Luftschlag im GazastreifenWas wir über den Angriff auf das Flüchtlingslager Jabaliya wissen – und was nicht
Das israelische Militär bestätigt, das Lager im Norden des Gazastreifens angegriffen zu haben, um einen Drahtzieher der Attacken des 7. Oktober zu töten. Es gibt zahlreiche Opfer – und offene Fragen.
In einem Flüchtlingslager im Norden des Gazastreifens hat es schwere Schäden und Opfer gegeben. Ein Überblick über die gesicherten Fakten zu dem Vorfall.
Was wir wissen
Ausser Zweifel steht, dass es im Flüchtlingslager Jabaliya im Norden des Gazastreifens einen heftigen Angriff gab. Davon zeugen zahlreiche Bilder und Videos, die von Nachrichtenagenturen und im Internet verbreitet wurden. Die Aufnahmen zeigen mehrere grosse Krater, die umstehenden Häuser scheinen völlig zerstört zu sein. Auf einigen Bildern sind Dutzende zumeist in weisse Tücher gehüllte Leichen zu sehen, darunter sind augenscheinlich auch Kinder.
Die israelische Armee hat sich dazu bekannt, in der Region Luftschläge ausgeführt zu haben, und hat angegeben, eine militärische Basis der Hamas, die in derselben Region wie das Flüchtlingscamp liegt, beschossen zu haben. Ziel des Luftschlags sei ein hochrangiger Vertreter der Hamas gewesen. Ibrahim Biari habe unter anderem bei den terroristischen Angriffen der Hamas auf Israel am 7. Oktober eine wichtige Rolle gespielt. Ausserdem soll Biari die aktuellen Kämpfe der Hamas im Norden des Gazastreifens koordiniert haben. Er soll neben weiteren Terroristen getötet worden sein.
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Auf zivile Opfer des Angriffs auf das Camp angesprochen, sagte ein Sprecher der israelischen Armee dem Sender CNN: «Das ist die Tragödie des Krieges.» Der gesuchte Terrorist Biari habe sich – wie für die Hamas üblich – zwischen Zivilisten versteckt. Die israelische Armee wiederholte ihren Aufruf an die Bewohner des Gazastreifens, in den Süden zu fliehen.
Israel sagte, die grosse Verwüstung sei auch auf Tunnel der Hamas zurückzuführen, die unterhalb der Häuser entlang gelaufen seien. Der Zusammenbruch dieser Strukturen habe Häuser kollabieren lassen. Zwar ist nicht öffentlich bekannt, wo genau die Hamas überall Tunnel hat – die Existenz eines weitverzweigten Tunnelnetzes unterhalb des Gazastreifens ist jedoch gesichert.
Die Tunnelanlagen im Gazastreifen gelten als zentrales Ziel der israelischen Bodenoffensive, da die Hamas von dort aus ihre Angriffe auf Israel steuert. Zudem wird vermutet, dass sich zumindest einige der etwa 240 von der Hamas in den Gazastreifen verschleppten Geiseln dort aufhalten könnten.
Im Flüchtlingscamp Jabaliya leben vertriebene Familien aus Kriegen der Palästinenser mit Israel, die bis ins Jahr 1948 zurückreichen. Dem UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA zufolge ist Jabaliya das grösste von acht Flüchtlingslagern im Gazastreifen. Es liegt nördlich von Gaza-Stadt. Die Grösse beträgt 1,4 Quadratkilometer. 2023 seien dort etwa 116'000 Flüchtlinge registriert gewesen – was laut UN nicht heisst, dass tatsächlich so viele Menschen in dem Camp leben. Anders als andere Flüchtlingslager besteht es nicht aus Zelten, sondern aus Häusern.
Was wir nicht wissen
Unklar ist, ob der Hamas-Terrorist Ibrahim Biari tatsächlich bei dem Angriff ums Leben gekommen ist, so wie Israel behauptet. Die Hamas dementierte zunächst, dass hochrangige Vertreter der Terrorgruppe in dem Camp anwesend gewesen seien. Die Behauptung diene Israel nur als Rechtfertigung eines Angriffs auf Zivilisten.
Auch die genaue Anzahl der Opfer insgesamt ist unklar. Die radikal-islamistische Hamas erklärte, es gebe 400 Tote und Verletzte, Mitarbeiter eines Spitals in Gaza sprachen von mehr als 50 toten Palästinensern und 150 Verwundeten. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Die Reaktionen
Ägypten verurteilte den Angriff Israels auf das Lager als «unmenschlich» sowie als «eklatante Verletzung des Völkerrechts». Man warne vor den Folgen der «wahllosen Angriffe auf Zivilisten in und um Spitäler, wo sie Zuflucht suchen», hiess es aus Kairo. Auch Jordanien verurteilte den israelischen Angriff «aufs Schärfste», ähnlich äusserte sich Saudiarabien.
Aus Washington gab es ebenfalls Reaktionen. Pentagon-Sprecher Patrick Ryder sagte CNN zufolge, dass das israelische Militär im Gegensatz zur Hamas nicht absichtlich Zivilisten angreife. Er sagte, er könne nicht «über einzelne israelische Angriffe sprechen», aber das Pentagon sei «besorgt über zivile Opfer, und wir haben sowohl öffentlich als auch nicht öffentlich deutlich gemacht, dass uns der Schutz unschuldigen Lebens und die Achtung des Kriegsrechts am Herzen liegen».
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