Riesenslalom der Männer in Kranjska GoraOdermatt wird Dritter und zeigt seinen Frust – der Vorsprung schmilzt
Henrik Kristoffersen siegt vor Lucas Braathen und verhindert damit den ersten brasilianischen Sieg im Weltcup. Marco Odermatt büsst in der Disziplinenwertung Punkte ein.

Es ist diese eine Reaktion, die verdeutlicht, welch gewaltige Ansprüche Marco Odermatt an sich selbst stellt. Als Zweiter kommt er ins Ziel, oben steht nur noch Henrik Kristoffersen, der Podestplatz im Riesenslalom von Kranjska Gora ist ihm also sicher. Und was macht der Nidwaldner? Er drischt mit dem Stock gegen die Werbebande.
Der 27-Jährige ist genervt und bedient. Weil er sich mehr erhofft und vor allem mehr von sich erwartet hat. Es wird Rang 3, weil Kristoffersen die Halbzeitführung verteidigt, vor Lucas Pinheiro Braathen triumphiert und damit den ersten brasilianischen Erfolg im Weltcup verhindert. Odermatt büsst 52 Hundertstel ein, das reicht zu seinem 40. Podestplatz im Riesenslalom.
Es ist ein Jubiläum, das er nicht unbedingt feiern mag. Auf seine Frust-Geste im Ziel angesprochen, sagt er gegenüber dem Schweizer Fernsehen: «Ich hatte am Start einen grossen Vorsprung, deshalb fuhr ich natürlich auf Sieg. Das Ziel als Zweiter zu erreichen, ist dann nicht das, was man möchte.»
Er dominiert nicht mehr ganz so heftig
Wieder zeigt der 27-Jährige eine starke Leistung, und das bei schwierigen Schneeverhältnissen. Die Piste wird mit reichlich Salz präpariert, noch am Freitag war sie in derart schlechtem Zustand, das manch einer nicht einmal an die Durchführung des Rennens denken mochte. Doch wieder reicht es Odermatt nicht zum Sieg, wie Ende Januar in Schladming (3.) und zuletzt an der WM in Saalbach, als er als Vierter die Medaille knapp verpasste.
Natürlich, Odermatt hat drei Riesenslaloms gewonnen in diesem Winter, er ist noch immer die Nummer 1 in dieser Sparte, aber es fällt ihm zumindest nicht mehr ganz so leicht wie in den vergangenen drei Saisons, als er die Konkurrenz fast schon verzweifeln liess. «Es ist immer noch ein hohes Niveau», resümiert er, «einen Podestplatz muss man zuerst erreichen». Aber er sei nach dem ersten Lauf sehr gut positioniert gewesen und habe gehofft, dass noch mehr möglich sei. «Doch schon beim Fahren habe ich gemerkt, dass es nicht so einfach, nicht so automatisch geht wie letztes Jahr.»
Nun ja: Während sich Kristoffersen und Braathen seit der WM ausschliesslich der Vorbereitung auf die Technik-Rennen in Slowenien widmen konnten, bestritt Odermatt zuletzt in Crans-Montana je eine Abfahrt und einen Super-G. Sein Programm ist äusserst streng, was zwar nichts Neues ist, aber etwas stärker als auch schon ins Gewicht fällt. Es sei schwierig, im Riesenslalom zu dominieren, wenn man so viele Speedrennen bestreite, sagte Odermatt zuletzt. «Ich habe in den letzten Wochen nur wenige Trainingstage mit den kürzeren Ski absolviert.»
Es kommt zum Duell mit Kristoffersen
Alarm schlagen jedoch braucht der Gewinner von 45 Weltcuprennen gewiss nicht. Im Riesenslalom-Weltcup liegt er noch immer vorne, wenngleich Kristoffersen nur noch 41 Punkte zurückliegt. Der Norweger feiert seinen 32. Sieg, den ersten in der Basisdisziplin seit drei Jahren – auch damals gewann er in Kranjska Gora. «Der Falsche hat gewonnen», sagt Odermatt, auf die eigene Situation im Kampf um die kleine Kristallkugel angesprochen, «es läuft auf ein enges Duell zwischen Henrik und mir hinaus». Zwei Rennen stehen noch auf dem Programm.

Und eben, die Form von Odermatt passt nach wie vor, gewaltige Ansprüche hin oder her. Es ist gut möglich, dass er wie 2023/2024 wieder vier Kugeln gewinnen wird. Im Gesamtweltcup ist ihm der Sieg an und für sich gewiss, Kristoffersen liegt als erster «Verfolger» schon 460 Punkte zurück, kann bis zum Saisonende aber maximal noch 500 Zähler gewinnen. Loïc Meillard hat als Dritter bereits 625 Punkte Rückstand. Selbst wenn sich alle Ski-Wunder dieser Welt auf einmal ereignen, wird Odermatt wohl nicht mehr abgefangen.
Meillard ist im ersten Lauf lange der Schnellste, leistet sich dann jedoch einen groben Fehler. Letztlich wird er Sechster, Thomas Tumler fährt auf Platz 8. Es ist einmal mehr ein starkes Schweizer Teamergebnis. Weil er in der Entscheidung ausscheidet, verpasst derweil Lenz Hächler seine ersten Punkte. Der Zuger ist erst 21 und das grösste helvetische Techniker-Talent, seine langwierigen Schienbeinbeschwerden hat er dank einer Operation in den Griff bekommen, bei der Fettzellen vom Gesäss und dem unteren Rückenbereich ans Schienbein verpflanzt wurden. Nach dem Ausfall ist Hächler ähnlich bedient wie Odermatt – auch er braucht die Stöcke zur Frustbewältigung.
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19. – Luca Aerni
Vierter in Val-d’Isère, Siebter in Adelboden – dem Berner ist in dieser Saison der Durchbruch im Riesenslalom gelungen. Der zweite Lauf glückt aber nicht perfekt, Aerni wird Vierter.
20. – River Radamus
Immer wieder färbt sich der Amerikaner die Haare, lässt sich auch spezielle Frisuren schneiden. Auf der Piste fällt er in diesem Winter jedoch weniger auf, die Leistungen sind durchzogen. Nun übernimmt er aber die Spitze, er liegt knapp vor Grammel.
21. – Anton Grammel
Der Deutsche ist in Form. Im WM-Riesenslalom von Saalbach wurde er dank der besten Zeit im zweiten Lauf Zwölfter. Nun übernimmt Grammel die Spitze.
22. – Filippo Della Vite
Es gibt einen Führungswechsel: Della Vite zeigt einen starken Lauf und nimmt Feurstein über sieben Zehntel ab. Mit dieser Fahrt dürfte er einige Positionen gewinnen.
23. – Lenz Hächler
Das darf nicht wahr sein: Erstmals überhaupt steht der Zuger im zweiten Lauf, doch schon im oberen Teil rutscht er weg und scheidet aus. Hächler ist dermassen wütend, dass er erst seinen Frust rausschreit und dann mit den Stöcken mehrmals heftig in den Schnee haut.
24. – Fabian Gratz
74 Hundertstel beträgt Gratz’ Reserve am Start, im Ziel hat er auf Leader Feurstein neun Zehntel Rückstand. Der Deutsche steht viel zu hart auf den Ski und muss sich mit Platz 5 begnügen.
25. – Tormis Laine
Der Este gehört zu den Aufsteigern dieser Saison. Er punktet regelmässig und könnte sich gar für den Weltcup-Final Ende März in Sun Valley qualifizieren. Der zweite Lauf jedoch gelingt Laine überhaupt nicht, er fällt ans Ende der Rangliste zurück.
26. – Bridger Gile
Und gleich noch ein Amerikaner: Gile fällt wegen eines missglückten Schlussteils zwar auf Rang 4 zurück, im 23. Weltcup-Rennen holt er aber seine ersten Punkte. Entsprechend jubelt der 25-Jährige auch.
27. – Patrick Kenney
Gleich drei Amerikaner haben es in den zweiten Lauf geschafft, das hat im Riesenslalom Seltenheitswert. Kenney kann mit Feurstein nicht mithalten, sichert sich aber Zwischenrang 2.
28. – Stefan Luitz
Siebenmal schon ist der Deutsche auf dem Podest gestanden, 2018 gewann er in Beaver Creek sogar einen Riesenslalom. Die besten Zeiten liegen weit zurück, nun riskiert er alles, leistet sich aber einige Fehler. Luitz fällt auf Platz 2 zurück.
29. – Lukas Feurstein
Mit der Nummer 49 qualifizierte sich der Österreicher gerade noch für den zweiten Lauf. Er greift an und lässt den vor ihm gestarteten Franzosen um fast eine Sekunde hinter sich.
30. – Loevan Parand
Der Franzose ist ein neues Gesicht im Weltcup. Der Student setzt auf dem vom Schweizer Trainer Renzo Valsecchi gesteckten Kurs mit 2:21:53 die erste Richtzeit und holt erstmals Punkte. Augenfällig ist: Es ist ein schnellerer Lauf als jener heute Vormittag.
Die Schweizer
Marco Odermatt liegt auf Rang 2, Podestchancen hat auch Loïc Meillard als Sechster. Thomas Tumler ist bei Halbzeit 12. Luca Aerni (19.) und Lenz Hächler (23.) wollen sich nach vorne orientieren. Die Piste soll in erstaunlich gutem Zustand sein.
So lief der erste Durchgang
Er führt im Riesenslalom-Weltcup, natürlich tut er das, seit Jahren ist Marco Odermatt schliesslich die klare Nummer 1 in dieser Disziplin. Doch funktionierte in den letzten drei Saisons alles wie von alleine, muss der Schweizer in diesem Winter so richtig um die Vorherrschaft kämpfen.
An der WM in Saalbach verpasste Odermatt als Vierter die Medaillen, danach wurde er von Experten und Journalisten in erstaunlichem Masse kritisiert, es hiess etwa da und dort, er habe die Sonderstellung im Riesenslalom eingebüsst. In Kranjska Gora zeigt er nun trotz suboptimaler Vorbereitung respektive ohne spezifisches Training einen starken ersten Lauf, wird aber von Henrik Kristoffersen knapp geschlagen. Um 15 Hundertstel wird er vom Norweger distanziert, dieser mag die Piste in Slowenien wie kaum ein Zweiter, ist am «Podkoren» im Slalom und Riesenslalom schon 13-mal auf dem Podest gestanden.
Doch zurück zu Odermatt: Der Nidwaldner überzeugt vor allem ganz oben und ganz unten, im Mittelabschnitt lässt er etwas Zeit liegen. Er sei sehr zufrieden, wenngleich die Fahrt nicht perfekt gewesen sei. «Es war nicht überall der volle Angriff, aber es war auch sehr schwierig bei diesem schmierigen Schnee.»
Die Ausgangslage ist jedenfalls vielversprechend, denn nach hinten gibt es etwas Luft – als Dritter liegt Joan Verdu schon über eine halbe Sekunde zurück. Der Andorraner verblüfft mit Nummer 18, nachdem er unter der Woche noch einen heftigen Trainingssturz erlitt.
Meillard mit grossem Fehler
Odermatt könnte heute im Kugelkampf den entscheidenden Schritt machen: Fängt er Kristoffersen in der Entscheidung (ab 12.30 Uhr bei uns im Live-Ticker) noch ab, hat er den Gesamtweltcup an und für sich bereits für sich entschieden. Derzeit liegt er 500 Punkte vor dem 30-Jährigen, der bis Saisonende dann nur noch fünf Rennen absolvieren wird und den Rückstand nicht einmal mehr theoretisch wettmachen könnte.
Dritter in der Gesamtwertung ist Loïc Meillard, er liegt schon über 600 Zähler zurück. Bis zur dritten Zwischenzeit ist der Slalom-Weltmeister klar der Schnellste, doch dann gerät er aus der Balance, stellt die Ski quer – der Schaden ist damit angerichtet. Trotz des Malheurs ist Meillard bei Halbzeit Sechster, der Podestplatz ist nach wie vor möglich. Ebenfalls eine fehlerhafte Fahrt zeigt Thomas Tumler, der an der WM Silber holte: 1,33 Sekunden Rückstand bedeuten Rang 12. Im zweiten Lauf ebenfalls mit dabei sind Luca Aerni und Lenz Hächler. Letzterer könnte seine ersten Weltcup-Punkte gewinnen.
Noch am Freitag hätten nicht viele damit gerechnet, dass in Kranjska Gora überhaupt gestartet werden kann. Die Piste befand sich in miserablen Zustand, dank dem Einsatz von reichlich Salz aber konnte sie fürs Rennen erstaunlich gut hergerichtet werden. Mitarbeiter vom Weltskiverband FIS sprechen vom einem «kleinen Ski-Wunder», dass das Rennen nicht abgesagt werden musste.
Herzlich willkommen
Um 12.30 Uhr geht es los mit der Entscheidung in Kranjska Gora. Verfolgen Sie den zweiten Lauf im Liveticker.
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