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Lesende fragen Peter Schneider
Kann eine solche Ehe gut gehen?

Wenn zwei in einer Ehe nicht mehr annähernd in die gleiche Richtung blicken, wirds schwierig.
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Unsere Tochter ist seit 18 Jahren verheiratet. Ich beobachte, wie ihr Mann immer mehr nach «rechts» rückt und sich von unseren Medien abgewendet hat. Nur die SVP und die «Weltwoche» sind für ihn noch einigermassen erträglich. Diskussionen beispielsweise über den Krieg in der Ukraine oder über das Klima sind unmöglich geworden. Meine Tochter denkt als Lehrerin eher sozial, sie meidet politische Diskussionen mit ihrem Mann. Diskussionen am Familientisch mit den drei Kindern enden oft in einem Krach. Kann eine solche Ehe, bei der beide Partner offensichtlich «auseinandergedriftet» sind, auf Dauer gut gehen? Ich befürchte nein. U. K.

Lieber Herr K.

Ihre Befürchtung ist leider realistisch. Was macht man mit jemandem, der sich in einer Parallelwelt einmauert und zugleich der Ansicht ist, die anderen lebten in einer Parallelwelt und seien die Intoleranten. (Aber WER bestimmt, welche die Parallelwelt ist? Antwort: Ja, ja, gähn.) Jedes Streitgespräch braucht gemeinsame Voraussetzungen und auf beiden Seiten gute, der Überprüfung zugängliche Informationen.

Es bringt nichts, wenn des einen Bibel die «Weltwoche», «Nius» oder Alice Schwarzer etc. ist und die andere immerhin einige Grundlagentexte der Gender- und Queerstudies wirklich gelesen hat, um z. B. über Transgender zu diskutieren. Oder wie will man über bayesianische Statistik vs. frequentistische Statistik reden, wenn der andere zwar nicht weiss, was das ist, aber felsenfest davon überzeugt ist, dass man nur Statistiken trauen kann, die man selbst gefälscht hat. Gegen Gerüchte über irgendetwas zu argumentieren, ist, wie einen Pudding an die Wand zu nageln.

Gespräche meiden zu müssen, ist keine gute Grundlage für eine Ehe.

Ein Gespräch am Familientisch ist keine akademische Debatte, aber wenn man nicht nur über Ab- oder Zuneigung zu Blumenkohl reden will, muss man doch über den Austausch von Ressentiments und aus zweifelhaften Quellen bezogene Wahrheiten hinausgehen können. Zu diskutieren, heisst nicht, «eine andere Meinung» auch für möglich halten zu können. (Warum sollte man das, wenn diese andere Meinung offenkundig falsch ist?) Sondern durch Argumente überzeugt zu werden, dass z. B. die eigenen Interpretationen von XY unterkomplex oder unzulässig sind. Es könnte sogar heissen, dass man seine eigene Inkompetenz in einer Frage eingestehen muss.

Bei Leuten, die meinungsstark und unterinformiert sind, geschieht dies in der Regel nicht. Die Folge ist, dass man nicht mehr mit ihnen redet und wenn, dann jedes nur annähernd heikle Stichwort meidet. Schon ein harmloses Gespräch über das Wetter kann nämlich innerhalb einer Sekunde in eine Belehrung münden, dass das Erdklima sich immer schon geändert hat. Gespräche meiden zu müssen, ist keine gute Grundlage für eine Ehe.