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Der Schweizer bei Manchester City
Seltener Einblick – so lebt Manuel Akanji im besten Team der Welt

Mauel Akanji - Manchester City
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Hektik bricht aus. Immer wenn ein Luxuswagen anrollt. Dann bringen sich die Fans, die hier seit Stunden ausharren, am Strassenrand in Position, zücken Handys oder halten Trikots in die Luft. In der Hoffnung, einer der Stars möge doch anhalten, sobald er das schwere Metalltor passiert hat.

Es ist Donnerstagmittag auf dem Etihad Campus in Manchester. Das riesige Gelände im Osten der Stadt ist das Hauptquartier von Manchester City, dem besten Team der Welt. Mittendrin: Manuel Akanji, 28-jährig aus Wiesendangen bei Winterthur, 2022 angekommen in der High Society des Fussballs. Bei City fehlt es den Stars an nichts, sie werden betreut und umsorgt, allein das Kommunikationsteam zählt zwanzig Leute. Und manchmal werden die Fussballer auch angehimmelt wie von den Fans beim Eingangstor.

Akanji sitzt im «Media Theatre», so heisst der Saal, in dem auch Medienkonferenzen stattfinden. Der Schweizer Nationalspieler gibt an diesem Nachmittag zwei seiner raren Einzelinterviews. Auf zwei Themen werde er bei solchen Terminen immer angesprochen, sagt er: Pep Guardiola und Erling Haaland.

Der eine ist sein Trainer, der Beste seines Fachs, der andere sein Mitspieler und gleichzeitig der beste Mittelstürmer der Welt. Zu ihnen später, aber erst die Frage an Akanji: Wie lebt es sich überhaupt als Spieler von City? «Ziemlich normal», antwortet er.

So bereitet Akanji seinen Söhnen Freude

Am Abend zuvor haben die Engländer mit dem 3:1 gegen den FC Kopenhagen den Viertelfinal der Champions League erreicht, eine Pflichtübung. Das Publikum hier ist verwöhnt. City ist Serienmeister, hat 2023 das Triple gewonnen, den Dreiklang aus Champions League, Premier League und FA-Cup. Am Sonntag steht vor den Augen der Welt das Spitzenspiel gegen Liverpool an der Anfield Road an. «Genau für solche Partien bin ich Fussballer geworden», sagt Akanji.

Ein Abend wie unter der Woche gegen die Dänen dagegen? Vermeintlich business as usual. Aber nicht für Akanji: Er erzielt nach einem Corner volley das 1:0, wird zum besten Spieler der Partie gekürt, überhaupt zum ersten Mal in der Königsklasse. Dafür gibt es von der Uefa eine Trophäe in Form eines Balles.

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Noch mehr Freude an dieser Trophäe als Akanji haben seine Söhne Aayden (3) und Keeyan (1), als er ihnen diese am Donnerstagmorgen zeigt. So erzählt er das. Nach einer kurzen Nacht bleibt wenig Zeit für die Familie, um 8.30 Uhr macht er sich auf den Weg zum Trainingsgelände. Eine halbe Stunde dauert die Fahrt.

Für Akanji steht Regeneration auf dem Programm: Velofahren und Joggen, Stretching und Mobilitätsübungen, dann zur Massage und in den Erholungspool. Zum Abschluss: Kältesauna. «Den Körper wieder auf hundert Prozent bringen», nennt er das.

«Unbelievable» – Guardiolas Lob für Akanji

Obwohl Akanji erst am allerletzten Tag der Sommertransferperiode 2022 für 20 Millionen Franken von Borussia Dortmund zu City stiess, kamen in der folgenden Triple-Saison nur drei Feldspieler öfter zum Einsatz als er. Regeneration ist da zentral. Auch jetzt gehört er zum Stamm, wenngleich die Konkurrenz nicht kleiner geworden ist.

Akanji behauptet sich in diesem Luxuskader, als sei dies das Selbstverständlichste der Welt. Sein Vertrag läuft bis 2027, der Zürcher ist auch mit einem gesunden Selbstvertrauen ausgestattet, mit einer schnellen Auffassungsgabe ebenso. Bei City müsse er auf dem Platz noch einmal wacher sein als zuvor in Dortmund oder im Nationalteam, sagt er. Weil während des Spiels zwischen Systemen hin und her gewechselt, er von Partie zu Partie woanders eingesetzt wird.

Mauel Akanji - Manchester City

Mal spielt er in der Verteidigung rechts, dann zentral, dann links. «Wenn ich nach meiner Position gefragt werde, weiss ich selbst nicht mehr, was ich antworten soll», sagt Akanji. Er lacht, ihm gefällt die Aussage. Er weiss, Guardiola schätzt genau diese Polyvalenz an ihm.

Als Akanji im Spätherbst gegen Chelsea auch noch eine Reihe weiter vorne zum Einsatz kam, setzte Guardiola wieder einmal zur Lobeshymne auf den Schweizer an. «Unbelievable» sei dieser Transfer für City gewesen. «Manu kann sogar im Mittelfeld spielen!»

An Tagen nach Partien wie an diesem Donnerstag ist Guardiola zwar vor Ort, aber er beobachtet dann vor allem, gibt beim Training der Ersatzspieler hie und da einen Hinweis. So erklärt das der Schweizer. 16 Personen umfasst der City-Trainerstab. Aber die meisten Trainings leite Guardiola selbst, sagt Akanji. Gerade taktische Aspekte seien Chefsache.

Betrieb im City-Teamchat

Überhaupt Guardiola, dieser leicht zappelige Katalane: Welche Geschichte über seinen Trainer hat Akanji noch nicht erzählt? Er überlegt, dann erinnert er sich an seine ersten Trainings mit City. Keine zwanzig Stunden lagen dazwischen, aber als Akanji am Morgen zur zweiten Einheit erschien, sprach ihn Guardiola auf eine Situation vom Nachmittag an. Der Trainer hatte sich da schon die ganze Übungseinheit auf Video angeschaut. «Ich war beeindruckt, wie sehr er sich mit Fussball beschäftigt.» Diese Detailversessenheit, ist Akanji überzeugt, hebe Guardiola von Berufskollegen ab.

Guardiola, das Taktikgenie, das ist die eine Seite. Aber er sei auch einer, der enorm auf den Teamgedanken achte, sagt Akanji. Am Donnerstag hat Guardiola Spitzenköche aufs Trainingsgelände gebeten, Frauen und Kinder der Spieler sind eingeladen, fürs Mittagessen dazuzustossen. Hätte Akanji keine Medientermine, wären seine Frau Melanie (31) und die Kinder jetzt auch da. Aber diesmal bleibt ihm fürs Essen nur eine Viertelstunde.

W145TA aerial view of the Manchester City Etihad Stadium, City Football Academy & Man City's training ground

Solche Familientreffen gebe es regelmässig, sagt Akanji. Diese Kultur werde stärker gepflegt als bei seinen vorherigen Stationen. Er kann etliche Restaurants in der Stadt empfehlen, kürzlich machte er im teaminternen Whatsapp-Chat einen Aufruf für ein Abendessen, fast die gesamte Mannschaft erschien. Seither ist schon ein weiteres Event dazugekommen, der Portugiese Bernardo Silva lud ein. Akanji glaubt, dieses stimmige Zusammenleben sei zentral für den Erfolg.

Er verbringt ja auch enorm viel Zeit im Team. 61 Partien absolvierte City letzte Saison, diesmal sind es schon wieder 44. Im Trainingszentrum hat jeder Spieler sein Zimmer, hier trifft sich die Mannschaft vor Heimspielen. Akanji telefoniert dann jeweils zehn Minuten mit seinem Mentaltrainer, redet über die Aufstellung, erzählt, was ihn erwarten könnte und was er sich vornimmt.

Akanji beschäftigt neben dem Mentaltrainer auch einen Berater sowie eine Marketingspezialistin, er arbeitet mit einem Ernährungsberater und Osteopathen. Diese Bereitschaft, in die Karriere zu investieren, zeichnet ihn aus. Wie auch, dass er genau weiss, was er will. Als er im Sommer 2022 in Dortmund wochenlang auf der Tribüne sass, weil er angekündigt hatte, den Vertrag nicht zu verlängern, lehnte er mehrere Angebote ab. Bis City kam. Die Geduld hat sich ausbezahlt.

Die spezielle Verbindung zu Haaland

Mit Kyle Walker, dem englischen Nationalverteidiger, versteht er sich bei City besonders gut, im Teambus sitzt dieser vor, im Flugzeug neben Akanji. Vor Partien spielen sie Uno. Auch Nathan Ake, Nachbar im Vorort Manchesters, gehört zu den Bezugspersonen, ebenso wie Haaland. Womit man beim zweiten Gesprächsevergreen angelangt ist.

Haaland ist selbst in diesem Promiteam die Überfigur. Sein riesiges Konterfei prangt am Stadion, das in Sichtweite des Trainingszentrums liegt. Als unter der Woche kurzfristig bekannt gegeben wurde, dass der 23-Jährige die Medienkonferenz vor dem Kopenhagen-Spiel absolvieren werde, war das unter den Journalisten eine kleinere Sensation. Seit seiner Vorstellung im Sommer 2022 nahm Haaland erstmals wieder einen solchen Termin wahr.

Akanji und die norwegische Naturgewalt verbindet, dass sie schon in Dortmund zusammengespielt haben. Wie stoppt man diesen Haaland eigentlich? Das will Akanji nicht verraten. So oder so sei die Vorstellung falsch, dass er im Training oft gegen den Stürmer spiele. Bei so vielen englischen Wochen gebe es kaum Einheiten mit vollem Körperkontakt, elf gegen elf stehe höchst selten im Trainingsplan. Aber, fügt Akanji dann doch an, man dürfe Haaland auf keinen Fall Tempo aufnehmen lassen.

Manchester City's Manuel Akanji, right, celebrates with his teammate Erling Haaland after he scored his side's first goalduring a Champions League round of sixteen second leg soccer match between Manchester City and Copenhagen, at the Etihad Stadium in Manchester, England, Wednesday, March 6, 2024. (AP Photo/Dave Thompson)

Gibt es Momente, in denen Akanji noch staunt, wie weit er es gebracht hat? Die gebe es, antwortet er. Ein solcher war, als er kürzlich eine Auflistung mit sämtlichen Siegern in der Champions League sah. Er habe von klein auf jeden Final geschaut, dass er nun einen solchen gewonnen habe, das sei schon sehr speziell. Nur zweimal war er nervöser als vor dem Endspiel gegen Inter in Istanbul: bei den Penaltyschiessen mit der Schweiz an der EM 2021 gegen Frankreich und Spanien.

In den Tagen nach dem Final im Juni stiess er auf den Song «Lonely at the Top» von Asake. «Es ist mein Lieblingslied, weil es mich immer wieder zurück in diesen Sommer bringt.» Zurück in die unbeschwerte Zeit, als er die Ferien mit der Familie und Freunden am Strand verbrachte und reflektieren konnte, was er erreicht hat.

Drei Wochen Auszeit hatte er, dann startete er mit City in die Vorbereitung, da habe er schon gedacht, es wäre schön gewesen, längere Ferien zu haben. Aber als das erste Pflichtspiel angestanden sei, da sei für ihn klar gewesen: «Ich will nächsten Sommer genau wieder dieselben Gefühle erleben. Darauf arbeite ich hin.» City ist noch in drei Wettbewerben dabei. Die Titel erneut zu holen, das ist das Ziel.

Akanji sieht Arbeit fürs Schweizer Nationalteam

Und danach findet die EM in Deutschland statt. In einer Woche trifft sich das Nationalteam, Testspiele gegen Dänemark und Irland stehen an. Der komplizierte Herbst, als die Schweiz die sicher geglaubte Qualifikation zu verspielen drohte, werde sicher noch einmal ein Thema sein, sagt Akanji. «Wir wissen alle, dass wir bessere Leistungen zeigen können.»

Was liegt für die Schweiz an der EM drin? Es gelte erst einmal die Gruppe erfolgreich zu durchlaufen, sagt Akanji. 57 Länderspiele hat er absolviert, 2023 ist er nur während acht Minuten nicht auf dem Platz gestanden. Aber er ist nicht der Typ für forsche Ansagen wie Xhaka, der kürzlich meinte, die Schweiz müsse die Gruppe mit Deutschland, Ungarn und Schottland überstehen.

Die Gesprächszeit ist um. Es ist nach 16 Uhr. Der Rest des Tages gehöre der Familie, sagt Akanji. Und irgendwann, wenn die Söhne im Bett seien, sehe er womöglich noch etwas fern mit seiner Frau Melanie. «Ziemlich normal eben.»

Als er im SUV davonfährt, harren vor dem Trainingsgelände immer noch Fans aus.