spielen Fussball, mit Verbandslizenz, viele von ihnen sind Kinder und Enkel von Einwanderern. Fussball ist eine Verheissung, eine der einzigen.

Er verkörpert den Aufstieg idealtypisch

8 von 23 Spielern im Kader der französischen Nationalmannschaft, die 2018 Weltmeister wurde, kamen aus Pariser Vorstädten, unter anderem Paul Pogba, Blaise Matuidi, N’Golo Kanté und, eben, Kylian Mbappé. Jeder grosse europäische Verein schickt Scouts in die Banlieues, damit sie die Talente früh entdecken, auf eng bemessenen Plätzen. An der Fassade eines Wohnsilos in Bondy gibt es ein Graffito, mehrere Stockwerke hoch, das Mbappé in der Pose eines Rappers zeigt, das Trikot von PSG am Leib: «Bondy, Stadt der Möglichkeiten», steht darauf, mehr Losung als Slogan. Er verkörpert den Aufstieg jetzt geradezu idealtypisch.

«Bondy, Stadt der Möglichkeiten»: Kylian Mbappé hat vorgemacht, wohin Wille und Talent führen können. 

Es gibt Aufnahmen, die Kylian als Kind zeigen, als «Kyky», wie er dribbelt und düpiert, alles wahnsinnig schnell. Da war die Spielessenz vom späteren KM7 schon da. Sein Kindheitsidol war Ronaldo, CR7, und auch das konnte man leicht erkennen: Er imitierte früh Ticks und Tricks des Portugiesen, den Übersteiger vor allem.

Doch bei allen Klischees des wunderhaften Aufstiegs dieses vielleicht gerade spektakulärsten Vertreters der Next Generation, des möglichen Anwärters auf den diesjährigen Ballon d’Or des besten Fussballers: Kylian wuchs nicht nur mit dem Ball auf. Seine Eltern sorgten dafür, dass er Lesegruppen und Museen besuchte. Für zwei Jahre spielte er Querflöte am Konservatorium von Bondy, wie die Zeitung «Libération» neulich schrieb. Kultur war wichtig. Und das kultivierte Reden in der Öffentlichkeit.

In jüngerer Vergangenheit hat Mbappé sein selbstreflektorisches Repertoire etwas revidiert: Es ist eine Nuance unbescheidener geworden.

Vater Wilfried, mit Wurzeln in Kamerun, war Fussballer, regionale Ligen, und trainierte dann jahrelang Jugendteams in Bondy. Ein strenger Erzieher, wie man hört. Es sei ihm immer wichtig gewesen, höfliche junge Männer heranzuziehen, dann erst kam der Fussball. Kylians Mutter, Fayza Lamari, algerische Wurzeln, war Handballerin bei AS Bondy, D1, höchste französische Liga. In der Erinnerung des Vereinspräsidenten war sie eine beispielhafte Kämpferin, aber leicht reizbar.

Sie war Handballerin, er Fussballer: Fayza Lamari und Wilfried Mbappé, die Eltern von Kylian, hier mit dessen jüngerem Bruder Ethan, der im PSG-Nachwuchs spielt. 

Beim Versuch, Mbappés Spiel zu deuten, landen die Analysten immer wieder bei den Eltern und deren Temperamenten. Der Sohn sagte einmal, er lasse sich von drei Tugenden leiten: «Respekt, Bescheidenheit, Hellsichtigkeit.» Und: «Mir ist aufgefallen, dass die grössten Stars und grossartigsten Sportler auch die bescheidensten sind.» Tatsächlich?

In jüngerer Vergangenheit hat Kylian Mbappé sein selbstreflektorisches Repertoire etwas revidiert: Es ist eine Nuance unbescheidener geworden. Neulich sagte er, er gehe immer auf den Platz mit der inneren Überzeugung, der Beste zu sein. Wahrscheinlich rührt das auch daher, dass er überrissen hart kritisiert wird, wenn seine Darbietung mal nicht stratosphärisch gut ist, kann ja vorkommen.

Zuletzt passierte es mit den Bleus, gegen die Ukraine. Die Presse rüttelte schon am Heldensockel. Früher hätte er ironisch zurückgegeben: «Ich habe euch halt verwöhnt.» Nun aber nervte er sich so sehr, dass er sich offen beklagte – mit eingebauter Drohung. Seine Leistung, sagte er, werde ständig seziert, Tag für Tag, weil er im Gegensatz zu vielen Kameraden der Nationalmannschaft in einem französischen Verein spiele – in der Heimat und für die Heimat. Man las darin schon ein halbes Adieu.

In Spanien glauben sie, Real Madrid stehe kurz vor einer Verpflichtung Mbappés.

Seit Monaten wartet der Emir von Katar, Besitzer von PSG, auf ein Zeichen der Mbappés. Der Vertrag läuft im Sommer 2022 aus, und die Katarer möchten unbedingt, dass ihre Pariser Vitrine auch vor und während der WM im eigenen Land, im Winter 2022, bestmöglich besetzt ist. Strahlen soll sie, mit «Kyky». Doch die Familie ziert sich. Man hat ja offenbar eine tolle Alternative.

In Spanien jedenfalls glauben sie, Real Madrid stehe kurz vor einer Verpflichtung Mbappés. Florentino Pérez, Reals Präsident, hätte den Stürmer schon 2017 gerne übernommen, von der AS Monaco, wo der ab dem 13. Lebensjahr geformt worden war. Damals war für Mbappé Paris aber verlockender. Der «Titi parisien», der Pariser Junge also, wollte allen zeigen, dass er daheim bestehen kann – neben Neymar, mit Neymar, vielleicht auch mal über Neymar.

Gewänne PSG nun in diesem Jahr die Königsklasse, wäre ein Wechsel nach Madrid, zu seinem Jugendtraum Real, gleich noch viel wahrscheinlicher. Mit Paris hätte er dann alles erreicht: mehrere Meistertitel, mehrere Pokaltrophäen, den Henkelpott. Noch mal: mit 22.

Mbappé – oder doch Haaland?

Umgekehrt wäre bei Real mal wieder Zeit für einen echten Galactico, für einen Toptopstar der neuen Generation, und da kann es eigentlich nur zwei Optionen geben: Mbappé und den noch jüngeren Norweger Erling Haaland von Borussia Dortmund, 20 Jahre alt, ein Mann von noch erstaunlicherer Frühreife und einer noch verrückteren Torstatistik in der Champions League. Mit beiden soll Florentino Pérez schon eingehend gesprochen haben, gar nicht mal so versteckt.

Für Mbappé wäre der Sieg in der Champions League gewissermassen eine Befreiung. Er könnte gehen, ohne dass man ihn jemals eines Verrats bezichtigen würde. Pflicht erfüllt, für Stadt und Vaterland, ganz oben angekommen.

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