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In eigener Sache
«Magazin»-Reporter Christof Gertsch ist «Journalist des Jahres»

Energiegeladener Macher, versierter Porträtschreiber, geselliger Mensch – und der «Journalist des Jahres»: Christof Gertsch.
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An einer Redaktionssitzung vor ein paar Monaten ging es um einen Krawallpolitiker rechter Provenienz. Ich fragte Christof Gertsch, ob er Lust habe, den Mann kennenzulernen und für «Das Magazin» zu porträtieren: Was treibt ihn an, woher kommt diese Wut? 

Gertsch ist ein energiegeladener Macher, ein versierter Porträtschreiber, zudem ein geselliger, kommunikativer Mensch. Doch seine Antwort umfasste nur drei Buchstaben: «Nei.» 

Er schreibt über Menschen, die ihn inspirieren  

Zuerst erschrak ich über die ungewohnt schroffe Absage. Die Erklärung, die er anfügte, leuchtete aber sofort ein. Er könne, sagte Gertsch, nur über Menschen schreiben, die er möge.

Dies ist das erste und vielleicht entscheidende Merkmal des Journalisten Christof Gertsch, 40 Jahre alt, geboren in Burgdorf, wohnhaft in Bern an der Aare, zwei Kinder, ehemaliger Leistungsschwimmer (Finalteilnehmer über 200 Meter Lagen an den Schweizer Meisterschaften 2002), erste Zeitungsartikel schon als Teenager (für «Burgdorfer Tagblatt» und «Berner Zeitung»), mehrere Jahre Sportjournalist für das Haus NZZ und seit 2016 als Reporter für «Das Magazin» tätig: In einer Zeit der Negativmeldungen und Daueraggressionen in den sozialen Medien möchte Gertsch seine Arbeitszeit hauptsächlich auf Menschen verwenden, die ihn inspirieren, berühren, begeistern. 

Und er begegnet diesen Menschen mit Respekt, Aufmerksamkeit, Hingabe. Es geht immer um ihre Geschichte, nie um seine «Narration».

Jene, die sich Namen von Journalistinnen und Journalisten merken können, werden an dieser Stelle nachfragen: Ist das nicht derselbe Reporter, der die «Magglingen-Protokolle» recherchiert hat, einer der grössten Scoops der jüngeren Schweizer Mediengeschichte, bei dem es um den schockierenden Umgang mit jungen Turnerinnen ging?

Ja, denn eine zweite Qualität von Gertsch lautet: Er ist nicht einfach ein Schönschreiber, sondern beherrscht die unterschiedlichsten journalistischen Formen. Und egal, worüber er schreibt, ob das Thema brisant ist oder eher unterhaltend: Er will die Dinge ganz genau wissen, befragt immer noch eine Quelle mehr, liest noch eine Studie, verbringt nochmals eine Stunde mit seinen Protagonisten, sodass etwa ein Porträt der Krimiautorin Christine Brand gleichzeitig zum Hintergrundartikel über die Mechanismen der Buchbranche wird.

«Magglingen-Protokolle»? Jene, die sich Namen von Journalistinnen und Journalisten noch genauer merken können, werden sich erinnern, dass die Recherche von zwei Leuten durchgeführt wurde. Tatsächlich sind etliche der herausragenden Artikel, an denen Gertsch beteiligt war, im Duo mit seinem «Magazin»-Kollegen Mikael Krogerus entstanden, etwa das Grossporträt von Martina Hingis, der Report über das Abschmelzen des antarktischen Thwaites-Gletschers oder die bewegende Lebensgeschichte des Boxchampions Buster Douglas, für die die beiden mit dem Deutschen Reporter:innenpreis bedacht wurden.

Das weist auf Qualität Nummer drei hin: Gertsch entspricht nicht dem Reporter-Klischee des verschrobenen Solitärs. Er ist ausgesprochen teamfähig – und damit in dieser unübersichtlichen, informationsüberfluteten Welt ein moderner Journalist, der erkannt hat, dass Recherchen auf höchstem Niveau mit Sololäufen kaum mehr zu schaffen sind. Und so haben die innovativen Artikel, die er mit Mikael Krogerus geschrieben hat, den Journalismus in diesem Land auf ein neues Niveau gehoben.

Die Auszeichnung «Journalist des Jahres» ist die Anerkennung dafür.

Bruno Ziauddin ist Chefredaktor von «Das Magazin», der Samstagsbeilage der Tamedia-Zeitungen.