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Jetzt lenkt er doch ein
Der Machtwechsel von Trump zu Biden hat begonnen

Noch einmal, ein letztes Mal: Präsident Donald Trump begnadigt zu Thanksgiving einen Truthahn.
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Die Begnadigung von Truthähnen zu Thanksgiving gehört nicht zu den wichtigsten Aufgaben eines US-Präsidenten, aber es ist eine Aufgabe, die Donald Trump stets gerne übernahm. Am liebsten, spottete die «New York Times», würde Trump ja die ganze Zeit Truthähne begnadigen. Etwas Theater, etwas Prunk, die Gelegenheit, vor aller Welt den Boss raushängen zu lassen: Dieser Teil des Jobs liege ihm am meisten. Nun, am Dienstag, durfte Trump noch einmal seines Amtes walten, noch einmal einen Vogel vor dem Ofen bewahren. Ein letztes Mal.

Denn wenn eines klar geworden war in den 24 Stunden zuvor, dann dies: Nächstes Jahr wird der Präsident nicht mehr Donald Trump heissen. Nächstes Jahr wird es Joe Biden sein, der Truthähne begnadigt – und auch alle anderen Aufgaben übernimmt, die im Weissen Haus so anfallen.

Der Moment, an dem er die Realität akzeptierte

Mehr als zwei Wochen lang hatte sich Trump geweigert, seine Niederlage gegen Biden einzuräumen, mehr als zwei Wochen lang hatte er den Machtwechsel blockiert. Es war ein beispielloses Manöver, und in den Augen seiner Gegner war es ein Anschlag auf die Wahl – ein Putschversuch sogar. Doch nun hat Trump eingelenkt, auf seine Art zwar, sofort verbunden mit neuen Behauptungen, Angriffen und Relativierungen, aber doch: Er hat eingelenkt.

Am Montagabend twitterte der Präsident, dass er sein Team «im Interesse des Landes» angewiesen habe, den Prozess für die Amtsübergabe zu starten. Emily Murphy, die Chefin der zuständigen Behörde der Bundesverwaltung, solle «tun, was getan werden muss». Das war er, der Moment, an dem Trump öffentlich signalisierte, dass er das Unvermeidliche nicht länger hinauszögern konnte. Der Moment, an dem er die Realität zu akzeptieren schien.

Kurz zuvor hatte Emily Murphy im Namen der General Services Administration ein Schreiben an Biden verschickt, in dem sie diesen formell als Sieger der Präsidentschaftswahl anerkannte. Dieser Schritt ist nötig, damit Bidens Team Bundesmittel, vor allem aber Zugang zu Unterlagen und Büros erhält und mit Mitarbeitern der jetzigen Administration in Verbindung treten darf, um einen nahtlosen Übergang vorzubereiten. Normalerweise wäre dies längst geschehen, und Murphy – die von Trump auf ihren Posten ernannt wurde – war zuletzt unter grossen Druck der Demokraten geraten, den Weg für die Amtsübergabe freizumachen.

Trump kämpft weiter, er twittert weiter, aber plötzlich spielt es keine Rolle mehr.

Dass er die Wahl verloren hat, gestand Trump zwar immer noch nicht ein, im Gegenteil. Er twitterte, er werde weiterkämpfen, er twitterte überhaupt wieder sehr viel, doch es spielte plötzlich keine Rolle mehr. Sowohl seine Gegner wie auch seine Unterstützer sind sich einig, dass die Sache gelaufen ist – dass die Wahl endgültig vorbei ist.

«Das kommt wohl dem am nächsten, was Präsident Trump als Eingeständnis hätte abliefern können», sagte Chuck Schumer, der Minderheitsführer der Demokraten im Senat. Und ein anonymer Berater Trumps sagte der «Washington Post»: «Er hat seine Niederlage praktisch eingeräumt.» Trumps Stabschef Mark Meadows informierte Mitarbeiter des Weissen Hauses laut der Zeitung bereits am Montagabend darüber, dass die «Transition» begonnen habe.

«Amerika ist zurück»: Joe Biden bei der Vorstellung der ersten Mitglieder seiner künftigen Regierung.

Gemerkt hat man das zuerst anhand von drei Buchstaben: Die Website, die Bidens Übergangsteam aufgebaut hat, läuft jetzt auf die Domain-Endung .gov, die der US-Regierung vorbehalten ist. Gemerkt hat man das aber auch am Auftritt, den Biden am Dienstag abhielt. Kurz bevor Trump im Rosengarten des Weissen Hauses einem Truthahn mit dem Namen Corn das Leben schenkte, stellte Biden in seinem Wohnort Wilmington die ersten Mitglieder seiner künftigen Regierung vor. «Dieses Team steht dafür, dass Amerika zurück ist», sagte Biden.

Machtwechsel also. Tatsächlich blieb Trump nach den Ereignissen der vergangenen Tage kaum mehr eine andere Wahl, als den Prozess zuzulassen. Seine juristischen Optionen hat er so gut wie ausgeschöpft, nachdem seine Anwälte vor keinem Gericht Beweise für einen grossflächigen Wahlbetrug vorlegen konnten – und für ihre Auftritte von Richtern und Rechtsexperten teils sogar gerügt wurden.

Lauter Rückschläge

Auch Trumps Versuch, die amtliche Beglaubigung der Resultate in den Bundesstaaten hinauszuzögern, bleibt erfolglos. Den grössten Rückschlag in dieser Angelegenheit musste der Präsident in Michigan hinnehmen: Dort bestätigte die zuständige Wahlkommission am Montag, dass Biden den Bundesstaat mit 155’000 Stimmen Vorsprung gewonnen hat. Dieser Schritt wäre ist in fast jedem anderen Wahljahr eine Formsache. Diesmal hatten Trump und seine Verbündeten jedoch Druck auf die zwei republikanischen Mitglieder der Kommission aufgesetzt, gegen eine Beglaubigung zu stimmen – oder sie zumindest zu verschieben.

Der Präsident hatte sich davon erhofft, das Ergebnis noch umzudrehen: Ohne zertifiziertes Resultat hätte zumindest auf dem Papier die Möglichkeit bestanden, dass das republikanisch beherrschte Parlament von Michigan eingreift und Trump zum Sieger im umkämpften Swing-State erklärt. Das war ein äusserst radikaler Versuch, und mit dem Votum der Wahlkommission ist er gescheitert. Neben den zwei Demokraten im Gremium stimmte auch ein Republikaner für die Beglaubigung der Stimmen. Der andere Republikaner enthielt sich.

Nun wagen sich immer mehr Republikaner aus der Deckung, die zuvor während Wochen geschwiegen hatten.

Mit Pennsylvania und Nevada beglaubigten am Dienstag zudem zwei weitere Swing-Staates ihre Resultate. Im Bundesstaat Georgia, den Biden ebenfalls für sich entschieden hat, war das Ergebnis nach einer Nachzählung aller Stimmen bereits am Wochenende zertifiziert worden.

Wen begnadigt er noch?

Es überrascht deshalb nicht, dass sich nun immer mehr Republikaner aus der Deckung wagen, die zuvor während Wochen geschwiegen hatten. Sie riefen Trump im Einklang mit Wirtschaftsvertretern dazu auf, das Resultat der Wahl endlich zu anerkennen. «Ich habe Präsident Trump gewählt, aber Joe Biden hat gewonnen», twitterte Senator Bill Cassidy aus Louisiana. Das sei nach der Zertifizierung der Resultate in Michigan klar. Trumps Anwälte hätten keine Beweise für einen massiven Betrug vorgelegt, die es gebraucht hätte, um die Wahl zu drehen. «Im Interesse des Landes sollte die Machtübergabe nun beginnen.»

Das hat sie nun. In Washington drehte sich die Diskussion bereits darüber, wen Trump in seinen letzten Wochen im Amt noch begnadigen wird – abgesehen vom Truthahn. Seinen früheren Sicherheitsberater Michael Flynn? Seinen früheren Wahlkampfchef Paul Manafort? Einen seiner anderen Mitarbeiter und Berater, die im Zug der Russland-Untersuchung verurteilt wurden? Noch bleibt Trump ein bisschen Zeit, noch hat er dazu die Gelegenheit. Ein letztes Mal.

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