Keine Segnung HomosexuellerLesben fordern Abzug der Schweizergarde aus dem Vatikan
Gleichgeschlechtliche Liebe als Sünde: Die nationale Lesbenorganisation reagiert auf das «homophobe Papier» des Papstes. Und selbst Bischöfe lehnen sich auf wie nie zuvor.
Kein Segen für Verbindungen, die vor Gott «Sünde» und «nicht auf den Plan des Schöpfers hingeordnet» sind. Das verkündete letzte Woche die Glaubenskongregation mit Zustimmung von Papst Franziskus. Das Segnungsverbot für homosexuelle Partnerschaften provoziert.
Geht es nach der Lesbenorganisation Schweiz (LOS) muss nun auch die Schweizer Politik auf dieses «homophobe Papier» reagieren. In einem Communiqué verlangt sie den «Abzug der Schweizergarde aus dem Vatikan sowie die sofortige Einstellung der finanziellen, kulturellen und politischen Beziehungen zu Vatikanstadt». Gemäss Co-Geschäftsleiterin Muriel Waeger muss sich die Garde an den bei uns geltenden Werten orientieren, wie «Le Matin Dimanche» berichtet hat. LOS bemühe sich um einen entsprechenden Vorstoss im Nationalrat.
Schweizer Bischöfe machen eine Kehrtwende
Am lautesten ist die Kritik im Inneren der Kirche: Für den Schweizerischen Katholischen Frauenbund beispielsweise hat sich die römische Kirche «gegen die Liebe und für die Ausgrenzung» entschieden. Einige deutsche Bischöfe haben mit einem dezidierten Nein geantwortet, Schweizer Oberhirten reagieren zurückhaltender. Aber auch der St. Galler Bischof nannte die Weisung «unangemessen und falsch». Auf der Webpage des Bistums heisst es, die Glaubenskongregation mache sich zur Kontrolleurin darüber, wen Gottes Segen erreichen dürfe oder eben nicht.
Der Basler Bischof Felix Gmür hat sich mit einem Schreiben an die Seelsorgenden seines Bistums gewandt. Er sei sich bewusst, dass sich viele schwule und lesbische Menschen erneut diskriminiert und ausgegrenzt fühlten. «Ich hoffe, dass sie in der konkreten Pastoral in unserem Bistum Annahme und Wertschätzung erfahren.» Vom Segen Gottes sei niemand ausgeschlossen. Darum werde sich an der bisherigen Praxis im Bistum Basel nichts ändern. Bisher boten einzelne Seelsorger Segensfeiern an.
«Die römische Zentrale hat sich einen Alleingang erlaubt, der ihre Autorität total an die Wand fährt.»
Das ist bemerkenswert. Denn noch 2015 lehnte die Schweizer Bischofskonferenz Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare ab, weil die Gefahr bestehe, sie mit der Ehe zu verwechseln. Hinter dem Verbot stand der Churer Bischof Huonder. Er hatte den Urner Pfarrer Wendelin Bucheli wegen einer Segensfeier für ein lesbisches Paar abgestraft.
Aufruf zum Ungehorsam
Für Daniel Bogner, Professor für Moraltheologie und Ethik an der Universität Freiburg, hat der Widerspruch gegen eine römische Weisung eine «neue Qualität» erreicht. Dass man Rom so dezidiert die Gefolgschaft verweigere, selbst auf der Ebene der Bischöfe, habe es noch nie gegeben, sagt er zu dieser Zeitung: «Die römische Zentrale hat sich einen Alleingang erlaubt, der ihre Autorität total an die Wand fährt.» Ihre enggeführte Sicht auf die Sexualität lasse die humanwissenschaftlichen Erkenntnisse über die Vielfalt der Sexualität und die Auseinandersetzung mit der modernen Freiheitsgeschichte vermissen. Bogner nennt das «eine bevormundende Besserwisserei ohne besseres Wissen». Den Bischöfen und Seelsorgenden rät er, für ihre Überzeugung einzustehen und gegen das Verbot «pastoralen Ungehorsam» zu proben.
Arnd Bünker, Leiter des SPI (Schweizerisches Pastoralsoziologisches Institut), geht nicht davon aus, dass das Papier Seelsorgende zurückhalten wird, homosexuelle Paare zu segnen. Allerdings seien solche Segensfeiern im Seelsorgealltag noch immer die Ausnahme. Zum einen gebe es einen gesamtkirchlichen Trend, dass immer weniger Paare auch kirchlich heiraten wollten. Zum anderen seien Segnungen für homosexuelle Paare erst seit 10 bis 15 Jahren ein Thema und würden von Seelsorgern individuell gestaltet und gefeiert.
Bislang bietet in der Schweiz einzig das Bistum St. Gallen offiziell solche Segnungen an: Deren Fachstelle Partnerschaft-Ehe-Familie fragt auf ihrer Website Menschen in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, ob sie ihre Beziehung mit «einer kirchlichen Feier stärken und segnen möchten». Bünker meint, dass die Empörung auf das Papier zwar gross sei, dass man zugleich aber die Glaubenskongregation nicht mehr ernst nehme. Es sei erwartbar, dass das Verbot künftig ein weiterer Grund sein werde, weshalb man aus der Kirche austrete.
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