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Ausstellung in Burgdorf
Franz Gertsch und seine prominenten Zeitgenossen

Franz Gertsch: «Vietnam» (1970).
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In Kürze:
  • «Louisiana Visits Franz Gertsch» zeigt den Schweizer Künstler im Dialog mit Bildern des berühmten Louisiana Museum of Modern Art, Dänemark.
  • Das Museum Franz Gertsch präsentiert über 50 Spitzenwerke, die nur vereinzelt oder noch gar nie in der Schweiz zu sehen waren.
  • Die Schau in Burgdorf ist als Dialog zwischen Franz Gertsch und seinen Zeitgenossen angelegt – darunter Roy Lichtenstein, Andy Warhol oder Mark Rothko.

Haben Sie Lust auf grandiose, hierzulande noch nie ausgestellte Bilder von Warhol, Rothko, Lichtenstein und Richter? Dann nichts wie hin ins Museum Franz Gertsch in Burgdorf, das noch bis Anfang März Spitzenwerke aus dem Louisiana Museum of Modern Art in Humlebaek zeigt.

Das Louisiana-Museum liegt eine Busstunde nördlich von Kopenhagen und gehört zu den schönsten Museen Europas. Es verfügt über eine grossartige Sammlung mit Schwerpunkten auf Pop Art, Konstruktivismus, Nouveau Réalisme und deutscher Kunst der 1980er-Jahre.

Bekannt ist das Museum unter anderem für eine Gruppe hochgewachsener Giacometti-Skulpturen, die vor dem Hintergrund von Museumsgarten und Meer aus fast jeder Besucherin, fast jedem Besucher eine Fotokünstlerin beziehungsweise einen Fotokünstler machen.

«Louisiana Visits Franz Gertsch» heisst die Ausstellung in Burgdorf, die ein Gegengeschenk dafür ist, dass das Museum Franz Gertsch die Highlights seiner Sammlung – also die grossformatigen, fotorealistischen Gemälde des 2022 im Alter von 92 Jahren verstorbenen Berner Künstlers Franz Gertsch – an das Louisiana-Museum ausgeliehen hat.

Als Schweizer Superrealisten feiern die Dänen Franz Gertsch, dessen umwerfende Handwerkskunst sie in der Ausstellungsvorschau hervorheben und dessen Realismus sie bewundern, weil er so extrem sei, dass er geradezu verstörend wirke.

Abstrakte Kunstszene mit stilisierten Figuren und Landschaftselementen in pop-art Stil.

Dank dieses transnationalen Kunstaustauschs kann man jetzt in Burgdorf einen einzigartigen, in seinen Ausmassen geradezu riesenhaften Roy Lichtenstein bestaunen. Im für den Künstler typischen Stil der Comicmalerei werden architektonische Versatzstücke des Louisiana-Museums mit Landschaftselementen kombiniert.

Dazu kommen drei stark stilisierte weibliche Gesichter und der Krawattenknopf des Museumsgründers Knud W. Jensen (1916–2000). Bei den drei Frauen soll es sich um die drei Ehefrauen Alexander Bruns handeln, des einstigen Besitzers der Villa, die alle Louise hiessen. Sie gaben der Villa und auch dem Museum jenen Namen, der leicht verwechselt wird mit jenem eines Bundesstaats im Süden der USA.

Freie Hand bei der Auswahl

Knud W. Jensen hatte Lichtenstein einst gebeten, ihm ein Bild zu malen, das er für seine Sammlung ankaufen konnte. Er erhielt von dem Künstler ein Programmbild, wie es sich ein Museum nur wünschen kann. Das Louisiana-Museum, das dem Werk in seinen Räumen stets einen prominenten Platz eingeräumt habe, vermisse das Bild, weil es Ausgangspunkt vieler Ausstellungen sei, erklärt mir Anna Wesle, die Kuratorin der Ausstellung im Franz-Gertsch-Museum. Sie hatte nach eigenem Bekunden bei der Auswahl der Bilder freie Hand.

Pop-Art-Porträt einer lächelnden Frau mit blondem Haar auf pinkem Hintergrund.

Die Schau in Burgdorf ist als Dialog zwischen Franz Gertsch und seinen Zeitgenossen angelegt, von denen der Künstler manche persönlich kannte, andere auch nur aus Ausstellungen in der Kunsthalle Bern.

Neben Lichtenstein hängen zum Beispiel zehn «Marilyn Monroe»-Siebdrucke und ein frühes, aus dem Jahre 1962 stammendes Coca-Cola-Bild von Andy Warhol. Bei näherem Betrachten erweist sich Letzteres als ins Riesenhafte vergrössertes, handgemaltes Streichholzbriefchen, das über eine überdimensionierte schwarze Reibefläche zum Anzünden der Streichhölzer verfügt, die wie bei einer Collage aufgeklebt ist.

Knallige Farben

Mit diesen Meisterwerken amerikanischer Provenienz treten Gertschs schemenhafte, mit leuchtender Dispersionsfarbe gemalte Bilder von popkulturellen Phänomenen in Dialog. Die drei jungen Damen in Miniröcken «Mireille, Colette, Anne» und die französische Sängerin Françoise Hardy mit einem Rennauto in «Françoise», beide in der Ausstellung zu sehen, stammen aus dem Jahr 1967 und stehen beispielhaft für Gertschs Hinwendung zur Pop Art, die seinem fotorealistischen Hauptwerk vorausging.

Abstraktes Bild eines stilisierten Rennfahrzeugs mit der Nummer 7 und einer Figur in gelber Kleidung.

Man spricht bei diesen Werken gerne von einem «Gertsch avant Gertsch», denn das, wofür der Künstler schliesslich weltbekannt wurde, das begann erst im Jahr 1969 mit der fotorealistischen Malerei eines uniformierten Leutnants, der gerade von einer Kugel getroffen wird und «Huaa …» schreit, wie der Titel des Bildes heisst. Bilder aus jener Zeit des Aufbruchs finden sich später in der Ausstellung.

Meditative Landschaften

Zunächst geht es aber beim Museumsrundgang um monochrome Bilder, mit denen sich Gertsch ein Leben lang befasste. Im Mittelpunkt steht hier sein «Blauer Waldweg (Campiglia Marittima)» aus dem Jahr 2021, der mit Lapislazuli-Blau, das direkt auf die Leinwand gemalt wurde, ein vibrierendes Bild aus Schatten und Licht entwirft.

Im Dialog damit hängt ein fast schwarzer Mark Rothko und ein ganz weisser Qiu Shihua, der eine Landschaft Weiss auf Weiss malte, sodass sich erst nach längerem Hinsehen deren Linien und Umrisse herausschälen.

Abstrakte schwarz-weisse Landschaft mit unscharfen Formen, die eine Palme und einen Wasserfall darstellen.

Danach lernen wir den abstrakten Expressionismus des Amerikaners Morris Louis kennen, der gleich mit drei Grossformaten vertreten ist. Er liess seine Kunstharzfarben direkt auf die ungrundierte Leinwand fliessen, wo sie sich nach den Gesetzen des Zufalls verteilten. Ganz anders Sam Francis, von dem ein atemberaubendes, speziell für das Louisiana-Museum gemaltes Bild aus dem Jahre 1956 zu sehen ist: Er hat die Positionierung seiner Farbkleckse auf der Leinwand präzise, beinahe wie ein Kartograf, geplant.

Abschied von der Abstraktion

Gertsch ist in diesem Umfeld mit vier abstrakten Aquarellen präsent, die er 1964 in Saas-Fee gemalt hat. Spontaner als bei diesen Landschaften in Plein-Air-Malerei sei Gertsch nie geworden, wie uns die Kuratorin Anna Wesle versichert. Diese Experimente stünden für den nach seiner Ausdrucksform suchenden Künstler, der sich dann von der Abstraktion abgewendet hat und ganz auf einen Realismus setzte, der mit malerischen Mitteln die Fotografie zu übertreffen versuchte.

Wasserspiegelung mit Indigo-Tönen, zeigt subtile Wellen und Lichtreflexionen.

Wir lassen bei unserem Rundgang Per Kirkeby, Frank Stella und Ellsworth Kelly auf uns wirken, bewundern Chuck Close und Thomas Struth, um dann vor Gertschs Gemälde «Vietnam» aus dem Jahre 1970 wie angewurzelt zu verharren, dem eine Fotografie aus dem «Life»-Magazin zur Vorlage diente.

So stark das Bild vom Transport verletzter Soldaten auf einem Kampfpanzer wirkt, für Gertsch sei ein solcherart politisierter Fotorealismus eine Sackgasse gewesen, sagt die Kuratorin und zitiert Maria Gertsch-Meer: Die Betrachter hätten sich Gertschs Witwe zufolge vor allem für die Malweise interessiert, was den Künstler bewogen habe, diese gesellschaftskritische Malerei nicht weiterzuverfolgen.

Fortan malte er Porträts und tauchte in geradezu meditativer Weise in Landschaften ein. Er schuf so phänomenale Holzschnitte wie «Schwarzwasser», auf dem er in monatelanger Arbeit mit dem Stechbeutel die Oberfläche des Flusses Schwarzwasser, der nahe seines Wohnortes Rüschegg verläuft, in eine 2,3 mal 1,8 Meter grosse Holzplatte eingravierte.

In der Ausstellung hängt daneben «Bangkok III», eine monumentale Fotografie von Andreas Gursky, die in Form und Duktus, aber auch im meditativen Potenzial mit Gertschs Holzschnitt durchaus vergleichbar ist. Und hier begegnen wir auch Peter Doigs Gemälde «Music of the Future» aus dem Louisiana-Museum, das in seiner dunkelgrünen Untergangsstimmung an Urwaldszenen in «Apocalypse Now» erinnert.

Die Ausstellung im Museum Franz Gertsch, Burgdorf, dauert bis 2. März