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Prozess in Deutschland
Linksextremistin muss nach Überfällen auf Neonazis über fünf Jahre in Haft

Lina E. mit ihren Anwälten Erkan Zünbül (links) und Ulrich von Klinggräf vor Gericht in Dresden. 

Im Prozess gegen die mutmassliche Linksextremistin Lina E. und drei weitere Angeklagte hat das Oberlandesgericht in Dresden mehrjährige Haftstrafen verhängt. Das Gericht verurteilte die 28-Jährige am Mittwoch unter anderem wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten. Die mitangeklagten Männer erhielten Haftstrafen zwischen zwei Jahren und fünf Monaten sowie drei Jahren und drei Monaten wegen Mitgliedschaft beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung.

Mit dem Urteil blieb das Gericht unter der Forderung der Bundesanwaltschaft, die für E. acht Jahre Freiheitsstrafe gefordert hatte. Für die drei mitangeklagten Männer hatte die Bundesanwaltschaft in dem seit September 2021 laufenden Prozess zwischen zwei Jahren und neun Monaten sowie drei Jahren und neun Monaten Haft beantragt.

Den Angeklagten waren mehrere Überfälle auf Neonazis oder mutmassliche Anhänger der rechten Szene in Wurzen, Leipzig und im thüringischen Eisenach mit Schwerverletzten zwischen 2018 und 2020 vorgeworfen worden. E. galt bei der Anklagevertretung als Kopf der Gruppe. In mindestens zwei Fällen soll sie das Kommando geführt haben. Ein Kronzeuge hatte die Beschuldigten belastet. Laut Anklage wurden 13 Menschen verletzt, zwei davon potenziell lebensbedrohlich. Die drei anderen Beschuldigten sind auf freiem Fuss. E. sitzt seit November 2020 in Untersuchungshaft.

Grosse Solidarität in der Szene

Damals wurde sie in Handschellen im Hubschrauber nach Karlsruhe zum Ermittlungsrichter gebracht, wie es die Ermittler sonst nur bei Terrorverdächtigen tun. Die Vorwürfe des Generalbundesanwalts wiegen schwer: Die Gruppe habe den Rechtsstaat angegriffen, ausschlaggebend für die Vereinigung seien eine militante linksextremistische Ideologie und die Ablehnung des staatlichen Gewaltmonopols. Die Oberstaatsanwältin Alexandra Geilhorn bescheinigte Lina E. in ihrem Plädoyer ein beachtliches Mass an Abgebrühtheit.

Demonstranten aus dem linken Spektrum präswentieren vor Beginn der Urteilsverkündung gegen Lina E. ein Banner mit dem Slogan «Nazis die Stirn bieten».  

Entsprechend gross ist der Solidarisierungseffekt in der linken Szene, «Free Lina»-Graffitis finden sich nicht nur in ihrer Wahlheimat Leipzig, sondern bis auf die Kanaren. Für ihre Unterstützer ist klar, dass Lina E., Jannis R., Lennart A. und Jonathan M. aus einer Art moralischer Notwehr agierten. Weil der deutsche Staat im Kampf gegen Rechtsextreme oft genug versagt, mussten sie handeln - so sieht das die linksautonome Szene. Ähnlich hatte auch die Verteidigung im Prozess argumentiert, durch den sich die grosse Frage zog, ob es so etwas geben kann wie gute politische Gewalt.

Zur Urteilsverkündung wurde besonders Lina E. von Angehörigen und Anhängern im Saal mit tosendem Beifall und Sprechchören empfangen und minutenlang gefeiert. Zur Verkündung des Strafmasses protestierten sie, Zuschauer beschimpften das Gericht. Vor dem Gebäude am Stadtrand, in dem sich der Hochsicherheitssaal von Sachsens Justiz befindet, demonstrierten mehrere Dutzend Anhänger vor allem aus Leipzig und bekundeten Solidarität mit Lina E.

Linksradikale rufen «Tag X» aus 

Dass mit dem Urteil Ruhe einkehrt, ist unwahrscheinlich. In linken Kreisen wird die aus Kassel stammende Studentin als Heldin verehrt. Für Mittwoch waren mehrere Antifa-Demonstrationen angekündigt. Den Samstag hat die linksradikale Szene Deutschlands zum «Tag X» ausgerufen. Es soll Demonstrationen in Leipzig und anderen deutschen Städten geben, auf der Plattform Indymedia drohten Radikale für jedes Jahr verhängte Haftstrafe eine Million Euro Sachschaden bundesweit an.

AFP/SZ/nlu